Brexit-Studie: Hamsterkäufe bei britischen Unternehmen - Angst vor "No Deal" wächst (FOTO)
(ots) -
- 70% Wahrscheinlichkeit einer Einigung in letzter Sekunde - ohne
wirkliche Details, wie genau das Handelsabkommen aussehen wird
- Anhaltende politische Diskussion verunsichert Unternehmen, kostet
Profitabilität und Wirtschaftswachstum
- Hamsterkäufe bei Unternehmen: Sie horten zunehmend Importwaren, um
Margen und ihre Lieferkette abzusichern
- Der Geist eines "No Deal" spukt zunehmend in den Köpfen,
Wahrscheinlichkeit von ursprünglich 5% auf inzwischen 25% gestiegen
- Britische Unternehmen (30 Mrd. GBP) und deutsche Exporteure (8 Mrd.
EUR) wären größte Verlierer beim hartem Ausstieg
Ein "Blind Date" - das heißt, eine Einigung in letzter Sekunde
zwischen Europäischer Union (EU) und Großbritannien, bei der vorher
keiner wirklich weiß, wie sie genau aussehen wird - ist mit rund 70%
weiterhin das wahrscheinlichste Szenario im "Brexit"
Scheidungsprozess. Allerdings steigt durch die anhaltenden
Diskussionen auch die Wahrscheinlichkeit eines "No Deal"-Szenarios
(25%), dass keine Einigung gefunden wird. Ein Verbleiben in der EU
ist mit 5% hingegen nahezu unwahrscheinlich. Zu diesem Schluss kommt
die aktuelle Studie des führenden Kreditversicherers Euler Hermes mit
dem Titel "Brexit: A blind date better than a bad breakup."
Ein harter Ausstieg hätte massive Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Größter Verlierer wäre Großbritannien selbst, aber auch Deutschland,
die Niederlande, Frankreich und Belgien müssten bei ihren Exporten
deutliche Einbußen hinnehmen.
Anhaltende Diskussionen kosten bis zur Einigung jedes Quartal
0,1pp an Wirtschaftswachstum "Dass noch immer keine Einigung in Sicht
ist, verunsichert Wirtschaft und Unternehmen", sagt Ludovic Subran,
Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe und stellvertretender
Chefvolkswirt der Allianz. "In Kombination mit der sehr polarisierten
politischen Landschaft in Großbritannien sind das keine guten
Vorzeichen im Brexit-Scheidungsprozess. Selbst Neuwahlen vor März
2019 können wir aktuell nicht ausschließen, denn die
Mehrheitsverhältnisse sind denkbar knapp und die Debatten auf der
Insel hitzig. Vermutlich wird es dazu nicht kommen, aber die
Möglichkeit trägt dennoch erheblich zur allgemeinen Verunsicherung
bei."
Diese Unsicherheit dürfte nach Berechnungen der Euler Hermes
Experten bis zu einer Einigung jedes Quartal bis zu 0,1 Prozentpunkte
(pp) beim britischen Wirtschaftswachstum kosten. Insgesamt erhält das
Wirtschaftswachstum also einen weiteren Dämpfer und die Volkswirte
gehen beim britischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von nur noch von
einem Zuwachs von 1,3% für 2018 und 1,2% für 2019 aus.
"Das britische Pfund gerät zunehmend unter Druck. Die Kaufkraft
der Briten sowie der Konsum sind dadurch rückläufig. Am stärksten
leiden jedoch die Unternehmen. Ihre Profitabilität und Gewinnmargen
sind im Sog des Pfunds dahingeschmolzen", sagt Subran. "Um ganze
2,5pp sind die Unternehmensmargen seit Anfang 2016 geschrumpft - und
vorerst ist kein Ende abzusehen. Die Abwertung der Währung geht im
Brexit-Karussell in den kommenden Monaten erst einmal weiter, und die
Löhne steigen gleichzeitig an. Um die verbleibenden Margen zu
sichern, werden sich britische Unternehmen wohl zunehmend nach
lokalen Lieferanten umsehen."
Das gilt insbesondere für Branchen, die stark vom Import abhängig
sind: Automobil- und Chemiebranche, Maschinen- und Anlagenbau,
Einzelhandel und Lebensmittelbranche. Vereinzelt dürften sich aber
lokale Kapazitäten ergeben, da europäische Unternehmen zum Teil
umgekehrt ähnlich agieren. Sie versuchen ebenfalls vermehrt,
britische gegen europäische Lieferanten auszutauschen.
Hamsterkäufe vor dem Sturm: Unternehmen horten Importware, um
Lieferkette zu sichern "Wir sehen außerdem zunehmend Hamsterkäufe -
wie nach einer Sturmwarnung", sagt Ron van het Hof, CEO von Euler
Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Um mögliche
Zölle, Verzögerungen oder gar Unterbrechungen der Lieferkette zu
vermeiden, horten britische Unternehmen immer mehr Importwaren, die
sie für ihre Produktion zwingend benötigen. Sie wollen vorbereitet
sein. Zusätzliche Zollkontrollen und Staus wären für ihre Lieferkette
ein Desaster. Diese Hamsterkäufe sollen zwar ihre Margen und
Produktion zunächst absichern, sie bergen gleichzeitig aber auch
bilanzielle Risiken - für die Unternehmen selbst und indirekt für
ihre Lieferanten."
Rosenkrieg: Britische und deutsche Exporteure wären größte
Verlierer bei "No Deal" Ein "No-Deal" Szenario ist im Zuge der
aktuellen Unsicherheit ebenfalls deutlich wahrscheinlicher geworden.
Bei rund 25% Wahrscheinlichkeit liegt diese Option nach Ansicht der
Euler Hermes Volkswirte inzwischen (zuvor 5%). Das würde bedeuten,
dass die Regeln der World Trade Organisation (WTO) greifen und etwa
4-5% Zölle auf beiden Seiten anfallen würden. Das britische Pfund
würde in diesem Fall massiv abwerten und bis Ende 2019 auf
voraussichtlich 0,88 Euro fallen. Exportverluste wären die Folge.
"Die Briten selbst wären die größten Verlierer, gefolgt von
deutschen Exporteuren", sagt Van het Hof, "Exporte in Höhe von 30
Milliarden (Mrd.) britischen Pfund pro Jahr stehen bei den Briten
selbst auf der Kippe, wenn es zu keiner Einigung kommt. Bei den
deutschen Exporteuren sind im ersten Jahr nach dem Brexit aber auch
immerhin 8 Mrd. Euro (EUR) an Ausfuhren auf die Insel in Gefahr.
Unternehmen, die viel Geschäft in Großbritannien machen, müssen
aktuell starke Nerven haben - oder sukzessive auf andere Absatzmärkte
umschwenken."
Die Niederländer würden beim harten Ausstieg voraussichtlich 4
Mrd. EUR an Exporten einbüßen, gefolgt von Frankreich und Belgien (je
3 Mrd. EUR).
Deal in letzter Sekunde erwartet - für Unternehmen "Blind Date"
mit Überraschungen Mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% ist aktuell
dennoch der "Blind Brexit" der aussichtsreichste Kandidat im
Trennungskarussell. Nach Einschätzung von Euler Hermes werden sich
die EU und Großbritannien auf ein Handelsabkommen einigen mit
weiterhin engen Handelsbeziehungen.
"Angesichts der anhaltenden Diskussionen auf beiden Seiten wird es
aber vermutlich eine Einigung auf den letzten Drücker geben", sagt
Subran. "Für Unternehmen ist das wie ein ''Blind Date'', denn sie
wissen nicht, was auf sie zukommt. Das kann im Detail positive oder
auch böse Überraschungen bereithalten. Dennoch ist es für sie immer
noch besser als eine unschöne Trennung."
Ein solcher "Last-Minute-Deal" im Januar 2019 könnte den Weg ebnen
für eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der zunächst alles beim
Alten bleibt beim Handel mit Gütern und Dienstleistungen sowie den
Grenzkontrollen. Die EU hat zuletzt sogar angeboten, diese
Übergangsphase um ein Jahr zu verlängern.
Die Märkte würden sich mit einer Einigung merklich entspannen. Der
Wechselkurs zwischen Britischem Pfund und Euro würde voraussichtlich
wieder auf etwa 1,14 klettern nach einem erwarteten Tiefstand
zwischen 1,06-1,09 bis zum Jahresende 2018 (das entspricht einer
monatlichen Abwertung von rund 3%).
Norwegen ist der Weg: wahrscheinlichstes Szenario der Einigung
"Wir gehen von einem Abkommen aus, das dem zwischen der EU und
Norwegen ähnelt", sagt Subran. "Das hat Großbritannien zwar bisher
abgelehnt. Allerdings würde es die Nordirlandfrage lösen, und die
Konservativen könnten so ihre Mehrheit behaupten, die von den 10
Sitzen der nordirischen Democratic Unionist Party abhängt. Die Briten
hätten weiterhin weitestgehend Zugang zum europäischen Binnenmarkt.
Allerdings hätten sie dann umgekehrt keine Kontrolle über die
Migration in der EU und müssten sich hier den europäischen Regeln
beugen - ohne die Möglichkeit Einfluss zu nehmen, denn Stimmrecht
haben sie keines mehr. Zugeständnisse werden sie machen müssen,
Norwegen ist der Weg, der vermutlich die geringsten Verluste mit sich
bringt."
Link zur vollständigen Euler Hermes Studie: http://ots.de/3I1iex
Euler Hermes ist weltweiter Marktführer im
Kreditversicherungsgeschäft und anerkannter Spezialist in den
Bereichen Kaution, Garantien und Inkasso. Das Unternehmen verfügt
über 100 Jahre Erfahrung und bietet seinen Kunden umfassende
Finanzdienstleistungen an, um sie im Liquiditäts- und
Forderungsmanagement zu unterstützen. Über das unternehmenseigene
Monitoring System verfolgt und analysiert Euler Hermes täglich die
Insolvenzentwicklung kleiner, mittlerer und multinationaler
Unternehmen. Insgesamt umfassen die Expertenanalysen Märkte, auf die
92% des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen. Das
Unternehmen mit Hauptsitz in Paris ist in 52 Ländern vertreten und
beschäftigt rund 6.050 Mitarbeiter. Euler Hermes ist eine
Tochtergesellschaft der Allianz und wird von Standard & Poor?s mit
einem Rating von AA bewertet. 2017 wies das Unternehmen einen
konsolidierten Umsatz von EUR 2,6 Milliarden aus und versicherte
weltweit Geschäftstransaktionen im Wert von EUR 894 Milliarden.
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Datum: 18.10.2018 - 09:06 Uhr
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