BGA: Steigende Nervosität belastet Welthandel und Weltwirtschaft - Eigene Mauern hochziehen ist für Außenhandel keine Option -Hoffen auf Durchbruch in Brexit-Verhandlungen
(ots) - "Zehn Jahre nach der Finanzkrise stehen wir heute
vor einer globalen handelspolitischen Krise - einem massiven Angriff
auf die regelgebundene Welthandelsordnung. In dieses Chaos dürfen wir
uns nicht hineinziehen lassen. Vielmehr gilt es, einen kühlen Kopf zu
bewahren und Kurs zu halten." Dies erklärt Dr. Holger Bingmann,
Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel,
Dienstleistungen e.V., heute in Berlin anlässlich der
Herbstpressekonferenz des Verbandes zur Entwicklung des deutschen
Außenhandels.
Wachstumstempo lässt nach
"Während sich der deutsche Außenhandel im ersten Halbjahr wacker
geschlagen hat, hat im Hintergrund der Rückgang bei den ausländischen
Auftragseingängen eindeutig die Wende eingeläutet. Somit zeichnet
sich ab, dass wir das Wachstumstempo im Außenhandel in der zweiten
Jahreshälfte nicht halten können", so Bingmann.
Vor diesem Hintergrund senkt der BGA seine Wachstumsprognose für
die deutschen Exporte im laufenden Jahr auf 3,5 Prozent. "Einem
ganzen Bündel mehr oder weniger großer Risiken stehen nur wenige
Impulse für neues Wachstum gegenüber", warnte der BGA-Präsident.
Neben der Aushöhlung der internationalen Wirtschaftsordnung durch die
USA verwies er auf geopolitische Risiken und den hohen
Verschuldungsgrad, insbesondere zahlreicher Schwellenländer, aber
beispielsweise auch Italiens, die finanziell verwundbar seien.
Derweil stiegen die gesamten Exporte in den ersten sechs Monaten
um vier Prozent auf 663 Milliarden Euro. Besonders erfreulich war
dabei die Entwicklung bei den Exporten in die EU-Länder: Fast fünf
Prozent mehr deutsche Waren (+4,8% auf 459,1 Milliarden Euro) gingen
ins EU-Ausland. Zugleich sind die Schatten des Brexit nicht mehr zu
übersehen: Allein im ersten Halbjahr sanken unsere Exporte in das
Vereinigte Königreich um fast drei Prozent (-2,7%) auf 42,1
Milliarden Euro.
Auch im US-Geschäft hinterlässt der von Präsident Trump begonnene
Handelsstreit Spuren. Die Ausfuhren in die USA sind nur um knapp ein
Prozent (auf 56,1 Milliarden Euro) gewachsen. Hingegen stiegen die
Ausfuhren nach China um zehn Prozent auf 53,3 Milliarden Euro. Unterm
Strich bleiben die USA mit 56 Prozent wichtigster Handelspartner im
Export. Beim gesamten Handelsvolumen belegt die Volksrepublik China
mit fast 50 Prozent den ersten Platz. Friktionen im internationalen
Handel zwischen unserem wichtigsten Handelspartner China und unserem
wichtigsten Absatzmarkt USA würden uns unzweifelhaft massiv treffen,
warnte der BGA-Präsident.
WTO-Reform muss Missstände ansprechen
Hauptaugenmerk gilt derzeit dem bevorstehenden Brexit sowie der
nun seit fast zwei Jahren schrittweisen Aushöhlung und den
anhaltenden Angriffen auf die Welthandelsordnung. "Eigene Mauern
hochzuziehen ist angesichts dessen, dass 90 Prozent des globalen
Wirtschaftswachstums in den nächsten zehn bis 15 Jahren außerhalb der
EU stattfinden, keine Option", mahnte Bingmann und begrüßte, wie sehr
sich die Bundesregierung derzeit zusammen mit unseren europäischen
Nachbarn im Rahmen der G20 für die Stabilisierung und den Erhalt des
multilateralen Handelssystems einsetze.
Eine Reform der WTO müsse auch Missstände ansprechen, die durch
ungerechtfertigte Subventionen und durch einen mangelnden Schutz von
geistigem Eigentum entstehen. Ein Großteil von Amerikas Zorn
diesbezüglich gegen China sei nicht unberechtigt. Doch einseitig
verhängte "Strafzölle" seien der falsche Weg, der sich infolge der
fortgeschrittenen, internationalen Arbeitsteilung disruptiv auf
Lieferketten in der ganzen Welt auswirke.
Gerade im Handelskonflikt mit den USA offenbare sich, welch
schützende Wirkung die EU für ihre Mitglieder zu bieten habe. Der
Brexit sei in dieser Zeit ein folgenschwerer, katastrophaler Schritt.
Harter Brexit als Worst-Case
"Die Lage ist ernst, die Verhandlungen haben den kritischen
Zeitpunkt längst überschritten und stecken in einer Sackgasse fest.
Die Staats- und Regierungschefs, die sich heute in Brüssel zum
EU-Gipfel treffen, müssen nun endlich eine Lösung herbeiführen. Dies
ist nun zentrale Aufgabe der gesamten EU und ihrer Institutionen. Es
besteht die reale Gefahr, dass am Ende ein von beiden Seiten
ungewollter, vertragsloser Austritt steht, der für Briten und
Europäer schwerwiegende Folgen hätte. Bei einem solchen ''harten
Brexit'' - ohne Freihandelsabkommen - drohen deutschen Unternehmen
Kosten in Milliardenhöhe.
"Eine Einigung darf aber nicht um jeden Preis erzielt werden. Für
uns Groß- und Außenhändler steht nach wie vor die Integrität des
Binnenmarkts an erster Stelle. Kein einzelnes europäisches Land kann
auf der internationalen Bühne auch nur annähernd so viel Einfluss
haben wie die EU als Ganzes. Und dennoch sollte man gemeinsam auch
die zur Verfügung stehende Flexibilität auf beiden Seiten nutzen.
Auch die EU sollte nicht so hart verhandeln, dass das Band zwischen
ihr und England auf Dauer zerschnitten bleibt - damit dessen und
unsere Enkel über einen Wiedereinzug in das europäische Haus
miteinander sprechen können", so Bingmann abschließend.
35, Berlin, 17. Oktober 2018
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