Anwendung von Keimbahneingriffen derzeit ethisch nicht vertretbar
(ots) - Die am heutigen Montag, dem 26.11.2018, von dem
chinesischen Forscher Jiankui He behauptete Geburt zweier mittels
Keimbahneingriffs genetisch veränderter Mädchen stellt nach
Auffassung des Deutschen Ethikrates eine ernste Verletzung ethischer
Verpflichtungen dar.
Der auch als Genome-Editing bezeichnete Einsatz neuer
gentechnischer Methoden wie CRISPR/Cas9 an Embryonen oder
Keimbahnzellen kann Gene dauerhaft und potenziell in allen
Körperzellen verändern. Die Veränderung wird auch an spätere
Nachkommen vererbt. Bislang wurden solche Keimbahneingriffe
allerdings nur in Tierversuchen und - im Ausland - auch in
Experimenten mit menschlichen Embryonen vorgenommen.
Nach eigenen Angaben gegenüber der Nachrichtenagentur Associated
Press hat Jiankui He von der Southern University of Science and
Technology in Shenzhen (China) die Technik nun an Embryonen
angewandt, die sich anschließend bis zur Geburt weiterentwickelten.
Ziel des Eingriffs war die Veränderung eines Gens für einen Rezeptor
im Immunsystem, die Schutz vor einer HIV-Infektionen verleihen kann.
Bislang war eine klinische Anwendung des Genome-Editings an
menschlichen Embryonen international einhellig allein aus
Sicherheitsgründen klar abgelehnt worden, da die Technik noch nicht
weit genug entwickelt ist, um eine ausreichend sichere und effektive
Wirkung des Eingriffs in allen angesteuerten Zellen des sich
entwickelnden Organismus zu gewährleisten.
Darüber hinaus gibt es erheblichen ethischen und
gesellschaftlichen Klärungsbedarf, ob und unter welchen Umständen
Eingriffe in die menschliche Keimbahn überhaupt zu rechtfertigen
sind. Der Deutsche Ethikrat hatte zu diesem Thema im Dezember 2017 in
einer Ad-hoc-Empfehlung einen globalen politischen Diskurs und eine
internationale Regulierung gefordert. Derzeit erarbeitet der Rat eine
ausführliche Stellungnahme zu diesem Thema.
"Der Einsatz von Genome-Editing am menschlichen Embryo ist zum
jetzigen Zeitpunkt und beim derzeitigen Stand der Technik in keiner
Weise zu verantworten, erst recht nicht ohne einen dringenden
medizinischen Grund", sagte Peter Dabrock, der Vorsitzende des
Deutschen Ethikrates. "Die hier angeblich behandelten Embryonen
hätten sich auch ohne einen solchen Eingriff zu gesunden Menschen
entwickeln können. Die Menschheit muss ein Mitspracherecht haben.
Immerhin handelt es sich um einen Eingriff in die biologische
Grundlage des Menschen. Er betrifft ja nicht nur einen Einzelnen,
sondern potenziell alle seine Nachkommen. Kurzum: Bei den
Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche.
Die Politik muss sich auf globaler Ebene endlich des Themas
annehmen."
Die Medizinethikerin Alena Buyx, Sprecherin der mit dem Thema
Keimbahneingriffe befassten Arbeitsgruppe des Deutschen Ethikrates,
kritisiert das Vorgehen ebenfalls: "Eine derart vorschnelle Anwendung
widerspricht allen etablierten Maßstäben der Forschungsethik. Die
gesundheitlichen Risiken für die so behandelten Mädchen konnten nicht
ausreichend abgewogen werden. Zudem scheint auch noch unklar, ob die
Eltern überhaupt wahrheitsgetreu aufgeklärt wurden, in welche Studie
sie einwilligen."
Die Veröffentlichung der behaupteten Forschungsergebnisse in einer
wissenschaftlichen Fachzeitschrift steht noch aus. Der Deutsche
Ethikrat wird seine Stellungnahme zum Thema Keimbahneingriffe mit
ethischen Analysen möglicher Anwendungsszenarien voraussichtlich in
der ersten Hälfte 2019 veröffentlichen.
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Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
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Datum: 26.11.2018 - 17:22 Uhr
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