Mittelbayerische Zeitung: Alten, weißen Männern zum Trotz / Staatschefs wie Trump oder Putin machen hinter verschlossenen Türen Weltpolitik, deren Folgen vor allem die junge Generation treffen. Von Lisa Pfeffer
(ots) - Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der ich
mich mit Kriegen höchstens im Geschichtsunterricht in der Schule
beschäftigt habe. Der einzige Krieg in meiner Zeit ist der in Syrien
- zumindest der einzige, über den regelmäßig berichtet wird. Und der
ist weit weg. Doch die verfolgten Menschen aus Syrien stehen hier vor
der deutschen Grenze und suchen Schutz. Und plötzlich ist der Krieg
dann doch gar nicht mehr so weit entfernt. Und es müssen auch nicht
immer gewalttätige Konflikte sein, die einem Sorgenfalten bereiten.
Die Welt verändert sich. Menschen meiner Generation, für die Europa
immer für Reisefreiheit ohne Grenzen stand, werden sich daran
gewöhnen müssen, dass eben diese Grenzen zukünftig nicht mehr so
leicht zu überqueren sind. Wer sich das Treffen von US-Präsident
Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin Anfang der Woche
angesehen hat, kann nicht anders, als sich zu gruseln. Putin
missachtet Menschenrechte, führt in Syrien einen Krieg und verstößt
gegen das Völkerrecht. Und Trump, auch alles andere als ein
Menschenfreund, zelebriert die Männerfreundschaft mit ihm. Was sie
bei dem Gipfel in Helsinki verabredet haben: keine Ahnung. Sie machen
Politik im stillen Kämmerlein. Beide sind Extrembeispiele für eine
Entwicklung, die in vielen Ländern, auch in der EU, zu beachten ist:
die Rückkehr eines aggressiven Nationalismus - und der Politik alter,
weißer Männer. Frauen an der Macht gibt es, jung sind aber auch sie
nicht. Eine Generation von Politik-Rentnern entscheidet über meine
Zukunft - und die meiner Generation, von deren Wünschen, Interessen
und Hoffnungen sie viel zu wenig Ahnung hat. Die Bevölkerung
vergreist, immer öfter bestimmen die Alten. Vor zwei Jahren hat man
dieses Phänomen besonders gut in England beobachten können. Hätten
nur die jungen Wähler abstimmen dürfen, gäbe es keinen Brexit. Und
die "jungen Wähler" wurden mit neunzehn bis 49 Jahren definiert. Der
Brexit ist der Sieg der über-50-Jährigen. Die Jüngeren wollten ihn
nicht. Auch Donald Trump wurde vorwiegend von den Jungen abgelehnt
und von Alten gewählt. Und auch die AfD in Deutschland findet ihre
Unterstützer nicht gerade bei den 18- bis 24-Jährigen. Das zeigt: Die
"Generation Y" - also alle, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden
- muss ihre Interessen entschiedener vertreten als je zuvor. Und: Sie
muss sich engagieren. Junge Menschen gehen tendenziell seltener
wählen als ältere. Bei der Bundestagswahl 2017 war die
Wahlbeteiligung der 40- bis 69-Jährigen überdurchschnittlich hoch.
Die Wahlberechtigten unter 30 Jahren gingen dagegen - wie seit vielen
Jahren - nur unterdurchschnittlich häufig wählen. Wenn wir nicht
wollen, dass über unseren Kopf hinweg entschieden wird, muss sich das
ändern. Wir sollten werben, für Toleranz, Gleichstellung, Akzeptanz.
Eine Kampagne aus Irland könnte Vorbild sein: Vor der Abstimmung über
die Ehe für Homosexuelle sollten junge Menschen ihre Großeltern
anrufen und ihnen ihre Sicht der Dinge erklären. Die junge Generation
hat geworben, geackert und argumentiert, um die Alten zu überzeugen.
Und es hat funktioniert: Am Ende waren sogar fast die Hälfte der
Wähler über 65 für die Homo-Ehe - und das im erzkatholischen Irland.
Vor ein paar Tagen machte eine Geschichte Schlagzeilen. Eine
Brandenburger Schule druckte ein Zitat der Band "Die Ärzte" auf die
Zeugnisse ihrer Spitzenabiturienten: "Es ist nicht deine Schuld, dass
die Welt ist, wie sie ist. Es wäre nur deine Schuld, wenn sie so
bleibt." Es mag stimmen, dass derzeit der Trend zu nationalen
Alleingängen die Politik beherrscht, dass nationaler Egoismus
regiert. Aber das muss nicht so bleiben. Demokratie lebt von der
Beteiligung aller. Die nächste Gelegenheit dafür ist die Landtagswahl
am 14. Oktober.
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Datum: 17.07.2018 - 20:00 Uhr
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