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Diesel-Skandal: Zeugen bestreiten VW-Darstellung

ID: 1634637


(ots) - Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn soll
bereits Monate vor dem Bekanntwerden des Dieselskandals detailliert
über den Abgas-Betrug informiert gewesen sein. Zudem habe er bereits
2007 von Problemen bei der Abgasreinigung für den US-Markt erfahren.
Das behaupten Beschuldigte in ihren Aussagen bei der
Staatsanwaltschaft Braunschweig, die NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung
einsehen konnten. Unter anderem belastet der ehemalige Chef der
VW-Motorenentwicklung Winterkorn schwer. Der Manager berichtet von
einem Treffen mehrerer Ingenieure mit dem Ex-VW-Vorstandsvorsitzenden
im Mai 2015. Dabei sei Winterkorn über die Umschaltlogik in der
Abgas-Software der Dieselfahrzeuge und damit über die
Abgas-Manipulation informiert worden.

VW dementiert, dass es einen solchen Termin gegeben habe. Dies
behaupte nur der ehemalige Leiter der Motorenentwicklung. Tatsächlich
findet sich in den Aussagen anderer, die laut dem Abteilungsleiter
bei dem Treffen dabei gewesen sein sollen, kein Hinweis darauf.
Gleichwohl schildert der Manager das Gespräch detailreich.

Winterkorn habe ihn und Kollegen, die ihn begleiteten, mit den
Worten begrüßt: Was habt "ihr Antriebsfritzen" jetzt wieder
angestellt? Winterkorn habe losgepoltert, was die Motorenentwickler
da wieder für einen Mist gebaut hätten, sagte der ehemalige
Abteilungsleiter aus. Im Vergleich zu anderen Gelegenheiten sei das
aber ein relativ ruhiger Gefühlsausbruch gewesen. Inhaltlich sei von
600.000 betroffenen Fahrzeugen in den USA und Kanada die Rede
gewesen.

Winterkorn habe sich alles angehört, sei aber ruhig geblieben.
Wenn er das zum ersten Mal gehört hätte, "wäre er ausgerastet", so
der Manager weiter. Später sei er rausgeschickt worden. Winterkorn
habe sich dann mit anderen "hinter den Kulissen" besprochen.

Die 160 Seiten umfassende Aussage des Managers ist Teil der




Ermittlungsakten, die die Braunschweiger Staatsanwaltschaft den
Anwälten der rund 40 Beschuldigten im Diesel-Betrugsverfahren Mitte
Juli zur Einsicht übermittelt hat. Der Aktenbestand umfasst 81
Hauptaktenordner sowie zahlreiche Sonderbände, eine Datenmenge von
mehr als sechs Gigabyte. Bis Oktober haben die Anwälte nun
Gelegenheit, zu den Ermittlungen Stellung zu nehmen.

Bislang behauptet der VW-Konzern, Winterkorn habe erst im
September 2015 vom Abgas-Betrug erfahren. Die Aussage des
Motorenexperten könnte Volkswagen auch in der Auseinandersetzung mit
Aktionären in Bedrängnis bringen. Zahlreiche Investmentfonds und
Anleger haben VW auf Schadensersatz in Höhe von mehreren Milliarden
Euro verklagt, weil sie von VW zu spät über die Abgasmanipulationen
in den USA und die dort drohenden Folgen informiert worden seien.
Dieser Prozess soll im September vor dem Oberlandesgericht
Braunschweig beginnen.

Nach den Recherchen von NDR, WDR und SZ soll Winterkorn sogar
schon Ende 2007 erste Hinweise darauf erhalten haben, dass die
strengen US-Abgasgrenzwerte nicht mit sauberen Mitteln erreicht
würden. Das geht aus der Aussage eines anderen VW-Managers hervor, er
war zu einem früheren Zeitpunkt Chef der Motorenentwicklung. Wegen
der Schwierigkeiten bei der Entwicklung der US-Dieselmotoren habe es
am 8. November 2007 in Wolfsburg ein "High Level Meeting" mit
Winterkorn und weiteren VW-Vorständen gegeben, darunter der spätere
VW-Chef Matthias Müller, sagte der Manager gegenüber der
Staatsanwaltschaft Braunschweig. Er habe Winterkorn darauf
hingewiesen, dass die Software der Dieselfahrzeuge "zu Diskussionen
mit den Behörden" führen könne.

Ihm sei selbst nicht bewusst gewesen, dass es sich bei der
Software um eine illegale Abschalteinrichtung zur Manipulation der
Abgaswerte handelte, allerdings habe er Winterkorn gewarnt: "Was wir
tun, ist nicht ok." Daraufhin habe Winterkorn "die Schultern gezuckt"
und gesagt, man solle weitermachen.

Der VW-Konzern erklärte dazu, es liege in der Natur der Sache,
dass bei derart komplexen Sachverhalten unterschiedliche Aussagen und
Erinnerungen von Beteiligten vorlägen. Es verbiete sich daher,
einzelne Aussagen zu kommentieren.

Belastet wird Winterkorn zudem durch eine Zeugenaussage des
früheren VW-Chefs und Ex-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch.
Er hat Ende 2016 bei der Staatsanwaltschaft erklärt, für ihn sei es
"undenkbar", dass der Diesel-Abgasbetrug nicht bis in die
Führungsspitze hinein bekannt gewesen sei. "Das ging in die erste
Garnitur", so Piëch.

Die Freigabeprozeduren für neue Motoren seien bei VW immer
"ziemlich eng" gewesen. Daran seien Spitzenmanager, darunter der
damalige Konzernchef Winterkorn, beteiligt gewesen. Die VW-Spitze sei
mündlich - in Gesprächen - über die Abgasmanipulationen informiert
worden, mutmaßt Piëch. Denn es sei "die Kultur bei VW" gewesen,
heikle Punkte "nicht schriftlich" festzuhalten. Sein Eindruck sei,
dass die Verantwortlichen im VW-Konzern versuchten, die ganze
Verantwortung auf die "untere Ebene abzuschieben", sagte Piëch.

Bei den Äußerungen Piëchs handele es sich um Mutmaßungen, zu denen
man keine Stellung nehmen wolle, erklärte ein VW-Sprecher. Der Anwalt
von Martin Winterkorn wollte zu den Vorwürfen wegen der laufenden
Ermittlungen ebenfalls keine Stellung nehmen.



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Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Ralf Pleßmann
Tel.: 040/4156-2333
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Datum: 26.07.2018 - 18:26 Uhr
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