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Mittelbayerische Zeitung: Im Amt, aber nicht an der Macht / Es sieht nicht gut aus für Theresa May: Mit den Rücktritten von Brexit-Minister Davis und Außenminister Johnson droht das Aus der Regierung. Von Jochen Wittmann

ID: 1629123


(ots) - Lange hat die neue Kabinettsdisziplin nicht
gehalten. Nachdem die britische Premierministerin Theresa May am
Freitag ihre Minister zu einer Klausurtagung auf dem Landsitz
Chequers einberufen hatte und auf einen gemeinsamen Kurs beim Brexit
einschwören konnte, war die Hoffnung groß gewesen, dass jetzt alle
Mitglieder der Regierung an einem Strang ziehen würden. Der in der
Nacht zum Montag erfolgte Rücktritt von David Davis machte dem
Optimismus einen Strich durch die Rechnung. Ausgerechnet der für den
Austritt Großbritanniens aus der EU zuständige Minister hat kein
Vertrauen in den Brexit-Plan seiner Chefin. Auch sein Stellvertreter,
der Staatssekretär Steve Baker, trat zurück. Als neuer
Brexit-Minister wurde der bisherige Staatssekretär für Kommunen,
Dominic Raab, ernannt. Für die größte Überraschung sorgte dann
allerdings der Außenminister. Boris Johnson, der nach dem
Chequers-Treff den Eindruck verbreitet hatte, dass er mit dem neuen
Deal leben könnte, nahm unerwartet gestern ebenfalls seinen Hut. Die
Entscheidung fiel nur wenige Minuten, bevor die Premierministerin vor
dem Unterhaus erschien. Für sie könnten sich die Demissionen zu einer
der schwersten Krisen auswachsen seit dem enttäuschenden Wahlausgang
vor einem Jahr, als sie die parlamentarische Mehrheit der
Konservativen Partei verlor. Wenn weitere Brexit-Hardliner wie
Handelsminister Liam Fox oder Umweltminister Michael Gove ebenfalls
ihren Hut nehmen würden, käme es zur offenen Revolte innerhalb der
Fraktion der Konservativen. Mays auf Chequers beschlossene Vorschläge
laufen auf einen wesentlich weicheren Brexit hinaus, als ihn sich
Davis oder Johnson wünschen konnte. Statt eines harten Schnitts will
May ein Freihandelsabkommen mit der EU, bei dem das Königreich was
den Warenverkehr anbelangt weiterhin die Regeln des Binnenmarkts




befolgt und innerhalb eines gemeinsamen Zollarrangements verbleibt.
Davis protestierte in seinem Rücktrittsschreiben, dass die Übernahme
"des gemeinsamen Regelwerks die Kontrolle großer Teile unserer
Wirtschaft an die EU übergibt". Damit wollte er sich nicht abfinden.
Ein weiterer, von Davis allerdings nicht genannter Grund, dürfte die
Rolle von Olly Robbins gewesen sein. Der hochrangige Beamte war bis
zum September in Davis'' Brexit-Ministerium für die Verhandlungen mit
der EU zuständig gewesen. Dann holte ihn May als europapolitischen
Berater in die Downing Street, wo er federführend für die
Ausarbeitung der Brexit-Politik war. Davis selbst hat in diesem Jahr
nur vier Stunden in Gesprächen mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier
verbracht. Seine Unfähigkeit, den Kurs beim Brexit entscheidend
gestalten zu können, dürfte ausschlaggebend für den Rücktritt gewesen
sein. Kritisch für May wird nun sein, ob sich Johnson von den
Hinterbänken der Unterhauses als Herausforderer positioniert, zum
Sprachrohr eines harten Brexit macht und sich als Nachfolger für May
anbietet. Der Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach
von einer "Regierung im Chaos". Dass Davis "zu einem derart
kritischen Zeitpunkt zurücktritt", schrieb er auf Twitter, "zeigt,
dass Theresa May keine Autorität mehr hat und unfähig ist, den Brexit
zu liefern". Tatsächlich sieht es nicht gut aus für May, wenn mit
Davis und Johnson der sechste, beziehungsweise siebte
Kabinettsminister seit November von der Fahne gegangen sind. Der
Eindruck verfestigt sich, dass May im Amt, aber nicht an der Macht
ist. Paradoxerweise könnte aber genau das ihr helfen bei den
Verhandlungen mit Brüssel. Eine weitere Destabilisierung von May, die
gerade auf einen weichen Brexit-Kurs eingeschwenkt ist, läge nicht im
Interesse der EU.



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Datum: 09.07.2018 - 20:00 Uhr
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