neues deutschland: Niedrigzinsen für Sozialkassen: Forscher spricht von "völlig aufgebauschtem Problem"
(ots) - Der Sozialforscher Gerhard Bosch hat die Debatte
über Negativzinsen zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung als
"völlig aufgebauschtes Problem" bezeichnet. Viel schlimmer seien die
Negativzinsen für die betriebliche Alterssicherung, sagte er der
Tageszeitung "neues deutschland" (Dienstagausgabe).
Nach einem Bericht des "Handelsblatts" belastet die
Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zunehmend
Sozialversicherungen. Sie müssen heute für angelegtes Geld Zinsen
zahlen, statt wie früher Zinsen zu bekommen. So habe die gesetzliche
Rentenversicherung für 2017 erstmals sogenannte negative
Vermögenserträge von 49 Millionen Euro ausweisen müssen.
Bosch verweist er darauf, dass die Belastung der
Rentenversicherung durch die Negativzinsen sehr begrenzt ist. So habe
die Rentenversicherung im vorigen Jahr 299 Milliarden Euro
ausgegeben. Gemessen daran machen die Negativzinsen von 49 Millionen
Euro einen Anteil von gerade einmal 0,016 Prozent aus.
Wegen des Umlagesystems könne die gesetzliche Rentenversicherung
einen Großteil der Ausgaben aus den laufenden Einnahmen decken,
erläutert der Sozialforscher an der Universität Duisburg-Essen. Die
Rücklagen, die angelegt werden müssen, seien also begrenzt. Deswegen
spielen die Negativzinsen für die gesetzliche Versicherung eine
vergleichsweise geringe Rolle. Viel schwieriger sei die Situation für
die betriebliche Altersvorsorge. Denn dort müssen die kompletten
Altersvorsorge-Beträge über viele Jahre angelegt werden. Hier müssten
die Unternehmen hohe Rückstellungen bilden.
Die Negativzinsen seien eine Art unbeabsichtigte Vermögenssteuer.
"Es wäre besser gewesen, wenn die Politik tatsächlich eine
Vermögenssteuer eingeführt hätte", betont Bosch. Denn dann hätten sie
zum Beispiel Freibeträge für geringe Ersparnisse beschließen können.
Deutschland trage im Übrigen eine wesentliche Mitverantwortung für
die Negativzinsen: Die Eurokrise sei nur durch die Geldpolitik der
EZB bewältigt worden. Wenn Deutschland mehr investiert und eine
expansivere Fiskalpolitik betrieben und so die Eurokrise bekämpft
hätte, "wäre es nicht zu Negativzinsen gekommen", so Bosch.
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Datum: 31.07.2018 - 06:30 Uhr
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