BERLINER MORGENPOST: Wetter als Berufsrisiko / Leitartikel von Philipp Neumann zu staatliche Hilfen für Bauern
(ots) - Kurzform: Jeder Unternehmer hat die ureigene
Aufgabe, Vorsorge gegen Risiken zu treffen. Wer wegen einer
schlechten Ernte in die Pleite schlittert, hat ganz offensichtlich
nicht gut gewirtschaftet. Da dürfte es den Bauern nicht anders gehen
als Gastronomen, Einzelhändlern und allen anderen Unternehmern, die
sich verkalkuliert haben und in Schwierigkeiten kommen. Warum also
sollten wir eine Milliarde Euro Steuergeld ausgeben, um den Bauern zu
helfen? Dass staatliche Hilfen für strauchelnde Betriebe selten etwas
bringen, ist hinlänglich erwiesen. Auf Dauer löst Geld keine
strukturellen Probleme, auch nicht in der Landwirtschaft.
Der vollständige Leitartikel: Für den Bauernverband ist die Lage
längst klar: Hitze und Trockenheit in diesem Sommer haben den
Landwirten großen Schaden bereitet. Die Politik müsse den Notstand
ausrufen und ihnen einen Teil des Ernteausfalls ersetzen. Mehr noch:
Die Bauern sollten künftig nicht mehr den gesamten Gewinn versteuern,
um eine Rücklage für schlechte Jahre bilden zu können. Für einen
Agrarfunktionär mögen solche Forderungen selbstverständlich sein. Der
Normalbürger schnappt da nicht nur wegen der Hitze nach Luft und
fragt sich: Geht''s noch? Sicher: Dieser Sommer ist ungewöhnlich heiß
und trocken. Der Winter war feucht und dauerte lang, das Frühjahr
fiel praktisch aus. Die Ernte auf den Feldern wird also nicht
besonders toll ausfallen. Aber erstens gibt es erst in einigen Wochen
gesicherte Zahlen darüber, wo es in Deutschland wirklich wie schlecht
lief. Und zweitens kann man die Frage stellen: Warum muss der
Steuerzahler für das Berufsrisiko eines Landwirts haften? Jeder
Unternehmer hat die ureigene Aufgabe, Vorsorge gegen Risiken zu
treffen. Wer wegen einer schlechten Ernte in die Pleite schlittert,
hat ganz offensichtlich nicht gut gewirtschaftet. Da dürfte es den
Bauern nicht anders gehen als Gastronomen, Einzelhändlern und allen
anderen Unternehmern, die sich verkalkuliert haben und in
Schwierigkeiten kommen. Warum also sollten wir eine Milliarde Euro
Steuergeld ausgeben, um den Bauern zu helfen? Dass staatliche Hilfen
für strauchelnde Betriebe selten etwas bringen, ist hinlänglich
erwiesen. Auf Dauer löst Geld keine strukturellen Probleme, auch
nicht in der Landwirtschaft. Richtig ist, dass Landwirte eine
Sonderstellung haben. Sie sorgen dafür, dass wir genug zu essen
haben. Richtig ist auch, dass die Ernte stark vom Wetter abhängt und
dass sie nur schwer vorherzusehen ist. Aber beide Argumente ziehen
immer weniger. Erstens haben wir in Deutschland und Europa längst
Lebensmittel im Überfluss. Wegen dieses heißen Sommers muss wirklich
niemand Hunger leiden. Die Pommes werden vielleicht etwas kleiner und
teurer, aber das gehört zur Marktwirtschaft - und zur Natur - dazu.
Wir werden das sicher überleben. Landwirtschaftliche Produkte sind
eben keine Fabrikware. Es wäre gut, wenn wir Verbraucher das endlich
lernen würden. Zweitens ist das Wetter auch für andere Branchen ein
Risiko. Die Bauwirtschaft etwa kann im Winter schlecht Straßen und
Häuser bauen. Entlassungen werden seit Langem sehr geräuschlos und
vor allem ziemlich wirksam durch das Saison-Kurzarbeitergeld
verhindert. Finanziert wird diese Unterstützung von der
Arbeitslosenversicherung und von der Bauwirtschaft selbst. Die Bauern
müssen sich fragen lassen, warum sie nicht längst einen ähnlichen
Mechanismus entwickelt haben. Die Idee der
"Risikoausgleichsrücklage", mit der ihre Funktionäre jetzt durch die
Lande ziehen, ist ein alter Hut, viel zu kompliziert und denkbar
ungeeignet, weil sie das Problem nicht dauerhaft löst. Dass an dieser
Stelle Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Das Klima verändert
sich, das Wetter wird extremer. Einfach nur nach Steuergeld zu rufen,
das ist zu billig. Um unsere Ernährung zu sichern, die Natur und das
Klima zu schützen und gleichzeitig Agrarfabriken und Monokulturen zu
verhindern, sind intelligentere Lösungen gefragt. Es ist ja nicht so,
dass Landwirte sich darüber noch keine Gedanken machen würden. Aber
woran liegt es, dass man diese Ideen noch immer nicht hört?
Vielleicht kann dieser heiße Sommer ein Anfang sein, neu darüber
nachzudenken, was sich in der Landwirtschaft ändern muss.
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Datum: 29.07.2018 - 21:47 Uhr
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