Margot Käßmann greift auch mal zum Fertiggericht: "Zum Kochen bin ich viel zu ungeduldig"
(ots) - "Angst vor dem Tod habe ich nicht", sagt Margot
Käßmann (60) im Interview mit der Zeitschrift FRAU IM SPIEGEL. "Ich
habe ein gutes Leben gehabt. Ich fürchte mich eher davor, nicht so
sterben zu können, wie ich es möchte." Zum Beispiel, wenn jemand
durch eine Magensonde zwangsweise am Leben erhalten werde. "Ich habe
so gut es geht vorgesorgt - mit Patientenverfügung und
Betreuungsvollmacht. Meine Töchter wissen Bescheid, was im Ernstfall
zu tun und zu lassen wäre", so die ehemalige Landesbischöfin und
Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland.
Wenn sie den Pflegefall und Tod anspreche, sagten ihre Töchter:
"Ach Mama, du bist doch noch gar nicht so alt. Da wollen wir gar
nicht dran denken." Käßmann: "Ich habe als Pfarrerin aber erlebt,
wenn der Ernstfall eintritt, dann kann alles ganz schnell gehen. Das
überfordert die Familie. Daher ist es gut, wenn der Verstorbene
möglichst viel festgelegt hat. Meine Töchter haben daher alle einen
Brief von mir, in dem ich ihnen meine Wünsche mitteile. Das ist eine
Erleichterung für die Hinterbliebenen."
Dass vor wenigen Wochen ihr sechstes Enkelkind zur Welt kam, ist
für die vierfache Mutter eine große Freude. Den Interviewtermin mit
FRAU IM SPIEGEL verschwitzte sie fast, weil sie bei ihrem
zweijährigen Enkel Babysitten musste, wie sie lachend gesteht: "Wir
haben mit der Eisenbahn gespielt, Puzzle gelegt und Bilderbücher
angesehen - meine Enkel lieben die ''Wimmel''-Bücher. Eines davon zeigt
den Zoo in Hannover." Dorthin geht Käßmann, die im Frühjahr von
Berlin zurück nach Hannover gezogen ist, gerne mit den Enkeln, wie
sie im Gespräch mit FRAU IM SPIEGEL verrät.
Sie hat einen neuen Lebensabschnitt begonnen. Kurz nach ihrem 60.
Geburtstag im Juni ließ Margot Käßmann das Berufsleben hinter sich.
So ist sie seit 1. Juli im Ruhestand, ist jedoch bis Mitte nächsten
Jahres mit Terminen ausgebucht. "Teilweise durch die Kinder und
Enkel, aber auch durch Freundinnen und Freunde", erklärt sie. "Mit
einer Freundin, die Brustkrebs hatte, fahre ich demnächst nach Paris.
Und ich schreibe auch weiter Bücher."
Trotz aller Termine sei es aber ein weniger angespanntes Leben als
früher. Dafür sei sie sehr dankbar. "Gefühlt bin ich mein Leben lang
spätestens um 6.15 Uhr aufgestanden", erzählt sie. "Daher liebe ich
es jetzt, morgens mal etwas länger schlafen zu können. Ich genieße
es, in aller Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken und dazu die Zeitung
zu lesen. Früher hatte ich einen ungeheuren Druck mit vier Kindern,
Terminen, Predigten und Vorträge vorbereiten. Umso schöner ist, dass
ich jetzt Zeit habe und mir alles gut einteilen kann."
Die 60-Jährige ist "kein Ernährungsfreak und auch keine große
Köchin vor dem Herrn", wie sie FRAU IM SPIEGEL verrät. "Zum Kochen
bin ich viel zu ungeduldig. Ich lese in der Zeit lieber ein gutes
Buch und bereite mir ein Fertiggericht zu. Oder ich gehe einfach mal
schön essen."
Margot Käßmann war beruflich immer viel in der Welt unterwegs. Ob
sie noch Lust hat zu verreisen? - "Tatsächlich brauche ich keine
großen Reisen mehr. Ich war schon in Asien, Afrika und Lateinamerika.
Aber ich möchte gerne mal nach Masuren - von Marion Gräfin Dönhoff
habe ich darüber ein Buch gelesen. Und ich möchte auch mal durch
Portugal fahren. Bislang kenne ich nur Lissabon."
Bei ihrer Verabschiedung im Juni sei sie "ein bisschen gerührt"
gewesen. "Obwohl ich eigentlich gar nicht dazu neige. Ich hatte ein
langes Berufsleben, 35 Jahre stand ich auf der Kanzel. Durch diese
lange Zeit und die damit verbundenen Erinnerungen war der Abschied
natürlich bewegend." Aber sie habe bereits dutzende Einladungen zu
Predigten. "Vier, fünf werde ich nächstes Jahr annehmen, das reicht",
sagt sie. "Die Predigten sollen etwas Besonderes bleiben."
Ob sie auch ein paar Tränen beim Abschied verdrückt hat? - "Der
Liedermacher Fritz Baltruweit, mit dem ich vor 35 Jahren die erste
Andacht gehalten habe, hat mit seiner Gitarre ein eigens komponiertes
Lied gespielt - da bekam ich schon feuchte Augen", so die Power-Frau.
"Aber meinen Rückzug bereue ich nicht. Mein Nachfolger in Hannover,
Landesbischof Ralf Meister, macht einen guten Job. Ich muss mich
kirchlich nicht mehr einmischen - es sei denn, ich werde gefragt. Wir
Älteren müssen auch mal loslassen."
Sie wisse, dass sie sehr privilegiert sei, jetzt mit 60 in den
Ruhestand gehen zu können, und das Geld reiche. Wenn sie vor allem
Frauen sehe, die nach einem langen Arbeitsleben nicht genug Rente
haben, bedrücke sie das. "Alle Menschen sollten im Alter abgesichert
sein", findet sie. "Wir sind ein reiches Land, da kann man doch nicht
so tun, als gäbe es keine Möglichkeiten. Ich finde, wir könnten
weniger fürs Militär ausgeben und mehr für die Altersabsicherung."
In ihrem neuen Buch "Schöne Aussichten auf die besten Jahre"
beschreibt sie ihr körperliches Älterwerden kritisch - obwohl sie
noch sehr fit ist. "Ich gehe drei Mal die Woche joggen, aber
tatsächlich merke ich, dass der 60. Geburtstag, wie für viele meiner
Freundinnen und Freunde auch, eine Zäsur ist", erklärt sie. "Du
weißt: In den nächsten Jahren endet auf jeden Fall das Berufsleben.
Und im Freundeskreis gibt es immer wieder gesundheitliche Einschläge
- drei Freundinnen von mir haben Brustkrebs, ich hatte die Krankheit
selbst ja auch schon. Und eine Freundin ist nach einem Schlaganfall
ins Koma gefallen." Ihr sei bewusst, "dass mit 60 die Gesundheit
nicht mehr so selbstverständlich ist wie früher".
Käßmann glaubt, "dass es eine Existenz nach dem Tod gibt, aber
nicht so, wie sie jetzt ist. Der Apostel Paulus sagt: ''Es wird gesät
verweslich, und wird auferstehen unverweslich.'' Wie immer das genau
aussehen mag - irgendeine Form von Existenz bei Gott kann ich mir
schon vorstellen." Ihr Glaube sei ruhiger geworden, so Margot
Käßmann. "Ich würde das mit einer Beziehung vergleichen - wenn zwei
sich kennenlernen, gibt es am Anfang noch Unsicherheiten, aber im
Laufe der Jahre wächst Vertrauen. Selbst, wenn sie mal nicht
miteinander sprechen, wissen sie, die Leitung steht." Natürlich gebe
es auch immer mal wieder Zweifel, das gehöre auch dazu. "Aber
grundsätzlich habe ich ein großes Gottvertrauen."
Und was ist ihr kleines Glück am Tag? - "Ich will nicht dauernd
von den Enkeln reden, aber natürlich, als ich vorhin beim Babysitten
ankam und der Kleine strahlte übers ganze Gesicht, weil Omi kommt und
er wusste, ich spiele jetzt mit ihm zwei Stunden, das war schon ein
besonderes Glücksgefühl. Aber es war gestern Morgen auch schön, als
ich durch die Eilenriede in Hannover gejoggt bin - die Luft war so
wunderbar."
Was Margot Käßmann sich für die Zukunft erhofft: "Wenn ich das
nächste Jahrzehnt noch gesund bleibe, wäre das schön. Ich möchte
gerne meine Enkelkinder aufwachsen sehen, deshalb widme ich ihnen
viel Zeit. Meine älteste Enkeltochter wurde gerade eingeschult, in
zehn Jahren ist sie 16, dann ist es für sie mit Omi vielleicht nicht
mehr so interessant. Ich möchte auch viel mit Freundinnen, Schwestern
und Familie unternehmen. Außerdem werde ich mich weiter engagieren
und freue mich darauf, noch einige Bücher zu schreiben."
Vielleicht ein Kinderbuch für die Enkel? - "Das hat gerade ein
Verlag angefragt", verrät Käßmann. "Das werde ich wahrscheinlich
machen, daran hätte ich Spaß. Es gibt wohl wenig gute christliche
Literatur für Kinder - in dem Sinne: Was ist eigentlich Weihnachten,
Pfingsten, Ostern? Was sind die biblischen Geschichten? Was heißt
Taufe oder getauft sein? Auch ein Buch über Freundschaft steht schon
auf meiner To-Do-Liste."
Margot Käßmanns neues Buch "Schöne Aussichten auf die besten
Jahre" erscheint im Bene-Verlag. Die Theologin schreibt übers
Älterwerden und erzählt dabei Geschichten aus ihrem eigenen Leben.
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