Manipulation oder Entscheidungshilfe? Wie individuelle Werbebotschaften im Netz Wahlen beeinflussen können
(ots) - Prof. Dr. Joost van Treeck, Wirtschaftspsychologe an
der Hochschule Fresenius, Fachbereich Wirtschaft & Medien in Hamburg,
forscht seit Jahren zum Thema Verkaufspsychologie. Zu seinem
Forschungsgebiet zählt auch das "psychografische Targeting". Mit
diesem Verfahren wird das Surfverhalten einzelner Nutzer im Internet
analysiert, um individuell zugeschnittene Werbebotschaften verbreiten
zu können.
Ende September finden in Deutschland die Bundestagswahlen statt.
In den noch verbleibenden Wochen bis zum Urnengang versuchen die
Parteien, die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler zu ihren
Gunsten zu beeinflussen. Die Prognosen über einen möglichen
Wahlausgang schwanken: Gab es noch im Frühjahr einen Schulz-Hype,
liegt nun Angela Merkel vorne. Spätestens seit den US-Wahlen im
vergangenen Jahr steht jedoch nicht nur die Glaubwürdigkeit von
Wahlprognosen, sondern auch die Form der Kommunikation mit den
Wählern in der Diskussion. So hatten die Datenanalysten von Cambridge
Analytica mithilfe des sogenannten "psychografischen Targetings"
angeblich einen großen Anteil am Wahlsieg von Donald Trump.
Insbesondere unentschlossene Wähler seien über ihre Netzwerke mit
individuell auf ihre Persönlichkeit zugeschnittene Wahlversprechen so
beeinflusst worden, dass sie schließlich Trump wählten.
Was steckt hinter dem Begriff "psychografisches Targeting"? Und
wie genau wird es bei Wahlen eingesetzt? Die Methode kommt aus der
digitalen Werbewirtschaft. Identifizierte man in der Werbebranche
noch bis vor kurzem Zielgruppen anhand von Alter, Geschlecht,
Familienstand oder Einkommen, wird beim "psychografischen Targeting"
die Persönlichkeit anhand des Surfverhaltens im Internet analysiert.
Mit diesen Daten lassen sich Gruppen bilden, die man nach ihren
jeweiligen Vorlieben und Präferenzen gezielt ansprechen kann.
Werbetreibende können dann beim Schalten einer Anzeige genau
festlegen, auf wessen Bildschirm welche Botschaft erscheinen soll. Im
Wahlkampf könnte man beispielweise einer ängstlichen Person aus dem
Pateiprogramm etwas über die Stärkung der Polizei, dem Gewissenhaften
etwas über den soliden Finanzplan für den Bundeshaushalt
präsentieren.
"Konsumenten und auch Wähler sind heutzutage viel sprunghafter
geworden", erklärt Prof. Dr. Joost van Treeck. "Wahlbotschaften, die
der momentanen mentalen Verfassung entsprechen, werden von den
Nutzern eher wahrgenommen," führt der Verkaufspsychologe weiter aus.
Der Einsatz dieser Methode, insbesondere in der Politik, sei
allerdings auch ethisch umstritten. "Die Vorstellung, dass ich mit
meinem Surfverhalten Spuren hinterlasse, die jemand dazu nutzt, um
mich individuell anzusprechen, kann schon beängstigend wirken.
Deshalb ist das Thema Datenschutz wichtiger denn je. Auf der anderen
Seite ermöglicht diese Form der Werbung aber auch, individuell auf
Kunden oder potentielle Wähler einzugehen. Bei den Bundestagswahlen
2017 setzt aber mit Sicherheit noch keine große Partei die neuen
Targetingmöglichkeiten ein. In vier Jahren wird dies sicher anders
aussehen," so van Treeck.
Einen ausführlichen Bericht zu dem Thema gibt es auf dem
Wissenschaftsblog der Hochschule Fresenius: www.adhibeo.de.
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Datum: 11.09.2017 - 11:00 Uhr
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