Recherche von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung /
Glyphosat: Alleingang offenbar von langer Hand vorbereitet
(ots) -
Sperrfrist: 28.11.2017 16:00
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Die umstrittene deutsche Zustimmung zum Unkrautvernichtungsmittel
Glyphosat ist offenbar monatelang vorbereitet worden. Im
Bundeslandwirtschaftsministerium wurde nach Informationen von WDR,
NDR und Süddeutscher Zeitung schon im Sommer vorgeschlagen, für
Glyphosat zu stimmen - auch gegen den Widerstand des
Umweltministeriums.
Im Bundeslandwirtschaftsministerium wurde schon lange darauf
gedrungen, der Entscheidung, der Glyphosat-Verlängerung im Alleingang
zuzustimmen. Das ergibt sich aus internen Unterlagen, die WDR, NDR
und SZ einsehen konnten. Demnach empfahl das zuständige Fachreferat
für Pflanzenschutz seinem Landwirtschaftsminister Christian Schmidt
(CSU) bereits am 7. Juli zu prüfen, ob man ohne das Einverständnis
des Bundesumweltministeriums dem Vorschlag der EU-Kommission
"eigenverantwortlich" zustimmen könne. Eine Zustimmung ohne Einigung
in der Bundesregierung widerspricht den Vereinbarungen des
Koalitionsvertrages von CDU und SPD. Dieser sieht vor, dass sich die
Bundesregierung in solchen Fällen auf europäischer Ebene enthalten
muss.
Wenige Wochen später bat die Fachabteilung die Leitungsebene dann
sogar darum, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Weisung zu
erwirken. Durch den Gebrauch ihrer Richtlinienkompetenz könne das
Ministerium dann ohne Rücksicht auf das Umweltministerium in Brüssel
der Verlängerung der Glyphosat-Zulassung zustimmen, heißt es. Das
Schreiben an die Leitungsebene vom 24. August ist mit einer Fußnote
versehen: Merkel habe sich zuletzt auf dem Deutschen Bauerntag ja
öffentlich für Glyphosat ausgesprochen.
Die Fachabteilung im Landwirtschaftsministerium hat den zuständigen
Staatssekretär schließlich am 2. Oktober noch einmal zu einer
Entscheidung gedrängt: Eine deutsche Enthaltung in Brüssel gemäß
Koalitionsvertrag würde einer faktischen Ablehnung entsprechen und
hätte zur Folge, dass noch weitere Mitgliedsstaaten dem
Kommissionsvorschlag nicht zustimmen würden. Die EU-Kommission müsste
den Wirkstoff also im Alleingang genehmigen. Allerdings, so hieß es,
bliebe ja noch eine weitere Handlungsoption: "Zustimmung ohne
ressortabgestimmte Haltung".
Aus den Akten, die WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung einsehen konnten,
geht außerdem hervor, dass die zuständigen Ministerien
Landwirtschaft, Umwelt und Wirtschaft sich regelmäßig über die
deutsche Position in Brüssel beraten haben. Ob neben dem
Bundesumwelt- und dem Bundeswirtschaftsministerium auch das
Bundeskanzleramt eingebunden war, lässt sich dagegen nicht ersehen,
da die Akteneinsicht vom Bundeslandwirtschaftsministerium an mehreren
Stellen zwischen dem 7.7. und dem 27.11 verwehrt wurde mit den
Hinweisen "Interne Beratung BReg" und "Vertrauliche Beratung BReg -
nicht abgeschlossenes Verfahren". Nach Merkels Darstellung hat
Minister Christian Schmidt mit der Entscheidung in Brüssel für die
Verlängerung des Pflanzenschutzmittels gegen die Weisung der
Bundesregierung verstoßen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium
erklärt auf Anfrage, die Vermerke seien nur zur Kenntnisnahme
erstellt worden und hätten damals noch keinerlei Entscheidung nach
sich gezogen.
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