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"Schiffe versenken" - Radio Bremen-Reportageüber Niedergang und Zukunft der deutschen Schifffahrt am Montag (19.3.) um 22:45 Uhr im Ersten

ID: 1591524


(ots) - Die Nachricht vom 1. Juni 2017 schlug ein wie eine
Bombe. Die Hamburger Traditions-Reederei Rickmers ist insolvent.
Generell steht den 360 deutschen Reedern das Wasser bis zum Hals.
Angebot und Nachfrage bestimmen auch in der Schifffahrt das Geschäft
und sind seit der Wirtschaftskrise 2008 völlig aus dem Gleichgewicht
geraten. "Eine solche Krise über neun Jahre kann niemand durchstehen,
wenn die Einnahmen nicht da sind, um den Schiffsbetrieb aufrecht zu
erhalten", konstatiert der Reeder Heinrich Schoeller. Seine Schoeller
Holding managte zu Boom-Zeiten 380 Schiffe anderer Eigner und
betreibt eine Flotte mit 43 eigenen Containerschiffen, Tankern und
Schwergutfrachtern. Das Unternehmen mit insgesamt 14.000 Mitarbeitern
ist heute einer der großen Schuldner der HSH Nordbank.

Ursache der Krise ist das Überangebot an Frachtraum. Denn als der
Handel boomte, ließ sich mit Schiffen viel Geld verdienen. So blähten
Banken, Reeder und Anleger über Fonds die deutsche Flotte zu einer
der weltgrößten auf, protegiert und gefördert von der Politik.
Schiffsfonds schienen das perfekte Geschäft zu sein: Reeder
verdienten trotz minimalen Eigenkapitals ein Vermögen mit Schiffen.
Die Anleger wiederum lockte der Steuerspareffekt und die Aussicht auf
durchschnittlich fast zehn Prozent Rendite im Jahr. Allein der Reeder
Heinrich Schoeller häufte in der Zeit von 2005 bis 2008 Kredite in
Höhe von 1,5 Milliarden Euro an. Doch dann kam die Finanzkrise 2008
und die Blase in der Schifffahrt platzte.

Der Markt brach ein, die Frachtraten fielen auf ein Rekordtief,
hunderte Schiffe dümpelten ohne Aufträge in den Häfen. Gleichzeitig
drängten die zu Boomzeiten georderten Schiffe auf den Markt. Und
führten so zur Übersättigung des Marktes. In der Folge sind die
Frachtraten so stark gesunken, dass die Einnahmen nicht einmal die




Betriebskosten decken. Viele Reeder sind pleite oder kämpfen ums
Überleben und die Banken sitzen auf milliardenschweren faulen
Schiffskrediten. Dem Reeder Schoeller hat die HSH jetzt 680 Millionen
Euro Schulden erlassen, um so eine Insolvenz zu vermeiden. "Die Krise
hat uns alle überrascht. Darlehen in Schiffe waren lange besser
bewertet als Darlehen für Immobilien", so Schoeller. Am Ende steht
für den Schuldenschnitt auch der Steuerzahler gerade, da die HSH
Nordbank noch ein öffentliches Unternehmen der Länder Hamburg und
Schleswig Holstein ist.

"Alle Beteiligten waren betrunken von dem schnellen Geld. Man
bestellte Schiffe nicht mit Blick auf den Markt, sondern mit Blick
auf den Anlegermarkt. Das war verheerend, weil man Anlegern Schiffe
verkaufte ohne auf den Markt zu schauen, ob diese Schiffe überhaupt
gebraucht wurden", fasst Rechtsanwalt Karl-Georg von Ferber zusammen.
Mehr als 30 Milliarden Euro investierten Anleger in Containerschiffe,
Stückgutfrachter und Tanker. Im Jahr 2008 steckte der 76-jährige
Jürgen Schulz 65.000 Dollar in einen Schiffsfond - auf Empfehlung
seines Bankberaters, dem er blind vertraute. "Ich bin davon
ausgegangen, dass das eine solide gerechnete Anlage ist. Mit den
Ausschüttungen wollte ich meine Rente aufstocken. Das war sauer
verdientes Geld, das da verbrannt wurde." Inzwischen sind die Schiffe
zum Schrottpreis verkauft und Jürgen Schulz hat sein gesamtes Kapital
verloren. Mehr als 400 Schiffe, die in Fonds aufgelegt waren, sind
insolvent, hunderte notverkauft. Rechtsanwalt von Ferber rechnet mit
mehr als 20 Milliarden Euro, die Anleger in Schiffen versenkten.

Die HSH Nordbank, einst weltgrößter Schiffsfinanzierer, muss auf
Druck der Europäischen Kommission bis Ende Februar 2018 abgewickelt
oder verkauft werden. Egal, wie es ausgeht, ihre Eigner,
Schleswig-Holstein und Hamburg bzw. ihre Steuerzahler, werden dabei
Milliarden verlieren. Schon jetzt sind nach einer aktuellen
Berechnung des Ökonomen Martin Hellwig mehr als neun Milliarden Euro
Staatsgeld in die Bank geflossen, mindestens 17 Milliarden werden es
insgesamt werden und Hellwig geht von weit mehr aus.

"Es ist ein Teufelskreis: Zu viele Akteure bestellen zu viele neue
Schiffe und verhindern so, dass sich der Markt erholt", konstatiert
der Schifffahrtsexperte Max Johns. Obwohl in den letzten Jahren viele
Schiffe verschrottet wurden, herrscht immer noch ein Überangebot an
Frachtraum in der Schifffahrt. Gleichzeitig laufen immer neue
Megacarrier in den asiatischen Werften vom Stapel, denn nie war es
günstiger, Schiffe zu kaufen. Und je größer das Schiff, desto
günstiger der Transport eines Containers. Vor allem für die typischen
deutschen Reedereien, also kleine Familienbetriebe, sind die Folgen
dramatisch: Sie sind nicht mehr zukunftsfähig, da ihre Schiffe zu
klein und daher nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

Schifffahrt made in Germany: ein Auslaufmodell? Kann sich die
maritime Wirtschaft neu aufstellen? "Kaum eine andere Branche hat so
gute Zukunftsaussichten, denn jedes Jahr gibt es mehr Ladung zu
transportieren. Es spricht alles dafür, dass deutsche Reeder dabei
eine wichtige Rolle spielen, wenngleich der Markt schwieriger ist als
früher", prognostiziert der Schifffahrtsexperte und Geschäftsführer
des Verbands Deutscher Reeder Max Johns. Reeder Heinrich Schoeller
glaubt nach dem Schuldenerlass an eine Trendwende: "Wir haben alle
das Sparen gelernt, sind effizienter geworden. Wir werden weniger
Reedereien haben, aber auch größere."

Die "Story im Ersten" von Radio Bremen über den Niedergang und
Zukunft der deutschen Schifffahrt beleuchtet die Krise der Reeder und
fragt, wie es dazu kommen konnte, wer dafür verantwortlich ist, wer
die Zeche zahlt - und wie es weitergeht.

Eine Bremedia Produktion im Auftrag von Radio Bremen für Das Erste
2018.

Die Reportage "Schiffe versenken" (Radio Bremen) steht
akkreditierten Pressevertreterinnen und -vertretern ab sofort im
Vorführraum des Pressedienstes Das Erste
(https://presse.daserste.de/pages/vorfuehrraum/liste.aspx) zur
Ansicht bereit.

Fotos sind unter www.ard-foto.de abrufbar.



Pressekontakt:
Radio Bremen
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Diepenau 10
28195 Bremen
0421-246.41050
presse.pr(at)radiobremen.de
www.radiobremen.de

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Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 16.03.2018 - 15:18 Uhr
Sprache: Deutsch
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