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Mittelbayerische Zeitung: Olympische Bankrotterklärung
Von Heinz Gläser

ID: 1671001


(ots) - Stell dir vor, es ist Olympia - und keiner
will''s haben! Zumindest nicht vor der eigenen Haustür. So geschehen
dieser Tage. Nach diversen anderen Gemeinden und Regionen zeigen nun
auch die Einwohner von Calgary möglichen Winterspielen mehrheitlich
die kalte Schulter. Das klingt wie die Jagd nach einem Rekord. Über
den Globus und die Jahre verstreut haben nunmehr neun Kommunen in
Bürgerbefragungen ihre Ablehnung dokumentiert. Es ist eine traurige
Bestmarke. Und das Votum aus Kanada ist eine Bankrotterklärung für
das ehemals so stolze, wenn auch stets im Ruch des undurchsichtigen
Honoratiorenvereins stehende IOC. Die Herren der fünf Ringe - die
Damen sind ja bis heute deutlich in der Minderzahl - haben das
zweifelhafte Kunststück vollbracht, eine fantastische Idee
systematisch zu diskreditieren. Bei der Entscheidung über den
Ausrichter der Winterspiele im Jahr 2026 schmilzt die Auswahl dahin
wie Neuschnee im grellen Sonnenlicht. Übrig sind noch zwei politische
Wackelkandidaten - Mailand im Verbund mit Cortina d''Ampezzo sowie
Stockholm. Immerhin, möchte man sagen. Denn zuletzt, als es um den
Schauplatz 2022 ging, stand das Internationale Olympische Komitee vor
der aperen Alternative, Peking oder dem kasachischen Almaty den
Zuschlag zu erteilen. Die Wahl fiel auf die chinesische Hauptstadt.
Der Applaus der internationalen Sportwelt zu dieser bizarren
Entscheidung war - nun ja - enden wollend. Olympische Winterspiele
sind beileibe nicht das einzige sportliche Großereignis, dem die
Kernmärkte wegbrechen - zumal in Europa. Die Formel 1 ist längst zu
neuen, lukrativen Ufern aufgebrochen und rast eben demnächst in
Vietnam. Diese Schneise ist dem IOC verstellt. Winterspiele in Katar
oder Südafrika sind zumindest bis auf Weiteres eine doch allzu
gewagte Idee. Angesichts des Klimawandels wäre es stattdessen höchste




Zeit für eine Rückbesinnung auf klassische Wintersportorte, die
atmosphärisch die Gewähr für ein echtes Sporterlebnis zu bieten
hätten. Denken wir an Innsbruck, denken wir an Oslo ... Und denken
wir an Oberbayern! Es ist müßig, einer vertanen Chance nachzuweinen.
Doch spätestens, wenn wir 2022 Augenzeugen der Spiele in Peking sein
werden, sollten wir uns bewusst machen, dass die Wettbewerbe ebenso
gut in München und Garmisch-Partenkirchen über die eisige Bühne
hätten gehen können. Bürgervoten verhinderten diese höchst
aussichtsreiche Kandidatur. Olympia gleich Doping-Exzesse gleich
Gigantismus gleich Umweltzerstörung gleich Kostenexplosion: Diese
Gleichung macht die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgern
demokratischer westlicher Staaten auf. Es ist die Schuld des IOC,
dass seine Rechnung nicht mehr aufgeht. An der Spitze der Olympier
thront mit Thomas Bach ein deutscher Agenda-Politiker. Seine
sympathischen Visionen für 2020 lauteten ursprünglich mal: alles eine
Spur kleiner, umweltschonender, kostengünstiger, überschaubarer,
insgesamt heimeliger. Außer der Botschaft ist von Bachs
Zukunftskonzept bislang wenig in der olympischen Realität angekommen.
Die Beharrungskräfte im IOC gleichen offensichtlich denen im Vatikan.
Für Revolutionäre sind sowohl Rom als auch der IOC-Sitz Lausanne kein
gutes Pflaster. Wer, wenn nicht der deutsche Sport sollte Thomas Bach
beim Wort nehmen? Nach sechs gescheiterten Anläufen verharren die
Funktionäre hierzulande im olympischen Schmollwinkel. Dabei ist die
Zeit reif für eine erneute Kandidatur, die Winterspiele 2030 böten
sich dafür an. Und im Sommer 2036 wäre der ideale Zeitpunkt, exakt
100 Jahre nach den Propagandaspielen der Nazis in Berlin das
geläuterte Deutschland zu präsentieren. Zuvor muss allerdings massiv
Überzeugungsarbeit in der überwiegend skeptischen Bevölkerung
geleistet werden. Aber so ist das nun mal im Sport: Erfolg ist
allemal das Resultat von Mühsal und Schweiß.



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Datum: 15.11.2018 - 21:15 Uhr
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