Allg. Zeitung Mainz: Rote Karten / Kommentar von Reinhard Breidenbach zur CausaÖzil
(ots) - Bis auf den Papst, Putin, Trump und den chinesischen
Präsidenten Xi Jinping haben sich, jedenfalls bis zum
Redaktionsschluss dieses Kommentars, so ziemlich alle relevanten
Großentscheider zum Fall Özil geäußert. Das zeigt vor allem eines:
Die Wahrheit ist schon lange nicht mehr nur auf dem Platz. Fußball
ist eine politische Weltmacht. Bedurfte es noch eines Beweises? Die
WM-Vergaben an Russland und Katar sind brutal klar. Fußball ist auch
eine finanzielle Weltmacht, der Ausdruck "Milliardengeschäft"
erscheint da fast lächerlich. Fünfmal Neymar-Ablöse, und schon sind
wir über der Milliarde. Hier droht allerdings eine Überhitzung. Der
Markt ist hysterisch, und hysterischen Märkten droht der Absturz.
Schlimmster Einpeitscher in Sachen Geld ist die Fifa, der
wahrscheinlich korrupteste Sportverband aller Zeiten. Nicht zuletzt
sozial ist Fußball eine Macht. Er kann integrieren: Auch in
Deutschland gibt es dafür gute Beispiele, Özil war mal eins davon,
früher. Es wird weitere gute Beispiele geben, auch in Zukunft.
Fußball entfacht Emotionen wie sonst wenige Dinge auf der Welt.
Jedoch: Es ist ein schmaler Grat zwischen Fan-Glückseligkeit oder
-Trauer einerseits und auch hier der Hysterie andererseits. Wenn
Menschen den Fußball und ihre eigene Projektion auf ihre Idole
brauchen wie Drogen, weil sie unglücklich sind, oder wie Brot, weil
sie arm sind, dann ist etwas faul. Kompliziert ist die Gemengelage,
was Äußerungen Özils, seiner Bewunderer und Gegner betrifft. Ein
bisschen Einordnung täte dem Spiel jetzt gut. Das Foto mit Erdogan
war ein eiskalter Coup. Zu Risiken und Nebenwirkungen hätte Özil
diejenigen fragen können, die sich seine Berater nennen. Wenn sich
der Champion nun als Opfer von Rassismus darstellt, ist das, gelinde
gesagt, dummes Zeug, eine Ohrfeige für wirkliche Opfer. Und wenn
keine Geringere als Justizministerin Barley (SPD) das so ähnlich
sieht, wie Özil es glauben machen will, dann hat Deutschland ein
Problem in diesem Politikressort. Mit zur Wahrheit gehört in der Tat,
dass der Kuschelkurs vieler berühmter (Ex-)Politiker und
(Ex-)Sportler gegenüber Diktatoren womöglich noch erschütternder ist
als Özils Flaggenparade. Zu denken wäre da an die Traumpaare
Schröder/Putin oder Matthäus/Putin. Aber das macht die Causa Özil
nicht besser. Falsch gemacht hat Özil seit dem Foto alles - mit einer
Ausnahme. Mit seiner Kritik am DFB und vor allem an dessen
Präsidenten Grindel hat er, auch wenn''s ihm kaum hilft, absolut
Recht. Grindel, das ist der unfassbare Aufstieg eines CDU-Politikers
der dritten Reihe, der schon damals keine Leuchte war, an die Spitze
des mächtigsten nationalen Sportverbands der Welt. Rote Karte.
Dunkelrot.
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Datum: 23.07.2018 - 19:15 Uhr
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