Mittelbayerische Zeitung: Trumps nächster Tiefpunkt / Bei der Khashoggi-Affäre geht es um mehr als die Aufklärung eines mutmaßlichen
Mordes. Der moralische Führungsanspruch der USA steht auf dem Spiel. Von Thomas Spang
(ots) - Der Testballon mit der Ausrede einer nicht ganz
nach Plan verlaufenen Entführung des Dissidenten stürzte ab, bevor er
an Höhe gewinnen konnte. Zu erdrückend sind die Indizien, die den
mutmaßlichen Mord an Jamal Khashoggi in dem saudischen Konsulat in
Istanbul mit Kronprinz Mohamed bin-Salman in Verbindung bringen.
Mindestens zwei der fünfzehn Verdächtigen stammen aus dem direkten
Umfeld bin-Salmans. Und der forensische Experte, der mit einer
Knochensäge ausgerüstet, nach Istanbul anreiste, hat so einen hohen
Rang in Saudi-Arabien, dass er sich von niemand anderem als einem
Mitglied des Königshauses dazu bewegen ließe. In einem Königreich, in
dem nichts ohne den Segen des absoluten Alleinherrschers passiert,
ist es schlicht nicht vorstellbar, dass jemand auf eigene Faust
handelte. Erst Recht nicht fünfzehn Personen, die in zwei Düsenjets
einer regierungsnahen Firma nach Istanbul gereist kamen. Die Türkei
hat die Verdächtigen identifiziert, besitzt nach eigenen Angaben
Audio- und Videodokumente aus dem Konsulat und hat bei einer ersten
Inspektion frisch getünchte Wände und den starken Geruch von
Chemikalien festgestellt. Die Idee, ein von oben genehmigtes Verhör
sei entglitten und habe zum Tod des Journalisten geführt, glaubt
niemand mit gesundem Menschenverstand. Wenn dies nicht von vornherein
so geplant war, warum reiste dann wohl ein forensischer Experte mit
einer Knochensäge ein? Und wo ist der Leichnam? Es liegt ein anderer
Verdacht auf der Hand, für den auch die Tatsache spricht, dass alle
fünfzehn Verdächtigen unmittelbar nach dem Verschwinden Khashoggis
wieder abreisten. Wie übrigens auch der saudische Konsul längst das
Weite gesucht hat. Hier sollen Spuren verwischt, das Geschehen
vernebelt und die Verantwortlichen geschützt werden. Dass ein
amerikanischer Präsident den Eindruck erweckt, daran tatkräftig
mitzuwirken, ist ein neuer Tiefpunkt in der Amtszeit Donald Trumps.
Statt die Waffenverkäufe einzufrieren und mit Sanktionen zu drohen,
engagiert sich der Präsident als PR-Mann der Saudis. Trump folgt
dabei einem inzwischen bekannten Muster. Wie bei Wladimir Putins
Einmischung in die US-Wahlen oder den mutmaßlichen sexuellen
Übergriffen des Senatskandidaten Roy Moore und seines
Richterkandidaten Brett Kavanaugh stilisiert er die mutmaßlichen
Täter zu Opfern und solidarisiert sich mit diesen. Im Fall der Saudis
kommt eine Vermischung geopolitischer und persönlicher Interessen
hinzu, die Trump nur allzu willig die Mär von den unkontrollierbaren
Schurken verbreiten lassen. Er braucht das Königreich als Verbündeten
in seiner Kampagne gegen den Iran und verdankt diesem lukrative
Immobiliengeschäfte. Wenn sich die USA den mutmaßlichen Tätern mehr
verpflichtet fühlen, als den Opfern elementarer
Menschenrechtsverletzungen, stellt sich die Frage, ob sie noch ein
Mitglied der viel beschworenen westlichen Werte-Gemeinschaft sind.
Wer Menschenrechte nur selektiv einfordert, kann es nicht wirklich
ernst meinen. Da Trump, wie die Saudis, mehr an einer Vertuschung als
an einer Aufklärung interessiert zu sein scheint, und die Türkei
alleine unter Druck geraten könnte, sollten die Vereinten Nationen
oder der Internationale Strafgerichtshof die Aufklärung der
Khashoggi-Affäre in die Hand nehmen. Wie schon nach dem 11. September
2001, als 15 der 19 Attentäter mit saudischen Ausweisen in die USA
eingereist waren, stellt sich die Frage, was für Freunde die Saudis
sind. Es wird Zeit, das Verhältnis zu dem absolutistischen Königreich
grundlegend zu überdenken.
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Datum: 17.10.2018 - 19:42 Uhr
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