Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Juncker/Trump: Juncker muss klare Kante zeigen von Thomas Spang
(ots) - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
verdiente sich beim "America-First"-Präsidenten nicht ohne Grund den
Ruf, ein "brutaler Killer" zu sein. Während sich andere weismachten,
Trump ließe sich irgendwie einhegen, und meinte es eigentlich nicht
so, wenn er gegen Europa und die Nato stänkerte, nahm der Präsident
der EU-Kommission die Drohungen von Anfang an ernst. Wenn Trump
Europa zum "Feind" erklärt, oder verkündet, "Sanktionen sind
großartig", reflektiert das seine Weltsicht. Inzwischen sollte der
letzte Optimist begriffen haben: Der National-Chauvinist im Weißen
Haus meint, was er sagt, und sagt, was er meint. Die Klage über den
angeblich so unfairen Handel mit Europa dient Trump vor allem als
Vorwand. Warum sonst lässt er bei seinen Klagen über die
Handelsdefizite den Dienstleistungssektor und die satten Gewinne
amerikanischer Unternehmen auf dem Kontinent unter den Tisch fallen?
Trump geht es tatsächlich nicht um Fairness, sondern um Dominanz.
Dafür versucht er, die Europäische Union zu spalten. Statt auf
Augenhöhe Abkommen mit einem mächtigen Wirtschaftsraum mit einer
halben Milliarde Menschen zu verhandeln, strebt er bilaterale
Abkommen mit kleinen Staaten an, denen er seinen Willen aufzwingen
kann. Genau das steckt hinter dem Vorschlag, alle Zölle und Beihilfen
fallenzulassen. Der US-Präsident weiß, dass Deutschland kein Problem
hätte, die Einfuhrsteuern für Autos auf null Prozent abzusenken,
während die Franzosen ihre Subventionen für die Landwirtschaft nicht
aufgeben werden. Die Europäer lassen sich zu Recht nicht darauf ein,
sondern beharren auf multilaterale Handelsabkommen, die nicht mit der
Pistole an der Stirn verhandelt werden. Juncker schlug vor seinem
Besuch in Washington verschiedene Lösungen dafür vor. So könnte es
zum Beispiel ein internationales Abkommen zwischen der EU, den USA,
Japan, Südkorea, Mexiko und Kanada geben, das die Zölle für
Automobile abschafft. Die andere Variante wäre eine auf
Industriegüter abgespeckte Version des auf Eis gelegten
transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Offen zeigt sich die
Europäische Union auch, über eine Reform der Welthandelsorganisation
WTO zu sprechen. Doch Trump ist an solchen Formaten nicht wirklich
interessiert. Er will in bilateralen Verhandlungen die
Wirtschaftsmacht der USA nutzen, schwächeren Staaten die Bedingungen
zu diktieren. Genau das versucht er gerade bei der Nafta, wo er einen
Keil zwischen Mexiko und Kanada treiben will, die bisher auf
gemeinsamen Verhandlungen bestanden haben. Juncker durchschaut die
Taktiken des selbst ernannten Meisters der Verhandlungskunst, die
dieser über Jahrzehnte in der Baubranche praktizierte. Erst einmal
empörende Forderungen stellen. Das gibt ihm einen Hebel, mit dem er
dann Zugeständnisse erpressen kann. Dagegen hilft nicht
Beschwichtigung, sondern nur klare Kante. Genau das hat der "brutale
Killer" aus dem kleinen Luxemburg im Umgang mit dem
"America-First"-Präsidenten unter Beweis gestellt. Alles andere
ermunterte Trump bloß, bei nächster Gelegenheit wieder so zu
verfahren. Wie die angekündigten Agrarsubventionen für die US-Farmer
beweisen, sind Handelskriege nicht so "einfach" zu gewinnen, wie
Trump behauptet. Erst recht nicht, wenn Trump gleichzeitig Konflikte
mit allen großen Handelsräumen der Welt anzettelt. Sollte er die
Autozölle verhängen, wird der Protektionist im Weißen Haus
herausfinden, dass Strafzölle nicht das Größte sind.
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