Neue Technologie erspart Kindern Herz-OP / Forscher des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler entwickeln Nano-Beschichtung für kindgerechte Implantate (FOTO)
(ots) -
Forscher des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler haben eine
Nano-Beschichtung für kindgerechte Stents und künstliche Herzklappen
entwickelt. Sie vermindert das Risiko von Blutgerinnseln und erhöht
damit die Verträglichkeit der Implantate für die jungen Patientinnen
und Patienten. Der Forschungsdurchbruch könnte manche Herz-OP
überflüssig werden lassen.
Sie sind mit dem bloßen Auge nicht auszumachen: Winzigste Maschen
aus Nano-Drähten spielen die Hauptrolle bei der Entwicklung
kindgerechter Stents und Herzklappen durch das Forscherteam um den
Kinderkardiologen Axel Rentzsch an der Klinik für Pädiatrische
Kardiologie des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS) in
Homburg. Unter dem Elektronenmikroskop sehen sie aus wie ineinander
verschlungene Mini-Spaghetti. Ummantelt ein solches Netz aus
Nano-Drähten Gefäßstützen, so genannte Stents, und künstliche
Herzklappen, schützt es den menschlichen Körper vor dem Kontakt mit
Fremdmaterial, das besonders bei Kindern die Bildung von
Blutgerinnseln fördert und lebensbedrohliche Verschlüsse der Gefäße
hervorrufen kann.
Weniger Eingriffe
"Implantate wie Stents und künstliche Herzklappen haben bei der
Behandlung von Kindern mit angeborenen Herzfehlern einen großen
Stellenwert. Sie tragen dazu bei, dass die meisten von ihnen das
Erwachsenenalter erreichen", erläutert Axel Rentzsch, Forscher im
Kompetenznetz Angeborene Herzfehler. So helfen etwa per
Katheter-Intervention eingebrachte Stents, den Zeitpunkt für einen
herzchirurgischen Eingriff hinauszuzögern bis der Körper eine OP
leichter verkraftet. Ursprünglich für erwachsene Herzpatienten
entwickelt, bergen die Implantate für Kleinkinder und Kinder jedoch
noch erhebliche Risiken. "Stents bestehen in der Regel aus rostfreiem
Stahl, Titan oder etwa einer Nickel-Titan-Legierung. Das Blut von
Kindern reagiert sehr stark auf solche Oberflächen. Die Bildung von
Gerinnseln und erneuten Gefäßverengungen sind dann die Folge. Unsere
Nano-Beschichtung könnte das Problem lösen", hofft der
Wissenschaftler.
Für Kinder mit angeborenen Herzfehlern, die mit Gefäßverengungen
einhergehen oder eine künstliche Herzklappe erforderlich machen, wäre
das nach Auffassung von Hashim Abdul-Khaliq, Direktor der Klinik für
Pädiatrische Kardiologie am UKS und Sprecher des Kompetenznetzes
Angeborene Herzfehler, ein Segen. "Die Nano-Beschichtung vermindert
das Risiko von Blutgerinn-seln in den Herzkranz-gefäßen oder an den
Herzklappen. Vielen Kindern würde das künftig die eine oder andere
Herz-OP ersparen", so der Kinderherzspezialist.
Nano-Netz wurde patentiert
Es spricht vieles dafür, dass das schon bald gelingt. Fast zehn
Jahre haben Materialforscher, Chemiker, Biologen und Mediziner am UKS
an der Beschichtung gearbeitet und dazu die Bioverträglichkeit
verschiedener Oberflächen in verschiedenen Zellkulturen und anhand
von Blutproben getestet. Mit Erfolg: "Wir konnten feststellen, dass
sich fast gar keine Blutplättchen anlagern. Die Gefahr, dass
Blutgerinnsel entstehen, die etwa einen Stent verstopfen, ist damit
sehr gering", erklärt Hashim Abdul-Khaliq und nennt noch einen
weiteren Vorteil: "Endothelzellen, die im menschlichen Körper Blut-
und Lymphgefäße auskleiden, fühlen sich auf der neuen Beschichtung
ausgesprochen wohl. Sie wachsen gut und schnell darauf und und
kleiden den Stent aus, so dass eine glatte Oberfläche entsteht, die
das Blut leicht fließen lässt. Die glatten Muskelzellen dagegen, die
Hohlorgane und Gefäße von außen umschließen, gedeihen kaum auf den
Nano-Drähten. Das verhindert eine erneute Gefäßverengung."
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse wurde das Nano-Netz der
Saarländer Forscher inzwischen patentiert. Im nächsten Schritt prüfen
die Wissenschaftler nun am Tiermodell, wie sich der innovative
Lebensretter in echten Gefäßen bewährt. Finanziell unterstützt werden
sie dabei durch die mit 59.900 Euro dotierte Gerd Killian
Projektförderung der Deutschen Herzstiftung.
Für Ihre Recherche:
Hintergrund
Über das Kompeteznetz Angeborene Herzfehler Ein angeborener
Herzfehler ist bis heute die häufigste angeborene Fehlbildung und
nach wie vor eine der weltweit häufigsten Ursachen für den
plötzlichen Tod im Kindesalter. Dank des medizinischen Fortschritts
lässt sich die Grunderkrankung seit den siebziger Jahren in den
meisten Fällen gut behandeln. Über neunzig Prozent der Kinder
überleben. Die chronische Erkrankung erfordert jedoch eine
kontinuierliche medizinische Betreuung. Das macht die Forschung auf
diesem noch jungen Fachgebiet so dringlich.
Seit fünfzehn Jahren forscht das Kompetenznetz Angeborene
Herzfehler e.V. im Bereich angeborene Herzfehler sowie auf dem Gebiet
der im Kindesalter erworbenen Herzerkrankungen. Dem Forschungsverbund
gehören sämtliche Kinderherzzentren in Deutschland an. An genügend
Daten und Proben für die Erforschung einzelner seltener angeborener
Herzfehler heranzukommen, ist für einzelne wissenschaftliche
Institutionen aufgrund jeweils niedriger Patientenzahlen kaum
möglich. Mit dem Aufbau des Nationalen Register für angeborene
Herzfehler hat das Kompetenznetz deshalb zunächst die entscheidenden
Forschungsvoraussetzungen geschaffen. Weit über 50.000 Patientinnen
und Patienten beteiligen sich mit ihren Daten und Proben daran. Mit
dem Register wird weltweit geforscht.
Auf Grundlage der Daten- und Probenspenden von Patienten mit
angeborenen Herzfehlern konnten am Kompetenznetz in den vergangenen
Jahren zahlreiche Forschungserfolge erzielt werden, die für eine
verbesserte Diagnostik, Therapie und Versorgung von Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern sorgen. Auch
wissen die Mediziner heute mehr über die Ursachen und die Prognosen
verschiedener angeborener Herzfehler. Erkenntnisse aus der
epidemiologischen Forschung, der klinischen Forschung und aus der
Grundlagenforschung am Kompetenznetz fließen zügig in die Versorgung
der Kinder ein.
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Datum: 08.05.2018 - 11:10 Uhr
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