Deutsche Umwelthilfe erwirkt erstes Autobahn-Diesel-Fahrverbot auf der A40 im Ruhrgebiet sowie Diesel-Fahrverbote für Essen und Gelsenkirchen
(ots) - Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gibt Klagen für
"Saubere Luft" der Deutschen Umwelthilfe statt - Bisher stärkstes
Urteil für den Gesundheitsschutz - DUH erwirkt elftes und zwölftes
Urteil in Folge zu Diesel-Fahrverboten in Deutschland -
Luftreinhaltepläne der beiden Ruhrgebietsstädte müssen bis zum 1.
Juli 2019 um eine 18 Stadtteile umfassende Diesel-Fahrverbotszone für
Essen und streckenbezogene Diesel-Fahrverbote für Gelsenkirchen
erweitert werden - Zum ersten Mal soll in Essen mit der Sperrung der
A40 für Dieselfahrzeuge bis einschließlich Euro 5/V auch eine
Autobahn in die Fahrverbotszone einbezogen werden - Heutige
Kabinettsentscheidung zur Heraufsetzung von NO2- und NOx-Grenzwerten:
Diesel-Fahrverbote kommen trotz Änderung des BImSchG auch für Städte
unter 50 µg NO2/m3 ¬- Bundesland Nordrhein-Westfalen mit den meisten
Klagen für Diesel-Fahrverbote
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat heute über die Klagen der
Deutschen Umwelthilfe (DUH) für "Saubere Luft" in den Städten Essen
und Gelsenkirchen entschieden (Essen: 8K 5068/15, Gelsenkirchen: 8K
5254/15) und beiden Klagen in vollem Umfang stattgegeben: Der
Luftgrenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2), der
seit dem Jahr 2010 verbindlich gilt, ist schnellstmöglich
einzuhalten, spätestens im Jahr 2019. Dabei geht es um eine
Grenzwerteinhaltung jeweils im gesamten Stadtgebiet. Die
internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt
Klagen für "Saubere Luft" der DUH.
Für die Stadt Essen hat das Gericht (höchster NO2-Belastungswert
in Essen:49 µg/m3) entschieden, dass die Landesregierung ein
Diesel-Fahrverbot für 18 Stadtteile inkl. der Stadtmitte als "Blaue
Umweltzone" in den Luftreinhalteplan aufzunehmen hat. Dieses gilt ab
dem 1. Juli 2019 für alle Diesel unterhalb der Abgasnorm Euro 5 und
Benziner unterhalb der Norm Euro 3. Zum 1. September 2019 ist das
Verbot auf Diesel-Pkw, Busse und Nutzfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5
zu erweitern.
Zum ersten Mal in Deutschland wurde von einem Gericht auch ein
Diesel-Fahrverbot für eine Bundesautobahn verfügt. Ab dem 1. Juli
2019 gilt dies auf der Autobahn A40 für Diesel-Pkw, Busse und
Nutzfahrzeuge bis einschließlich der Abgasstufe Euro 4/IV, ab dem 1.
September 2019 wird dieses für Euro 5/V Diesel ausgedehnt. Grund ist
die hohe Belastung einer Wohnsiedlung in Essen-Frohnhausen, hier
führt die Bundesautobahn unmittelbar vorbei. Das Gericht hat
zusätzlich dem Land die Prüfung weiterer Fahrverbote für neun weitere
Verdachtsfälle außerhalb der "Blauen Umweltzone" mit Frist bis zum 1.
April 2019 auferlegt. Damit stellt das Gericht mit seinem Urteil das
verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Gesundheit der Menschen in
Essen und Gelsenkirchen über die Profitinteressen der
Automobilindustrie.
Für die Stadt Gelsenkirchen, welche mit 46 µg NO2/m3 geringere
Grenzwertüberschreitungen beim Dieselabgasgift NO2 als Essen
aufweist, muss das beklagte Land Nordrhein-Westfalen ein
streckenbezogenes Diesel-Fahrverbot auf der besonders belasteten
Kurt-Schumacher-Straße festlegen. Dieses muss zum 1. Juli 2019 für
alle Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6 und alle Benziner
unterhalb der Abgasnorm Euro 3 in Kraft treten.
Das Gericht betonte, dass ein Großteil der vom Land NRW bisher in
den Luftreinhalteplänen angeführten Maßnahmen "keine schnelle
Wirkung" verspricht. Die schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung noch
vor 2020, wie es das Bundesverwaltungsgericht gefordert hat, ist
somit nicht möglich. Daher kann auf Diesel-Fahrverbote nicht mehr
verzichtet werden. Der lange Zeitraum, in dem der Grenzwert
überschritten wird, zwingt zu einer besonders effizienten
Maßnahmenplanung.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Mit der
erstmaligen Sperrung einer Bundesautobahn für Diesel-Pkw, Busse und
Lkw muss auch eine Kanzlerin Merkel erkennen, dass sie mit ihrer
Politik gegen den Gesundheitsschutz und für die Profitsicherung einer
betrügerischen Industrie gescheitert ist. Das letzte Beispiel für
eine Fernsteuerung dieser Bundesregierung aus den Konzernzentralen
von BMW, Daimler und VW ist die heute im Bundeskabinett beschlossene,
europarechtswidrige Heraufsetzung von Dieselabgasgift-Grenzwerten.
Was Gerichte von dieser industriefreundlichen Gesetzesnovelle halten,
zeigte sich wenige Stunden nach der Regierungs-Pressekonferenz im
Gelsenkirchener Richterspruch: Die erstmalige Einführung eines ersten
Diesel-Fahrverbots auf der Autobahn A40 sowie in Essen und
Gelsenkirchen. Diesel-Fahrverbote kommen trotz Änderung des BImSchG
auch für Städte auch unter 50 µg NO2/m3."
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertritt,
sagt: "Die Politik muss endlich in der Realität ankommen.
Diesel-Fahrverbote werden kommen. Man muss den Menschen rechtzeitig
reinen Wein einschenken und die dafür nötigen Hilfestellungen geben.
Insbesondere sozial schwache Familien, die häufig an stark belasteten
Straßen wohnen, dürfen nicht dafür zahlen müssen, dass sie saubere
Luft atmen können. Saubere Luft ist ein Menschenrecht, das der Staat
zu gewährleisten hat."
Hintergrund:
Die DUH hatte beide Klagen im November 2015 gegen das Land
Nordrhein-Westfalen eingereicht. Ziel ist die Einhaltung des seit
2010 verbindlich geltenden EU-Grenzwerts von 40 µg NO2/m³ im
Jahresmittel.
2017 ermittelten in Essen fünf offizielle Messstationen NO2-Werte
oberhalb des erlaubten Jahresmittelgrenzwerts von 40 µg/m³. Der
höchste Wert mit 49 µg/m³ wurde an der Messstation Frohnhausen an
einem dreigeschossigen Wohnhaus nahe der Bundesautobahn A 40
gemessen. Auch in Gelsenkirchen weist eine offizielle Messstation
einen Wert oberhalb des NO2-Grenzwerts auf: An der Messstation
Kurt-Schumacher-Straße überschreitet der gemessene Wert mit 46 µg
NO2/m³ die gesetzlichen Vorgaben deutlich. Dass diese Zahl für
Gelsenkirchen kein Einzelfall ist, belegen Messungen der DUH aus
diesem Jahr. In der Florastraße wurde mit 44 µg NO2/m³ ebenfalls ein
nach europäischem Recht gesetzeswidriger Wert gemessen.
NO2 ist gesundheitsschädigend. Die Europäische Umweltagentur EEA
hat im Oktober 2018 die gesundheitlichen Folgen der NO2-Verschmutzung
mit jährlich 13.100 vorzeitigen Todesfällen allein in Deutschland
beziffert. Diesel-Fahrverbote sind zur kurzfristigen Einhaltung des
NO2-Grenzwertes die einzige Option und laut Urteilen des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27. Februar 2018 rechtmäßig
und notwendig.
Schmutzige Diesel-Pkw tragen wesentlich zu mehr als 800.000
jährlichen Neuerkrankungen an Diabetes und Asthma bei, verursacht
durch die anhaltende Belastung der Atemluft mit dem Dieselgift NO2.
Das Umweltbundesamt hatte mit einer Studie über die Gesundheitsfolgen
des Dieselabgasgiftes NO2 verdeutlicht, dass bereits bei
Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes mit 437.000
Neuerkrankungen an Diabetes Mellitus und 439.000 Asthmaerkrankungen
zu rechnen ist.
Derzeit führt die DUH Klageverfahren für "Saubere Luft" in 30
Städten. Klagen in Bielefeld, Hagen, Oberhausen und Wuppertal wird
die DUH im November einreichen. Damit klagt die DUH dann in insgesamt
34 Städten. Bis Ende 2018 sind noch für zwei Städte Verhandlungen für
"Saubere Luft" terminiert (VG Wiesbaden zu Darmstadt am 21.11. und VG
Wiesbaden zu Wiesbaden am 19.12.2018).
Links: Zu den aktuellen Ergebnissen der Messaktion "Decke auf, wo
Atmen krank macht": https://www.duh.de/abgasalarm/
Hintergrundpapier "Klagen für Saubere Luft":
https://www.duh.de/projekte/right-to-clean-air/
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch(at)duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt Kanzlei Geulen & Klinger, Berlin
0171 2435458, klinger(at)geulen.com
Ellen Baker, Kommunikationsmanager ClientEarth
0044 203 030 5951, ebaker(at)clientearth.org
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse(at)duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
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Datum: 15.11.2018 - 15:16 Uhr
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