Neuerscheinung in deutscher Erstübersetzung - Vorstellung Leipziger Buchmesse - 15. März "Meine Kindheit im besetzten Polen" von Michal Glowinski (FOTO)
(ots) -
"Erinnerungsblitze" schreibt ein Überlebender auf: aus dem Ghetto
von Warschau, aus der angemieteten Ecke der Küche eines Bauernhauses,
in dem er sich später versteckte, oder aus dem abgelegenen Kloster,
wo er unter falscher Identität und der Obhut christlicher Schwestern
lebte. Niedergeschrieben worden ist "Schwarze Jahreszeiten. Meine
Kindheit im besetzten Polen" erst Jahrzehnte später, als Michal
Glowinski längst ein bedeutender Literaturwissenschaftler war.
Entstanden ist eine anrührende, eindrückliche Sammlung von kurzen
Texten, die sich sowohl mit der Erinnerung selbst als auch mit ihren
Mechanismen und ihrer Unzuverlässigkeit auseinandersetzt. Noch einmal
zwanzig Jahre später liegt nun erstmals eine deutsche Übersetzung
vor: das Buch erscheint am 8. März 2018 im Theiss Verlag und wird auf
der Leipziger Buchmesse vorgestellt.
Buchvorstellungen zur Leipziger Buchmesse
Michal Glowinksi stellt sein Buch im Gespräch mit den Herausgebern
Anna Artwinska und Peter-Oliver Loew zweimal in Leipzig vor:
Wann: Donnerstag, 15. März, 16:00 Uhr
Wo: Ariowitsch-Haus, Zentrum Jüdischer Kultur, Hinrichsenstr. 14,
04105 Leipzig Nord
Wann: Freitag, 16. März, 18:30 Uhr
Wo: Polnisches Institut, Markt 10, 04109 Leipzig Zentrum
"Schwarze Jahreszeiten" von Michal Glowinksi
Als er das Wort "Ghetto" als kleiner Junge zum ersten Mal hört,
weiß Michal Glowinski noch nicht, was es bedeutet. Er stellt sich
einen riesigen, vielstöckigen Wagen vor, gezogen von Dutzenden
Pferden, voller Treppen, über die man sich besuchen, und Fenster, aus
denen man die vorbeiziehende Welt betrachten kann. Dort einziehen zu
dürfen, muss aufregend und unterhaltsam sein. Dass die Wahrheit ganz
anders aussieht, erfährt er bald. Er muss lernen, möglichst nicht
aufzufallen und sich immer neue falsche Identitäten zu merken, bis
das Leben vor dem Krieg ihm nur noch ''mythisch'' scheint. Die
Streiflichter, die Glowinskis Erinnerung auf seine Kindheit wirft,
holen die Vergangenheit ganz nah heran - in einem Zeitalter der
postmemorialen Beschäftigung mit der Shoa, in dem vermehrt die
Stimmen der zweiten oder gar dritten Generation gehört werden, ein
aufrüttelnd direkter Bericht.
Aus der kognitiv beschränkten Perspektive des Kindes erzählt der
Autor etwa, wie er mit einem Spitzel Schach spielte, während die
Erwachsenen versuchten, das Lösegeld aufzutreiben, das den Mann davon
abhalten sollte, sie an die Gestapo zu verraten. Immer wieder
verflechten sich auch die Perspektiven - von seinen Klassenkameraden
in der kleinen Schule im Ghetto sind Glowinski nur halbe Sätze
geblieben: Eine sammelte wie er Briefmarken, eine andere freute sich
einmal schrecklich darüber, dass es zu Mittag Nudelsuppe gegeben
hatte. Seine Lehrerinnen wurden in Treblinka ermordet. Das Schicksal
der Klassenkameraden kennt der Autor nicht, aber er weiß als
Erwachsener: Er ist vermutlich der Einzige, der sich an diese
Menschen erinnert.
Glowinskis Aufzeichnungen zählen heute zu den wichtigsten
Zeugnissen über die Vernichtung der Juden in Polen. Aber "Schwarze
Jahreszeiten" ist nicht nur ein Buch der Erinnerung, sondern auch ein
Buch über die Erinnerung. Die Erzählung bricht nicht mit der Rettung
ab, sondern folgt Glowinskis Jugend und Erwachsenwerden nach der
Befreiung, hinterfragt sein Gedächtnis, katalogisiert Lücken,
reflektiert, und setzt sich auch mit seiner schwierigen Beziehung zu
Deutschland und den Deutschen auseinander. Als "Arbeit am Gedächtnis"
untersucht das Buch den Prozess der Erinnerung und des Vergessens an
sich.
Über das Buch
Michal Glowinski
Schwarze Jahreszeiten. Meine Kindheit im besetzten Polen Theiss
Verlag - WBG
Hrsg. von Anna Artwinska und Peter Oliver Loew. Mit einem Gespräch
mit dem Autor.
2018. 288 S. mit 30 s/w Abb., geb. mit SU.
Preis: EUR 24,95 [D] ISBN 978-3-8062-3663-7
Erscheint am 8. März 2018
Über den Autor und die Herausgeber
Michal Glowinski, geb. 1934, ist einer der wichtigsten polnischen
Literaturwissenschaftler und Mitglied der Polnischen Akademie der
Wissenschaften. Er wurde bekannt durch seine Arbeiten über
literarische Kommunikation, Varianten des Strukturalismus, Analysen
der kommunistischen Propagandasprache sowie über den Sozialistischen
Realismus.
Anna Artwinska, geb. 1977, ist Juniorprofessorin für westslawische
Literaturen und Kulturen an der Universität Leipzig.
Peter Oliver Loew, geb. 1967, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Deutschen Polen-Institut und lehrt am Institut für Geschichte der
Technischen Universität Darmstadt.
Pressekontakt:
Christina Herborg
Theiss Verlag / WBG
Tel: +49 6151-3308-161
E-Mail: herborg(at)wbg-verlage.de
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Datum: 06.02.2018 - 10:02 Uhr
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