Neue Westfälische (Bielefeld): Deutschland diskutiert über die Widerspruchslösung
Endlich mehr Leben retten
Carolin Nieder-Entgelmeier
(ots) - Die Entwicklung ist dramatisch: Obwohl die
Organspendebereitschaft in Deutschland seit Jahren wächst und die
Transplantationsmedizin stetig weiterentwickelt wird, hat die Zahl
der Organspenden einen historischen Tiefstand erreicht. Die Folge:
Jedes Jahr sterben in Deutschland 1.000 Menschen, während sie auf ein
neues Organ warten. Mittlerweile umfasst die Warteliste 10.400
Menschen. Die Politik in Deutschland hat dieser Entwicklung lange
tatenlos zugesehen. Einzelne Abgeordnete sprechen sich zwar schon
lange für einen Systemwechsel aus, so wie der Großteil der
Bevölkerung, doch bislang waren die Stimmen der Kritiker lauter. Sie
verbreiten, wie auch in der aktuellen Debatte um die
Widerspruchslösung, Unwahrheiten und behindern so die dringend
erforderlichen und für 10.400 Menschen lebenswichtigen Reformen. In
ihrer Kritik verzichten sie auf Fakten, während sie sich mit
martialischen Bildern übertrumpfen, Halbwissen verbreiten und Ängste
schüren. Drei Beispiele aus der aktuellen Diskussion zeigen, mit
welchen Mitteln mitunter sehr prominente Kritiker arbeiten: Der
Vorstand der deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, wirft
Gesundheitsminister Jens Spahn beispielsweise vor, die Axt an den
Grundrechten der Bürger anzulegen. Der Präsident des Zentralkomitees
der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, glaubt unterdessen, dass
die Organspende zu einer rechtlichen und moralischen Pflicht erklärt
wird. Und der Vorsitzende des deutschen Ethikrates, Peter Dabrock,
vergleicht die möglichen neuen Regeln zu Organspende mit den neuen
Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung. Drei Äußerungen, die
weder die 10.400 Menschen in den Blick nehmen, die auf ein Organ
warten, noch die Entwicklung in den vielen europäischen Ländern
beachten, die deutlich mehr Organspender verzeichnen als Deutschland.
Der entscheidende Unterschied: In Ländern wie Österreich gilt die
Widerspruchslösung. Wenn Bürger zu Lebzeiten einer Spende nicht
ausdrücklich widersprechen, können nach dem Tod Organe entnommen
werden. Der Grundsatz der Freiwilligkeit bleibt erhalten. Niemand
wird zu einer Spende verpflichtet, sondern lediglich dazu, sich zu
Lebzeiten mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wenn wir nicht wollen,
dass die Zahlen der Organspender weiter zurückgehen, ist die
Widerspruchslösung auch für Deutschland ein Muss. Es wird Zeit, für
10.400 Menschen geht es um Leben und Tod.
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Datum: 03.09.2018 - 19:55 Uhr
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