BERLINER MORGENPOST: Fakten - oder Rücktritt! / Leitartikel von Jörg Quoos zu Maaßen
(ots) - Kurzform: Der Präsident muss seinen Vermutungen
jetzt schleunigst Fakten folgen lassen und beweisen, dass seine
Behauptungen stimmen. Seine Erklärung von Freitagabend, man "prüfe"
alle zugänglichen Informationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes,
ist blamabel. Ist das die neue Vorgehensweise beim Verfassungsschutz:
erst behaupten und danach prüfen? Maaßen ist kein Einzelkämpfer, der
für sein Bauchgefühl bezahlt wird. Er verfügt über einen Etat von 350
Millionen Euro und über 3100 Mitarbeiter. Darunter etliche Experten,
die ein gefälschtes Video entlarven könnten. Aus diesem Haus darf man
mehr erwarten als seltsame Relativierungen zu den Chaos-Tagen von
Chemnitz. Wenn der Verfassungsschutzpräsident am Ende nicht beweisen
kann, dass im Fall Chemnitz die Öffentlichkeit mit einem oder gar
mehreren gefälschten Videos getäuscht wurde, dann muss er gehen.
Der vollständige Leitartikel: Es wäre mehr als peinlich, wenn der
Präsident des deutschen Verfassungsschutzes recht hätte. Wenn
etablierte Medien wie die ARD und viele andere - auch diese Redaktion
- einem gefakten Video aus Chemnitz aufgesessen wären und so
teilweise falsch über die Geschehnisse in der sächsischen Stadt
berichtet hätten. Ungeheuerlich ist aber, dass der Wächter unserer
Verfassung nur Spekulationen statt Fakten oder Beweise dazu liefert.
Hans-Georg Maaßen hat öffentlich lediglich einen Verdacht geäußert.
Das führt zu zwei logischen Schlüssen: Entweder er weiß nicht, ob
seine Behauptung stimmt. Oder er weiß es - verrät aber nicht die
ganze Wahrheit. Beide Varianten werfen ein denkbar schlechtes Licht
auf einen Spitzenbeamten, der für die Sicherheit der Bürger
verantwortlich ist. Der Präsident muss seinen Vermutungen jetzt
schleunigst Fakten folgen lassen und beweisen, dass seine
Behauptungen stimmen. Seine Erklärung von Freitagabend, man "prüfe"
alle zugänglichen Informationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes,
ist blamabel. Ist das die neue Vorgehensweise beim Verfassungsschutz:
erst behaupten und danach prüfen? Maaßen ist kein Einzelkämpfer, der
für sein Bauchgefühl bezahlt wird. Er verfügt über einen Etat von 350
Millionen Euro und über 3100 Mitarbeiter. Darunter etliche Experten,
die ein gefälschtes Video entlarven könnten. Aus diesem Haus darf man
mehr erwarten als seltsame Relativierungen zu den Chaos-Tagen von
Chemnitz. Wenn der Verfassungsschutzpräsident am Ende nicht beweisen
kann, dass im Fall Chemnitz die Öffentlichkeit mit einem oder gar
mehreren gefälschten Videos getäuscht wurde, dann hat er in
unverantwortlicher Weise Wasser auf die Mühlen der Rechten gelenkt.
Dann hat er Hunderte Journalisten unter den Generalverdacht der
"Lügenpresse" gestellt und die Bundesregierung diskreditiert. Dann
muss er gehen. Besonders ärgerlich an der Spekulation des
Verfassungsschützers ist, dass der Eindruck entstehen könnte, in
Chemnitz sei nichts Bemerkenswertes geschehen. Dazu passt, dass nur
14 Tage später statt über Ursachen und Herausforderungen der
Geschehnisse über Begriffe diskutiert wird. Gab es eine Hetzjagd? Gab
es eine Jagd? Oder wurden "nur" Ausländer verprügelt? Es ist völlig
richtig, wenn man Präzision bei der Beschreibung solcher Vorfälle
anmahnt. Aber das darf nicht die Augen vor unbestrittenem Unrecht
verschließen. Es gab nach einer brutalen Straftat Gewalt gegen
Unschuldige. Es gab Zusammenrottungen von Rechtsextremen, jede Menge
übelste Sprüche und Hitlergrüße in aller Öffentlichkeit. Das führte
zu über 100 Ermittlungsverfahren. Es ist daher richtig, dass die
Kanzlerin die Vorfälle deutlich kritisiert hat. Die sprachliche
Präzision lässt übrigens ausgerechnet Maaßen in besonderem Maße
vermissen. Er ist der einzige Bundesbeamte, der bereits öffentlich
von einem "Mord" in Chemnitz spricht. Das sollte Maaßen nicht machen,
denn nicht einmal der zuständige Staatsanwalt will sich so festlegen
und ermittelt wegen des Verdachts auf gemeinschaftlichen Totschlag.
Das macht die Tat nicht weniger schlimm aber entspricht zumindest dem
Rechtsgrundsatz und zeigt Respekt vor den weiteren Ermittlungen.
Hans-Georg Maaßen tut so etwas nicht aus Versehen. Der Mann ist
Jurist und weiß um seine Worte und ihre Bedeutung. Das macht sein
Vorgehen noch dubioser und fügt sich in eine Reihe von seltsamem
Verhalten, wie etwa die eingehende Beratung von führenden Köpfen der
AfD.
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Datum: 07.09.2018 - 22:24 Uhr
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