Elektrogerät oder Bauteil?
Wie die Praxiserfahrung der IT-Recht Kanzlei zeigt, sind sich noch immer viele Elektrogerätehersteller (sowie Importeure von Elektrogeräten) unsicher, ob ihre in Deutschland in Verkehr gebrachten Produkte tatsächlich im Sinne des Elektrogesetzes (im Folgenden "ElektroG") registrierungspflichtig sind. Besonders problematisch: die Abgrenzung zwischen (registrierungspflichtigen) Elektrogeräten und (nicht registrierungspflichtigen) Bauteilen.
(IINews) - Bauteile und selbstständige Elektrogeräte werden unterschieden um praktische Probleme zu vermeiden, die entstehen würden, wenn einzelne Bestandteile nicht erfasster Geräte aus diesen entfernt werden müssten und erst dann entsorgt werden könnten (vgl. Giesberts/Hilf, ElektroG, 2. Aufl. 2009, § 2 Rn.19).
Leider ist dem ElektroG nicht klar zu entnehmen, wann die Schwelle vom bloßen (nicht registrierungspflichtigen) Bauteil zu einem eigenständigen (und damit registrierungspflichtigen) Elektrogerät überschritten wird. Darauf kommt es aber entscheidend an, da die Herstellerpflichten nur an das Inverkehrbringen von "Geräten" i.S.d. ElektroG anknüpfen.
Elektrogerät oder bloßes Bauteil?
Wie ist mit Komponenten, die dazu bestimmt sind, in Geräte eingebaut zu werden, umzugehen? Sind sie bloße Bauteile oder tatsächlich eigenständige (und damit registrierungspflichtige) Elektrogeräte?
Nach einhelliger Ansicht richtet sich die Abgrenzung zwischen Elektrogerät und Bauteil danach, ob dem Produkt eine eigenständige Funktion ("direct function") zukommt (so auch der BayVGH, Urteil vom 30.06.2009, Az. 20 BV 08.2417). Das Merkmal der eigenständigen Funktion ist also das entscheidende Kennzeichen eines registrierungspflichtigen Elektrogerätes (vgl. auch die Hinweise der EU-Kommission, FAQ"s on RoHS and WEEE, Mai 2005 unter Bezugnahme auf Nr. 6.2 der EMV-Richtlinie).
Wann kommt einem Gerät eine eigenständige Funktion zu?
Vertreten wird die Ansicht, dass eine Komponente jedenfalls dann eine eigenständige Funktion erfülle, wenn "diese durch einfache Handhabung auch einem Laien ohne weiteres zur Verfügung stehe und daher die einzelne Komponente vom Hersteller auch im Einzelhandel angeboten werde" (so Giesberts/Hilf, Elektro- und Elektronikgerätegesetz, Kommentar, 2. Auflage, § 2 Rn. 16). Dem Endverbraucher als Laie müsse es mit einfachen Herstellungen oder herzustellenden Verbindungen möglich sein, die Komponente in ein anderes Gerät einzubauen (so Lustermann/Holz, NJW, 2006, S. 1030) und auch wieder zu lösen.
Dem Vertrieb der Komponente über den Einzelhandel komme dabei in der Regel eine Indizwirkung für die Möglichkeit des Einbaus durch den Laien zu.
Wer ist Laie - etwa ein technisch unversierter Jedermann?
Wie ist der Begriff des Laien einzuordnen? Die FAQ der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission (" Frequently Asked Questions [FAQ] on Directive 2002/95/EC on the restriction of the use of certain hazardous substances in electrical and electronical equipment [RoHS] and Directive 2002/96/EC on Waste Electrical and Electronic Equipment Directive [WEEE]"), stellen in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Verbindung bzw. Trennung der Geräte durch "jedermann" ab.
Nur, das Abstellen auf einen (technisch nicht vorgebildeten) "jedermann" lasse sich, so das VG Ansbach (Urteil vom 02.07.2008, Az. AN 11 K 06.02339 ) nicht aus dem Sinn und Zweck der WEEE-Richtlinie (wie auch dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG) ableiten.
Zudem hat ein solches Vorgehen eine zu starke Einengung des Anwendungsbereichs des ElektroG zur Konsequenz (vgl. Giesberts/Hilf, § 2 Rn. 16). Insbesondere wird übersehen, dass die WEEE-Richtlinie nicht nur für "privat" sondern eben auch für gewerblich genutzte Elektro- und Elektronikgeräte" gilt (vgl. zehnten Erwägungsgrund zur Richtlinie 2002/96/ EG). Gewerblich genutzte Elektrogeräten sind aber eben nicht in jedem Falle durch "jedermann" bedienbar.
Vorgeschlagen wird daher, dass man allein "auf die technischen Fähigkeiten des Endnutzers abstellen soll, der üblicherweise mit dem betreffenden Produkt in Kontakt kommt". Entscheidend sei dann, ob von dieser Person erwartetet werden könne, dass sie (ggf. auch mit Hilfe einer Bedienungsanleitung) mit der Komponente umgehen könne (so Lustermann/Holz, NJW, 2006, S. 1030).
Anderer Ansicht ist das VG Ansbach. Mit Urteil vom 02.07.2008 (Az. AN 11 K 06.02339) stellte es fest, dass es ausreiche, dass die Komponente auch durch Fachpersonal ohne unverhältnismäßigen Aufwand ausgetauscht werden könne.
Dem schloss sich auch der BayVGH (als Berufungsinstanz) mit Urteil vom 30.06.2009 (Az. 20 BV 08.2417) an. Zwar sei Kennzeichen eines eigenständigen Gerätes nach wie vor, dass es eine eigenständige Funktion erfülle und von einem anderen Gerät ohne unverhältnismäßigen Aufwand abgetrennt oder im Falle eines Defekts ausgetauscht werden könne. Nicht zulässig sei es jedoch, in dem Zusammenhang auf einen Laien abzustellen.
Konkret führte der BayVGH aus:
"Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dient der Umstand, dass eine solche Trennung gelegentlich nur Fachleuten erlaubt ist, anderen Zwecken und ist kein Merkmal des Elektrogesetzes, das nur auf die technische Möglichkeit abstellt".
Fazit
Es kommt also nicht darauf an, ob die Installation einer Komponente (oder deren Trennung von einem anderen Gerät) nur durch Fachleute erfolgen kann. Ein solches Erfordernis ist, selbst wenn es sich anderweitig gesetzlich ergeben sollte, kein Merkmal des ElektroG, das allein auf die technische Möglichkeit des Betriebs abstellt.
Komponenten, die zum Einbau in ein Gerät bestimmt sind, unterfallen also dann dem Anwendungsbereich des ElektroG, wenn
?die jeweilige Komponente eine eigenständige Funktion erfüllt und
?Personen, unabhängig von ihrer technischen Befähigung, in der Lage sind, die Komponente ohne unverhältnismäßigen Aufwand von einem anderen Gerät wieder zu lösen bzw. zu trennen.
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Datum: 01.02.2010 - 09:20 Uhr
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