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Qualität kommt von Quälen - und Sparen erzeugt Qual

ID: 1547297


(ots) - Nach der Präsentation des diesjährigen Jahrbuchs
«Qualität der Medien» wurde wieder über Schweizer Medienerzeugnisse,
ihre Substanz und Diversität diskutiert. Und siehe da: Auch wenn die
Vielfalt abnimmt, weil die Medienkonzentration zunimmt, die Qualität
der meisten Medienerzeugnisse stimmt immer noch; die der Angebote im
digitalen Raum ist sogar gestiegen. Das ist erfreulich. Und gute
Nachrichten wollen wir keinesfalls unterschlagen, auch wenn sie
gemeinhin nicht so viel Traffic erzeugen, wie die schlechten.

Aber: Qualität ist weiter unter Druck. Denn einerseits poppen
immer mehr «alternative Medien» auf, die mit wenig Aufwand und
teilweise ungeprüft Informationen verbreiten und damit den
Input-Einsturm auf die begehrte Leserschaft weiter vergrössern. Auch
wenn diese Plattformen keine grosse Reichweite haben. Andererseits
dominieren in den drei Sprachregionen der Schweiz wenige grosse
Verlage, was eine Reibung von Konkurrenten aneinander, die die
Diskursqualität steigern würde, zunehmend unterbindet.

Wer heute noch Medien machen will, die diesen Namen verdienen -
bei denen also recherchiert, nachgedacht und in verschiedenen
Richtungen nachgefragt wird, bei denen man auch einmal eine Debatte
über längere Zeit verfolgt oder gar steuert -, braucht masochistische
Züge. Journalisten waren schon immer eierlegende Wollmilchsäue. Doch
sie mussten sich noch weiterentwickeln, zu digitalstrategisch
umsatzsteigernden Medienmarken-und-sich-selbst-Verkäufern. Zudem sind
sie durch die kontinuierliche Dauer-Schrumpfung von Redaktionen und
Budgets immer mehr Einzelkämpfer an einer weiten, anonym gewordenen
Leserfront, ohne Kollegensupport und Austauschoptionen; schlecht
bezahlt sind Journalisten ohnehin.

Für einen Chefredaktor Mitte der 1980er-Jahre war es noch normal,
am Produktionstag irgendwann gegen Mittag in die Redaktion




hineinzuschlendrianen und seinen Leitartikel aufs Papier zu krickeln,
damit ihn eine Sekretärin bis zum ersten Glas Rotwein ins Reine
tippen konnte - während er gemächlich die Leistung abschreiten
konnte, die seine Redaktoren und Ressortleiter in der Zwischenzeit
aufs Papier gebracht hatten. Heute weht ein anderer Wind, so denn
überhaupt noch Luft in die Redaktionen kommt: Prozesse sind auf
Effizienz, Produktionen auf hohe Gewinnmargen getrimmt,
Denkleistungen konkurrieren mit Sponsored Content. Zeit ist
Mangelware, Musse zum Denken ein Luxus, den man sich nach Feierabend
auf private Kosten gönnen darf - wenn man meint, unbedingt denken zu
müssen.

Wenn bei so einer Entwicklung immer noch Qualität herauskommt,
dann nur, weil Journalistinnen und Journalisten mit viel Leidenschaft
für ihre Leser und den Glauben an die Sache den Weg für gut
durchgegarte Informationen ebnen. Doch statt das zu honorieren, sehen
Verleger und Leser weiteres Sparpotenzial; wer noch Journalist sein
will, muss auf die Knie: Willst Du gelesen werden, poste Deine Zeilen
kostenfrei und feiere Facebooks «Instant Articles» als Errungenschaft
- wie ein zu Unrecht Verurteilter, der auf der Guillotine seinen
Mörder preist, um vielleicht doch noch zu überleben.

Es treffen zusammen: Leidenschaft für guten Journalismus,
Groschendreh-Manier der Verleger und Kostenlos-Mentalität der Leser.
Dieses Gemisch wird sehr bald explodieren, Qualität hin oder her. Wir
müssen deswegen im Moment weniger über Qualität reden als über Geld:
Wer in die Migros marschiert und sich ohne zu bezahlen ein Pfund
Zucker aus dem Regal nimmt, macht sich strafbar. Und wir bieten
unseren Zucker kostenlos feil, damit ihn noch mehr Menschen schlecken
wollen? Ob im Buchladen oder im Rotlichtviertel, an der Tankstelle
oder im Coop - überall bedeutet weniger zahlen weniger kriegen. Warum
gilt das ausgerechnet für journalistische Produkte nicht?

Editorial von Werbewoche-Chefredaktorin Anne-Friederike Heinrich
aus der heute erschienenen Werbewoche 18/2017, Werbewoche.ch.



Pressekontakt:
Anne-Friederike Heinrich
Chefredaktorin Werbewoche / Werbewoche Branchenreports
Neugasse 10, Postfach 1753, 8031 Zürich
Telefon: +41 44 250 28 00
f.heinrich(at)werbewoche.ch

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Datum: 03.11.2017 - 08:01 Uhr
Sprache: Deutsch
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