"Saubere Luft" für Darmstadt: Deutsche Umwelthilfe, ökologischer Verkehrsclub VCD und Land Hessen einigen sich auf Maßnahmenpaket
(ots) - Deutsche Umwelthilfe und VCD begrüßen konstruktive
und erfolgreich verlaufende Vergleichsverhandlung mit dem Land Hessen
zur Vereinbarung eines rechtswirksamen Maßnahmenkatalogs für "Saubere
Luft" in Darmstadt - Diesel-Fahrverbote auf der Hügel- und
Heinrichstrasse zur schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Grenzwerts
kommen zum 1. Juni 2019 und werden durch Verringerung des
innerstädtischen Autoverkehrs flankiert - Sollte die NO2-Belastung im
2. Halbjahr 2019 nicht wie prognostiziert unter dem EU-Grenzwert von
40 µg/m3 liegen, wird das Maßnahmenpaket verschärft
Im Verwaltungsstreitverfahren (4 K 1755/15.WI) für saubere Luft in
Darmstadt haben sich die klagenden Parteien Deutsche Umwelthilfe
(DUH) und der ökologische Verkehrsclub VCD mit dem beklagten Land
Hessen auf eine Vergleichsvereinbarung verständigt. Danach werden zum
1. Juni 2019 Diesel-Fahrverbote und Fahrspurreduzierungen an der
Hügelstraße und der Heinrichstraße in Kraft treten. Auch die
Maßnahmen der Stadt Darmstadt zur Förderung des ÖPNV und des
Radverkehrs sind verbindlicher Teil der Einigung.
Die DUH und der VCD begrüßen den konstruktiven Dialog mit dem Land
Hessen, der zu einem wichtigen Maßnahmenpaket für saubere Luft in
Darmstadt geführt hat. Die internationale Umweltrechtsorganisation
ClientEarth unterstützt Klagen für "Saubere Luft" der DUH.
"Wir freuen uns für die Bürger und Besucher von Darmstadt, dass
sie ab Sommer nächsten Jahres endlich die ihnen zustehende "Saubere
Luft" einatmen können. Erstmals ist es uns gelungen, mit einem
beklagten Land eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, die zudem
für den Fall weiterer Grenzwertüberschreitungen eine weitere
Nachjustierung beinhaltet. Nach unserer Auffassung werden dann
Diesel-Fahrverbote über Euro 5 hinaus umzusetzen sein. Wir wünschen
uns, dass dieses Beispiel in anderen Luftreinhalteklagen Schule
macht. Auf diesem Weg kann schnell und unkompliziert Rechtssicherheit
über Art und Umfang der Diesel-Fahrverbote, aber auch anderer
verkehrslenkenden Maßnahmen, erreicht werden", sagt Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der DUH. "Wir brauchen nun eine schnelle Hilfe
für die betroffenen Besitzer von Euro 5, aber auch Euro 6
Betrugs-Dieseln. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass alle
von Fahrverboten bedrohten Diesel-Halter rechtzeitig ein
Hardware-Update im Rahmen eines verbindlichen Rückrufs auf Kosten der
Hersteller oder Importeure erhalten."
Heiko Nickel, Geschäftsführer des VCD Hessen ergänzt: "Mit dieser
Einigung muss die Stadt Darmstadt nun umgehend die von ihr bereits
beschlossene Förderung von Bus-, Bahn- und Radverkehr umsetzen. Der
Vergleich führt zu sauberer Luft und zu mehr ökologischer Mobilität
in Darmstadt. Dies stärkt die Stadt und macht sie gesünder und
lebenswerter."
Der Luftgrenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2),
der seit dem Jahr 2010 verbindlich gilt, wird in Darmstadt seit
Jahren an der Hügelstraße (72 µg NO2/m³ im Jahresmittel 2017) und der
Heinrichstraße (57 µg NO2/m³) überschritten. Der seit dem Jahr 2010
geltende Grenzwert ist nach einem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 schnellstmöglich,
spätestens jedoch 2019, einzuhalten.
In Darmstadt wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass durch
Diesel-Fahrverbote keine Grenzwertüberschreitungen an anderen Stellen
im Stadtgebiet auftreten werden. Anders als in anderen Städten gibt
es nach allen vorliegenden Messungen und Modellierungen in Darmstadt
nur an zwei Straßen Überschreitungen der Grenzwerte. Daher konnte
sich das Konzept auch auf die Hügelstraße und die Heinrichstraße
konzentrieren. Zugleich wurde vereinbart, dass das
Diesel-Einfahrtverbot verschärft wird, sollte die NO2-Belastung im
zweiten Halbjahr 2019 nicht wie prognostiziert unter dem EU-Grenzwert
von 40 µg/m3 liegen. Die DUH und der VCD sehen in diesem Fall keine
andere Wahl, als das Fahrverbot auf bestimmte Dieselfahrzeuge der
Emissionsklasse Euro 6 auszudehnen.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH und den VCD in dem
Verfahren vertrat, sagt: "Mit dem jetzt vereinbarten Maßnahmenpaket
wird es uns gelingen, den Grenzwert auch in Darmstadt einzuhalten.
Ein solcher Vergleich ist ein Novum in unseren Verfahren für saubere
Luft. Erstmals haben sich die klagenden Verbände gemeinsam mit der
zuständigen Behörde an einen Tisch gesetzt und ausgelotet, was an
Maßnahmen möglich und nötig ist. Für den Fall, dass die Luftqualität
doch nicht so gut werden sollte, wie durch uns erwartet, haben wir
eine weitere Verständigung vereinbart. Dies erspart allen Beteiligten
endlose gerichtliche Auseinandersetzungen und fördert auch auf Seiten
der Kläger ein Verständnis dafür, dass man es nicht mit renitenten
und der Einhaltung des Rechts ablehnenden Behörden zu tun hat,
sondern mit Fachbehörden, die im Dialog die Vor- aber auch die
Nachteile bestimmter Konzepte erörtern können. Denn eins ist klar:
Die Grenzwerte sind seit langem einzuhalten. Alle damit in
Zusammenhang stehenden Rechtsfragen sind spätestens durch die
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018
entschieden. Die Vehemenz, mit der sich andere Bundesländer - und
leider auch das Land Hessen in dem Verfahren zu Frankfurt - gegen die
nötigen Maßnahmen sperren, dient nur der Verfahrensverschleppung.
Dies ist unnötig."
Der Leiter des deutschen Büros von ClientEarth, Hermann Ott, sagt:
"Es ist gut, dass das Land Hessen sich für Darmstadt dazu entschieden
hat die andauernd schlechte Luftbelastung nicht länger zu ignorieren.
Wir hoffen, dass weitere Betroffene einsehen, dass schnell gehandelt
werden muss. Unsere Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe dient dem
Zweck, den Gesundheitsschutz der Menschen durchzusetzen. Die
Schadstoffgrenzwerte für NO2 sind seit 2010 einzuhalten, doch seither
ist nicht viel geschehen, um die Menschen zu schützen. Alle
Verantwortlichen sollten mittlerweile eingesehen haben, dass ihre
bisherigen Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung nicht
ausreichend sind und dies vor Gericht keinen Bestand haben wird."
Die Kläger und der Beklagte haben am gestrigen Tag das
Verwaltungsgericht gebeten, den Vergleich zu protokollieren, sodass
er rechtskräftig wird.
Hintergrund:
Im November 2015 hat der ökologische Verkehrsclub Deutschland VCD
Klage wegen Überschreitung der NO2-Luftqualitätsgrenzwerte erhoben.
Im Mai 2016 wurde die Klage des VCD um die DUH als weiteren Kläger
erweitert. Ziel ist die Änderung des Luftreinhalteplans, zur
Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwerts. Die Rechtmäßigkeit von
Diesel-Fahrverboten als kurzfristige Maßnahme zur Einhaltung des
NO2-Grenzwerts bestätigte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom
27. Februar 2018. Zonale Diesel-Fahrverbote einschließlich Euro 5
sind demnach ab 1. September 2019 möglich, ohne Euro 5 bereits seit
1. September 2018.
An der Hügelstraße 26 in Darmstadt wurde für 2017 ein neuer
Jahresmittelhöchstwert von 72 µg NO2/m³ gemessen - nach München und
Stuttgart einer der höchsten Werte. In der Heinrichstraße ermittelte
die DUH mit ihrer Citizen Science Messaktion "Decke auf, wo Atmen
krank macht" 2018 ebenfalls NO2-Werte oberhalb der erlaubten 40
µg/m³.
NO2 ist gesundheitsschädigend. Die Europäische Umweltagentur EEA
hat im Oktober 2018 die gesundheitlichen Folgen der NO2-Verschmutzung
mit jährlich 13.100 vorzeitigen Todesfällen allein in Deutschland
beziffert. Diesel-Fahrverbote sind zur kurzfristigen Einhaltung des
NO2-Grenzwertes die einzige Option und laut Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27. Februar 2018 rechtmäßig
und notwendig.
Schmutzige Diesel-Pkw tragen wesentlich zu mehr als 800.000
jährlichen Neuerkrankungen an Diabetes und Asthma bei, verursacht
durch die anhaltende Belastung der Atemluft mit dem Dieselgift NO2.
Das Umweltbundesamt hatte mit einer neuen Studie über die
Gesundheitsfolgen des Dieselabgasgiftes NO2 verdeutlicht, dass
bereits bei Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes mit
437.000 Neuerkrankungen an Diabetes Mellitus und 439.000
Asthmaerkrankungen zu rechnen ist.
Derzeit führt die DUH Klageverfahren für "Saubere Luft" in 30
Städten. Klagen in Bielefeld, Hagen, Oberhausen und Wuppertal wird
die DUH im Dezember noch einreichen. Damit klagt die DUH dann in
insgesamt 34 Städten. Am 19. Dezember 2018 ist noch eine Verhandlung
für "Saubere Luft" in Wiesbaden terminiert. In diesem Verfahren sind
die DUH und der VCD Kläger.
Links:
Zum Vergleich: http://l.duh.de/p181214b
Zu den aktuellen Ergebnissen der DUH-Messaktion "Decke auf, wo Atmen
krank macht": www.duh.de/abgasalarm/
DUH-Hintergrundpapier "Klagen für Saubere Luft":
www.duh.de/projekte/right-to-clean-air/
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch(at)duh.de
Heiko Nickel, Geschäftsführer VCD Hessen
0151 20153300, landespolitik(at)vcd-hessen.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt Kanzlei Geulen & Klinger, Berlin
0171 2435458, klinger(at)geulen.com
Ellen Baker, Kommunikationsmanager ClientEarth
+44 203 030 5951, ebaker(at)clientearth.org
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse(at)duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
VCD-Pressestelle:
Almut Gaude, Pressesprecherin
030-280351-12, presse(at)vcd.org
www.vcd.org, www.twitter.com/VCDeV, www.facebook.com/vcdbundesverband
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Datum: 14.12.2018 - 13:07 Uhr
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