3 Jahre Dieselgate - Bilanz eines Regierungsversagens: Rekordgewinne bei Autokonzernen, Fahrverbote wegen abgasverpesteter Innenstädte und elf Millionen betrogene Diesel-Besitzer
(ots) - Deutsche Umwelthilfe fordert Bundeskanzlerin Angela
Merkel dazu auf, sich endlich aus dem Würgegriff der Autokonzerne zu
befreien und verbindliche Hardware-Nachrüstungen aller Betrugs-Diesel
auf Kosten der Hersteller anzuordnen - Neue Abgasmessungen der DUH
zeigen bis zu 15-fache Grenzwertüberschreitung bei Euro 6 Diesel -
DUH kündigt in Hagen, Bielefeld, Freiburg, Limburg, Oberhausen,
Oldenburg, und Wuppertal Gerichtsverfahren zur schnellen Durchsetzung
der "Sauberen Luft" an
Drei Jahre nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals bewertet
die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Regierungshandeln als
Totalversagen. Am 18. September 2015 wurde öffentlich, dass
US-amerikanische Behörden ein Ermittlungsverfahren gegen die
Volkswagen AG wegen der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen in
Diesel-Pkw einleiten. Während hierzulande VW und die Bundesregierung
versuchten, den Skandal auf VW-Modelle und bestimmte Euro 5
Diesel-Pkw des Herstellers zu begrenzen, wies die DUH durch eigene
Abgasmessungen nach, dass der Skandal nicht auf VW und dort einen
bestimmten Motor von Euro 5 Fahrzeugen beschränkt ist. Sondern, dass
auch BMW, Daimler, Porsche, Ford, Opel und weitere ausländische
Hersteller illegale Abschalteinrichtungen verwenden. Die DUH fordert
Kanzlerin Merkel auf, nach drei Jahren Untätigkeit nun endlich den
Menschen zu helfen und die Dieselkonzerne zu verpflichten, die elf
Millionen Betrugs-Diesel auf deren Kosten nachrüsten zu lassen.
Erstmals im September 2007 hatte die DUH in einer Pressekonferenz
diesen organisierten Abgasbetrug umfassend dargestellt. Im Februar
2011 informierte der Umwelt- und Verbraucherschutzverband das
Bundesverkehrsministerium über den VW-Abgasbetrug an einem Pkw mit
dem durch die US-Enthüllungen bekannten Motor EA 189. Das Ministerium
weigerte sich damals, wie in den folgenden vier Jahren, diesen und
weiteren Hinweisen und Abgasmessungen durch eigene Untersuchungen
nachzugehen und den Abgasbetrug somit frühzeitig zu unterbinden.
Die DUH hat seit Oktober 2015 bei über 1.200 eigenen
Abgasmessungen an mehr als 110 Diesel-Fahrzeugen in Prüflaboren, aber
vor allem in dem verbandseigenen Emissions-Kontroll-Institut (EKI),
bei General Motors/Opel, Renault/Nissan, BMW, Mercedes, VW,
FiatChrysler und weiteren Herstellern extrem hohe Abweichungen
zwischen Prüfstands- und Realemissionen bzw. klare Hinweise auf
Abschalteinrichtungen dokumentiert und den deutschen wie
ausländischen Zulassungsbehörden gemeldet. Bei all diesen Unternehmen
haben danach die staatlichen Nachprüfungen das Vorhandensein von
Abschalteinrichtungen bestätigt.
"Die Bilanz ist ernüchternd: Drei Jahre, nachdem das VW-Gate in
den USA bekannt wurde, fahren in Europa die Betrugs-Diesel
unverändert als Giftgasschleudern durch unsere Innenstädte und führen
zu tausendfachem Tod und hunderttausenden Erkrankungen. Und die
überwiegende Mehrzahl der in den letzten drei Jahren neu auf die
Straße gekommenen Euro 6 Diesel-Pkw sind genauso schmutzig",
kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die durch das EKI untersuchten Euro 6 Diesel-Pkw emittierten im
Durchschnitt 444 Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer (mg/km),
das entspricht einer 5,5-fachen Überschreitung des NOx-Grenzwerts im
realen Fahrbetrieb. Nur 8,4 Prozent der Euro 6 Diesel-Pkw hielten den
geltenden NOx-Grenzwert von 80 mg/km ein. Die Euro 6 Diesel-Pkw
emittieren im Vergleich zu den Euro 6 Benzin-Pkw durchschnittlich 12
Mal mehr NOx. Zwei aktuelle Messungen der DUH im EKI zeigen sogar
über diesen Durchschnittswert hinausgehende Überschreitungen des
Abgasgrenzwertes für NOx: Bei einem Alfa Romeo Giulia 2.2 Multijet,
Euro 6 wurden 584 mg NOx/km und damit eine Überschreitung des
Grenzwerts um den Faktor 7,3 gemessen. Noch drastischer ist das
Ergebnis bei einem Renault Scénic ENERGY dCi 130, ebenfalls Euro 6.
Hier erreichen die NOx-Emissionen im Schnitt 1.192 mg/km, was einer
Überschreitung um den Faktor 14,9 entspricht. Beide Diesel-Pkw sind
gerade ein Jahr alt.
"Diese Bundesregierung hat auf ganzer Linie versagt. Während die
deutschen Autokonzerne im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 35
Milliarden Euro erzielten, bleiben elf Millionen Besitzer von
Diesel-Pkw ohne funktionierende Abgasanlage im Dieseldunst stehen.
Sie sehen sich nun konfrontiert mit einem massiven Wertverlust der
Fahrzeuge und Diesel-Fahrverboten, die von der DUH zum Schutz der
Gesundheit für 34 Städte gerichtlich bereits erwirkt wurden oder noch
werden", so Jürgen Resch. "Wann endlich wird sich die Bundeskanzlerin
aus dem Würgegriff der Dieselkonzerne befreien? Während Andreas
Scheuer, der Vertreter der Autokonzerne in der Bundesregierung, mit
täglichen Äußerungen gegen die Hardware-Nachrüstungen kämpft, sehen
Gerichte in Bayern und Baden-Württemberg nunmehr eine Beugehaft gegen
Regierungspolitiker, die sich weigern rechtskräftige Urteile
umzusetzen, als unausweichlich an. Frau Bundeskanzlerin - ich fordere
Sie auf, endlich den Titel Autokanzlerin abzulegen und die
Dieselkonzerne entweder zum Rückkauf oder zur Hardware-Nachrüstung
aller elf Millionen Betrugsdiesel zu verpflichten."
Die hohen Schadstoffemissionen aus Diesel-Pkw sind maßgeblich
Ursache für die vielerorts auftretende Überschreitung des seit 2010
verbindlich geltenden Jahresmittelwertes für Stickstoffdioxid (NO2).
Mit einer breit angelegten Messkampagne im Februar und Juni 2018
hatte die DUH aufgezeigt, dass mindestens 115 Städte in Deutschland
Konzentrationen des Dieselabgasgifts NO2 aufweisen, die über dem
Grenzwert liegen.
Da die für die Luftreinhaltung zuständigen Behörden und
Landesregierungen nur auf gerichtliche Entscheidungen reagieren und
sich nach wie vor weigern, von sich aus die notwendigen
Diesel-Fahrverbote zu verfügen, hat sich die DUH dazu entschlossen,
in folgenden sieben Städten neue Klagen auf Einhaltung der
Luftqualitätswerte beim Dieselabgasgift NO2 zu erheben: Hagen,
Bielefeld, Freiburg, Limburg, Oberhausen, Oldenburg und Wuppertal.
Aktuell führt die DUH in 28 Städten Klageverfahren für die
Durchsetzung der "Sauberen Luft". Die Klagen zielen auf die Aufnahme
verbindlicher und effektiver Maßnahmen in die jeweiligen
Luftreinhaltepläne. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Februar
2018 bestätigt, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zulässig sind.
Demnach müssen sie dort zwingend eingeführt werden, wo andere
Maßnahmen versagen, um die Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwerts
innerhalb weniger Monate sicherzustellen.
Obwohl die DUH in München, Düsseldorf, Stuttgart, Aachen und
zuletzt Frankfurt am Main die Klagen gewonnen hat, weigern sich die
für die Luftreinhaltung zuständigen Behörden, rechtskräftigen
Urteilen nachzukommen - auch auf Druck der jeweiligen
Ministerpräsidenten der Länder. Dazu Rechtsanwalt Remo Klinger, der
die DUH in zahlreichen Verfahren vertritt: "In einem Rechtsstaat und
einer Demokratie ist es nicht hinnehmbar, wenn sich Vertreter von
Behörden oder gewählte Repräsentanten rechtskräftigen
Gerichtsurteilen verweigern und meinen, für sie gelten andere Regeln
als für jeden anderen im Lande. Genauso bedenklich ist es, wenn
Behörden die rechtlich verankerte Auskunftspflicht aushebeln, um
einseitig die Interessen von Unternehmen zu schützen. Mit dieser
Haltung legen die Verantwortlichen eine Lunte an die Grundfesten
unseres Staatssystems. Das ist mehr als unverantwortlich."
Einen massiven Schwachpunkt sieht die DUH in der Weigerung der
Bundesregierung, den getäuschten und geschädigten Fahrzeughaltern zu
ihrem Recht zu verhelfen. Eine Hardware-Nachrüstung von Diesel-Pkw
der Euronormen 5 und 6 auf Kosten der Hersteller hatte der Umwelt-
und Verbraucherschutzverband bereits 2015 gefordert. Doch nach wie
vor blockiert das Bundesverkehrsministerium diese Maßnahme, die
einzig eine verlässliche Absenkung der Abgasemissionen bewirkt. "Mit
dem stattdessen von Verkehrsminister Scheuer propagierten
Micky-Mouse-Software-Update werden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge
nicht zu verhindern sein. Indem sich der CSU-Minister vor den Karren
der Hersteller spannen lässt, täuscht er die Verbraucher erneut,
während die Autobauer munter Rekordgewinne einfahren", so Resch.
Hintergrund:
Ergänzend zu den derzeit laufenden Klagen für "Saubere Luft" wird
die DUH zeitnah in folgenden Städten neue Klagen zur Einhaltung der
Luftqualitätswerte beim Dieselabgasgift NO2 erheben: Hagen
(Jahresmittelwert für NO2 lag in 2017 laut Umweltbundesamt an der
Messstation Märkischer Ring 85 bei 49 µg/m³), Bielefeld (Bielefeld
Innenstadt: 47 µg/m³), Freiburg (Schwarzwaldstraße: 49 µg/m³),
Limburg (Schiede 28-30: 58 µg/m³), Oberhausen (Mülheimer Straße 117:
49 µg/m³), Oldenburg (Heiligengeistwall: 49 µg/m³), Wuppertal
(städtisches Messnetz Briller Straße 28: 57 µg/m³). Damit klagt die
DUH dann in insgesamt 34 Städten. Die nächste mündliche Verhandlung
und Entscheidung findet am 9. Oktober 2018 in Berlin statt.
Links:
Übersicht EKI-Messungen: http://l.duh.de/p180914
Faktencheck 3 Jahre Dieselgate: http://l.duh.de/p180914
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch(at)duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 8847280, 0171 2435458, klinger(at)geulen.com
Simon Annen, Stellv. Leiter Emissions-Kontroll-Institut
030 2400867737, annen(at)duh.de
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse(at)duh.de
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Datum: 14.09.2018 - 11:00 Uhr
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