Alles andere ist Billag
(ots) - Es ist gerade einmal Anfang Dezember. Erst im März
werden wir darüber abstimmen, ob die Radio- und TV-Gebühren beerdigt
und der SRG der Geldhahn zugedreht wird. Dennoch herrscht seit Wochen
mediale Alarmstimmung: Aus einer anfangs belächelten Idee ist ein
Schreckgespenst geworden, das plötzlich die öffentlich-rechtlichen
Medien und damit verbunden auch die demokratische Stabilität der
Schweiz bedroht. Eine Annahme der No-Billag-Initiative könnte gemäss
Medienwoche sogar ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz darstellen.
Wie ernsthaft diese Bedrohung wirklich ist, bleibt vorerst schwer
abzuschätzen. Seriöse Prognosen sind noch rar. Und nur bedingt
zuverlässig. Online-Umfragen auf Medienportalen - auch auf
Werbewoche.ch - zeichnen in der Regel ein Bild, das die vielzitierte
Angst der SRG-Mitarbeitenden nachvollziehbar macht: Scheinbar ziehen
viele Menschen zumindest in Betracht, im März Ja zu stimmen.
Die privaten Medien steigern die wahrgenommene Relevanz des Themas
in der öffentlichen Agenda mit ihrer ständigen Berichterstattung.
Jeder Schritt, jedes Statement, jeder PR-Fehltritt von
SRG-Mitarbeitenden wird prominent vermeldet. Und von einer Armada von
No-Billag-Befürwortern in den Leserkommentaren beklatscht oder
bemotzt. Auch wenns für einmal gar nicht um No-Billag, sondern um den
«Bachelor» auf 3+ geht. Er werde Ja stimmen, weil er in Zukunft
solche Sendungen nicht mehr finanzieren wolle, schreibt Leser James
auf 20minuten.ch. Das kann ja heiter werden.
Wieso erhält das Thema derart viel medialen Raum, obwohl man die
Suppe heute wohl heisser kocht, als man sie im März essen wird?
Erstens, weil es polarisiert, mobilisiert und somit Reichweite
generiert. Welche gesellschaftspolitischen Folgen ein Ja auch immer
hätte: Es geht vor allem auch ums Geld im Portemonnaie eines jeden
Stimmbürgers. Für viele beim Urnengang das entscheidende Argument -
ganz egal, ob es nun um 450, 365 oder 200 Franken geht. Zweitens,
weil viele Journalisten der privaten Medien nicht nur eine gewisse
Solidarität für ihre gebührenfinanzierten Berufskollegen verspüren,
sondern auch die zunehmende Unabdingbarkeit der
öffentlich-rechtlichen Medien anerkennen. Sie bekommen tagtäglich
hautnah mit, wie ihre Redaktionen verkleinert und zusammengelegt
werden. Gleichzeitig wird die Welt um uns immer komplizierter. Sie
verlangt nach Einordnung - unabhängig davon, wie rentabel es
beispielsweise ist, auf der ganzen Welt ein eigenes, dichtes
Korrespondentennetz zu betreiben.
Drittens: Die meisten Akteure der Medien- und
Kommunikationsbranche sind unmittelbar vom Thema betroffen. Manche
mehr, manche weniger. Die einen - 21 private Lokalradios und 13
Regionalfernsehsender - hängen direkt mit am Gebührentopf. Die
anderen - etwa die Filmbranche - werden teilweise indirekt über die
SRG mitfinanziert. Ganz zu schweigen von der gesamten Werbebranche:
KS/CS Kommunikation Schweiz warnte jüngst vor einer Annahme der
«wirtschaftsschädlichen» Initiative, die auch Werbeauftraggeber und
-agenturen stark benachteiligen würde. Der Dachverband der
kommerziellen Kommunikation begrüsst aber richtigerweise auch «eine
Grundsatzdiskussion über die künftigen Möglichkeiten und Grenzen des
öffentlichen Dienstes in der Medienwelt und insbesondere der SRG».
Service-public-Diskussion ja gerne, Kahlschlag nein danke.
Die Intensität der medialen Berichterstattung zur
No-Billag-Initiative dürfte bis März kaum abnehmen. Man braucht
wahrlich nicht jeden Artikel zu lesen. Um zu verstehen, wieso der
«Bachelor» mit ziemlicher Sicherheit auch nach einer allfälligen
Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren seine «Ladys» in
Thailand beglücken wird, müsste man aber zumindest einen davon kurz
überflogen haben.
Editorial von Werbewoche-Online-Leiter Thomas Häusermann in der
heute erschienenen Werbewoche 20/2017, www.werbewoche.ch
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Datum: 01.12.2017 - 08:01 Uhr
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