Neue Westfälische (Bielefeld): Die SPD plädiert für einen Mieten-Stopp
Die Angst vor dem sozialen Abstieg
Stefan Schelp
(ots) - Umfragen der jüngeren Vergangenheit belegen,
dass die Deutschen inzwischen weniger die Flüchtlingskrise
beschäftigt. Nicht einmal die Angst vor Kriminalität ist das
allbeherrschendes Thema. Was die Menschen dagegen umtreibt, ist die
Angst vor der Armut, vor dem sozialen Abstieg. Die Angst davor, im
Alter nicht mehr genug zum Leben zu haben. Und sich keine vernünftige
Wohnung mehr leisten zu können. Wenn die SPD jetzt also von der
bisher viel zu laschen Mietpreisbremse zum Mietpreis-Stopp wechselt,
also zur Vollbremsung, dann spielt dabei selbstverständlich der
Wahlkampf eine bedeutende Rolle. In Bayern wird um Stimmen gerungen
und auch in Hessen steht das Landtagsvotum an. Und für die SPD sind
respektable Ergebnisse derzeit in weiter Ferne. Deshalb sucht sie
nach neuen Themen - und hat sie nun offenbar gefunden. Das kann man
kritisieren. Man könnte es auch opportunistisch nennen. Wenn die
explodierenden Mieten nicht tatsächlich ein Muss-Thema wären.
Besonders die Mieten in boomenden Großstädten galoppieren davon,
immer mehr Menschen können es sich gar nicht mehr leisten, für sich
und ihre Familien passenden Wohnraum anzumieten. Sie bleiben schlicht
auf der Strecke. Die Mietpreisbremse, dieses Projekt aus der
vergangenen Legislatur-Periode, hat daran nichts geändert. Zu löchrig
war das Programm, zu leicht ließen sich die Obergrenzen umgehen.
Jetzt also der nächste Versuch. Der Mietpreis-Stopp sieht vor, dass
die Mieten für einen begrenzten Zeitraum von fünf Jahren nicht
stärker steigen dürfen als die Inflationsrate. Die Argumentation der
Sozialdemokraten ist, dass man sich damit Luft verschaffen will, bis
andere Maßnahmen endlich greifen. In der Tat ist der Mietpreis-Stopp
viel zu wenig, um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum beizukommen.
Aber auch das Baukindergeld oder die Einschränkung der Möglichkeit
zur Eigenbedarfskündigung reichen als Einzelmaßnahmen keineswegs.
Allesamt aber können ihren Teil dazu beitragen, die Not zu lindern.
Die Sozialverbände fordern "drastische Einschnitte". Die Vermieter
halten davon "rein gar nichts". Das Wesen der funktionierenden
Demokratie ist, zwischen diesen Polen einen Weg zum Kompromiss zu
finden. Die schlimmste Variante wäre, sich erneut in den Gremien auf
Monate und Jahre zu verzetteln. Darauf können die Wohnungssuchenden
ganz sicher nicht warten. Und die Investoren wollen es ganz sicher
auch nicht.
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Datum: 09.09.2018 - 19:55 Uhr
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