Mittelbayerische Zeitung: Trumps Horror-Show / Das Bild, das der US-Präsident neben dem Kreml-Chef abgab, war jämmerlich. Von Karl Doemens
(ots) - Er hat ihn tatsächlich gefragt. Aber Putin hat
"Nein" gesagt. Keine Troll-Angriffe auf soziale Netzwerke, keine
Hacker-Attacke auf die Rechner der US-Demokraten, kurzum: keinerlei
Einmischung in den US-Wahlkampf. "Er hat gesagt, dass Russland es
nicht war", erklärte Donald Trump nach seinem mehr als zweistündigen
Vier-Augen-Gespräch mit dem russischen Präsidenten treuherzig: "Und
ich sehe keinen Grund, warum sie es gewesen sein sollen." Man muss
zwei oder dreimal durchatmen, um die Ungeheuerlichkeit dieser Szene
zu erfassen: Seit zwei Jahren liefern sämtliche US-Geheimdienste
immer neues Material, aus dem hervorgeht, dass Personen in St.
Petersburg und in Moskau 2016 gezielt und massiv versucht haben, die
demokratischen Präsidentschaftswahlen in den USA zu beeinflussen.
Gerade erst hat der vom US-Justizministerium eingesetzte
Sonderermittler Robert Mueller Anklage gegen zwölf russische
Geheimdienstoffiziere erhoben. Seine Papiere listen minutiös auf, wie
die Cyber-Attacke ablief. Unklar ist nur, ob die Aktion von Putin
angeordnet worden war. Aber ein fremdes, autokratisch regiertes Land
hat versucht, Einfluss auf das höchste Gut jeder Demokratie zu nehmen
- die freie, gleiche Stimmabgabe seiner Bürger. Und was macht der
amerikanische Präsident bei seiner Begegnung mit dem fremden
Staatschef? Er windet sich, relativiert, befeuert
Verschwörungstheorien, kritisiert die heimische Opposition und stellt
sich schließlich gegen seine eigenen Behörden auf die Seite des
Autokraten. Keine Kritik, nicht einmal eine Ermahnung, nichts. "Sie
haben gerade eine der vielleicht beschämendsten Vorstellungen eines
US-Präsidenten verfolgt", gab CNN-Starreporter Anderson Cooper seine
professionelle Zurückhaltung auf, und selbst republikanische
Politiker mochten ihm nicht widersprechen. Der von Trump seit Monaten
angepriesene Gipfel von Helsinki hat den denkbar schlechtesten
Verlauf genommen. In der Sache hat er offenbar keine Fortschritte
gebracht. Zwar prahlte Trump anschließend wie üblich: "Es lief sehr
gut!" Doch schon sein Verzicht darauf, die Begegnung zum
bedeutendsten Ereignis des Jahrhunderts zu verklären, war verdächtig.
Tatsächlich hatten die beiden Präsidenten in ihrer Pressekonferenz
kaum mehr als Plattitüden zu verkünden: Man müsse das Vertrauen
zwischen den Supermächten stärken, für den Frieden arbeiten und die
Verbreitung von Atomwaffen begrenzen, erklärten sie. Weder zum
Bürgerkrieg in Syrien, noch zur Zukunft der Ukraine gab es
irgendetwas Konkretes. Das Treffen mit Putin werde seine einfachste
Übung sein, hatte der Poltergeist im Weißen Haus vorher herausposaunt
und auf eine Wiederholung der "Trump-Show" für seine Anhänger
gesetzt. Offensichtlich hat er den kühlen Machtstrategen Putin
sträflich unterschätzt. Während der US-Präsident im Vorfeld mit
seiner Kritik an der Nato, Attacken gegen Deutschland und der
Diffamierung der Europäischen Union als "Feind" den Westen gespalten
und Russland in die Karten gespielt hatte, blieb Putin mit maliziösem
Lächeln eisenhart. Von Anfang an hatte er bei der Begegnung die
Oberhand. Erst ließ er Trump fast eine Stunde warten, dann
widersprach er ihm offen in der Iran-Politik und bei der Gas-Pipeline
Nordstream 2, und warf ihm schließlich einen WM-Ball zu, woraufhin
Trump erklärte, die USA wollten 2026 versuchen, ein ähnlich guter
Gastgeber zu sein wie Russland. Das ganze Bild, das Trump neben dem
stets kontrollierten Kreml-Chef abgab, war jämmerlich. Natürlich
erwähnte er weder die Lage der Menschenrechte in Russland, noch
sprach er sich für die Pressefreiheit aus. Das wäre auch schräg
herübergekommen, nachdem er zuhause die Journalisten als "Feinde des
Volkes" beschimpft und sich inzwischen weigert, Fragen des
US-Nachrichtensenders CNN zu beantworten. Je länger die
Pressekonferenz in Helsinki dauerte, desto mehr schien Trump den
Anlass zu vergessen und von seiner aberwitzigen Selbstfixierung
übermannt zu werden. "Es gab keine Zusammenarbeit" (mit den Russen),
beteuerte er mehrfach: "Wir haben eine brillante Kampagne gemacht.
Deshalb bin ich Präsident." Für das schlechte Verhältnis zu Russland
machte er die US-Demokraten und Sonderermittler Mueller
verantwortlich. Putin hatte die letzte Antwort schon beendet, als
Trump noch einmal nach dem Mikrofon griff: "Das Ganze ist eine
komplette Hexenjagd", stieß er aus. Als Zuschauer fühlte man sich
eher in einer Horror-Show. Der Gedanke, dass bei dem Gespräch mit
Putin außer zwei Dolmetschern keinerlei Ohrenzeugen dabei waren und
die Welt wahrscheinlich nie erfahren wird, was dort vereinbart wurde,
wirkt beunruhigend. Bislang schien es kompromittierendes Material
gegen einen US-Präsidenten, das in Moskauer Panzerschränken
schlummert, nur in der fiktiven Welt der Agenten-Thriller zu geben.
Nach dieser bizarren Vorstellung ist man sich nicht mehr so sicher.
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