Mittelbayerische Zeitung: "Erst furchtbar, dann super": Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zum neuen Museum der bayerischen Geschichte in Regensburg
(ots) - Das Satiremagazin "Titanic" teilt ordentlich
aus - und steckt ordentlich ein. Wenn gemeckert wird, nimmt die
Redaktion das als Ritterschlag. Solche Nehmerqualitäten brauchen auch
Architekten. Stefan Traxler, der das Bayern-Museum in Regensburg
plant, reagiert im Video-Beitrag unseres Medienhauses mit Humor auf
die Schelte für seinen Entwurf. Vielleicht hat er sich da was vom
Vater abgeschaut: Hans Traxler, der ab 1945 für einige Jahre in
Regensburg lebte, war ein Gründer von "Titanic". "Monster",
"hässlicher geht''s nicht", "abreißen!" oder gar: die Verantwortlichen
"mit der Mistgabel aus der Stadt jagen": So lauten vor allem die
anonym geposteten Kommentare zum halbfertigen Museumsgebäude in den
sozialen Netzwerken. Kunst hängt man sich ins Wohnzimmer. Architektur
steht im öffentlichen Raum. Deshalb geht das Bauen jeden an. Das gilt
erst recht für ein Museum, das der Bürger bezahlt und das bayerische
Geschichte von unten, aus der Sicht der Bürger, erzählen wird. Die
Auseinandersetzung über das Projekt ist richtig und sogar notwendig.
Denn ohne Reden, Streiten und Erklären wird man über die eigenen
Anschauungen nicht hinauskommen. In vielen Facebook-Posts geht es
aber nicht um den Austausch von Argumenten, sondern um das möglichst
kernige Bekenntnis subjektiver und spontaner Regungen. So entsteht
nur schwer ein Milieu, in dem fruchtbar gestritten wird für eine
gemeinsame Sache, also für die Frage: Wie soll meine Stadt aussehen?
Hässlich ist das Wort, das in der Debatte um das Bayern-Museum häufig
fällt. Aber wären unsere Gebäude schöner, wenn wir sie am momentanen
ästhetischen Anspruch einer Mehrheit oder am kleinsten gemeinsamen
Nenner ausrichten würden? Sicher nicht. Wie haltlos das öffentliche
Urteil ist, kann man an anderen großen Museumsprojekten betrachten.
In Münster gifteten Bürger gegen das LWL Landesmuseum (50 Millionen
Euro, Architekt: Volker Staab). "Betonbunker", hieß es. Als der
Komplex 2014 fertig war, wählten ihn die Einwohner zum beliebtesten
Gebäude der Stadt. In Mannheim gab es Protest gegen die Kunsthalle
(70 Millionen Euro, Architekt: Gerkan, Marg und Partner). Kritiker
spotteten über das filigrane Metallgewebe der Fassade: "Kunst hinter
Gittern". Nach dem Eröffnungsfest im Dezember 2017 zeigten sich die
Besucher laut Medienberichten angetan, happy, begeistert. Das Problem
unserer Städte sind ja auch nicht massenhaft missglückte Museen,
sondern das massenhafte Unglück, das der aktuelle Wohnungsbau
produziert. Dass dort die Qualität fehlt, hat aber wenig mit
möglicherweise unfähigen Architekten zu tun - und viel mit den
unfassbar hohen Bodenpreisen und den erschütternd komplizierten
Auflagen für Sicherheit, Lärmschutz, Energiesparen oder
Barrierefreiheit, die sich teilweise auch noch gegenseitig
torpedieren. Am Ende ist kein Geld und kein Spielraum mehr übrig für
gute Materialien, für stimmige Details, für Lebensqualität. Das
Bayern-Museum trifft auf kundige Kritiker und auf kompetente
Befürworter. Achim Hubel etwa, Mitglied im Welterbe-Denkmalrat,
nannte das Projekt in einem BR-Beitrag gelungen. Die Bürger werden
sich im Juni, beim Fest am Donaumarkt, selbst ein Bild von ihrem
Museum machen können. Sie werden durchs Foyer flanieren, im Schauraum
in den Bayern-Film von Christoph Süß eintauchen und im
Museumswirtshaus eine Halbe trinken. Sie werden über das Haus
streiten und zur eigenen Anschauung neue Sichtweisen hinzugewinnen
können. Nicht anonym. Sondern ganz analog.
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Datum: 21.01.2018 - 18:40 Uhr
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