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Arzneimittelforschung: Pharmakometrie - Das Bauchgefühl konkretisieren

ID: 1520848


(ots) - Der richtige Wirkstoff in der richtigen Dosis für
den jeweiligen Patienten - das ist das Ziel von
Arzneimittelforschung. Dabei spielen computerbasierte Berechnungen
eine immer größere Rolle: Pharma-Unternehmen investieren deshalb
verstärkt auch in den Bereich der Pharmakometrie: Auf Basis von
Rechenmodellen kann z. B. die optimale Dosierung von Wirkstoffen
vorhergesagt werden. Dieses Vorgehen ermöglicht einen schnellen und
effizienten Erkenntnisgewinn - der dann in klinische Studien direkt
einfließen kann.

Sven Mensing ist Bio-Mathematiker und hat in Medizinischer
Informatik promoviert. Das Pharmakometrie-Team beim Pharmaunternehmen
AbbVie in Ludwigshafen ist bunt gemischt: Pharmakologen,
Medizintechniker, auch Physiker arbeiten daran, Wirkung und
Nebenwirkung von Wirkstoffen möglichst genau vorherzusagen. Ihr
Werkzeug: der Computer. Oder besser: eine Computerlandschaft. Rund
2.000 Rechenkerne stehen ihnen zur Verfügung. Zur Orientierung: ein
brauchbarer Laptop hat heute zwei Kerne.

"Wir arbeiten daran, die Biologie in den Computer zu bringen",
sagt Mensing. Dazu müssen biologische Prozesse in mathematische
Formeln übersetzt werden. Am Anfang steht die Datensammlung - mit
seinem Team saugt er alles auf, was für die Fragestellung relevant
sein könnte: Das sind Daten aus eigenen klinischen Studien,
allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrungen aus der Praxis
der Behandlung und auch Veröffentlichungen anderer Unternehmen.
"Daraus erstellen wir Differentialgleichungen, mit denen wir den
Computer füttern." Das können mal zwei Gleichungen sein - oder auch
50.

Vorhersagen, was noch nicht beobachtet wurde

Die Pharmakometrie ist eine noch relativ junge Disziplin - eine
"emerging science", wie die US-Zulassungsbehörde sie beschreibt. Am
besten ist sie wohl als Schnittstelle zwischen Biologie und




Mathematik definiert: Sie arbeitet mit mathematischen Modellen, um
vorherzusagen, was ein bestimmter Wirkstoff im Körper macht, wie
lange er seine Wirkung behält und wie sich die Wirkung im
Krankheitsverlauf ändert. Es geht darum, die Dynamik zwischen der
Gabe eines Arzneimittels, dem behandelten Patienten und dem
Therapieergebnis besser zu verstehen. Sven Mensing beschreibt es so:
"Wir können auf Basis unserer Modelle Vorhersagen treffen, die noch
nicht beobachtet wurden." Das steigert nicht nur die Effizienz der
Arzneimittelforschung. Es kann auch langwierige Umwege auf dem Weg zu
einem innovativen Arzneimittel ersparen: "Überspitzt heißt das: wir
konkretisieren das Bauchgefühl", sagt er.

Pharmakometriker entwickeln mathematische Formeln

Ein konkretes Beispiel: Die neueste Generation von Hepatitis
C-Medikamenten ist sehr wirksam. So wirksam, dass das Virus bei einem
Patienten bereits nach zwei Wochen nicht mehr nachweisbar ist. Nicht
nachweisbar heißt aber noch nicht unbedingt virusfrei - und in der
Tat können sich mit derzeitigen Nachweismethoden gemessen noch bis zu
rund eine Millionen Viren im Körper befinden. Die Fragen an Mensings
Team lauteten folglich: Wie lange muss weiterbehandelt werden, bis
der Patient wirklich virenfrei und damit geheilt ist? Und in welcher
Dosierung? Spielt Geschlecht und Gewicht eine Rolle? "Wir haben
beispielsweise errechnen können, dass das Gewicht durchaus eine Rolle
spielen kann, aber eben nicht in dem Maße, dass eine
gewichtsabhängige Dosierung notwendig ist." Wichtige Erkenntnis aus
der Pharmakometrie: Es müssen nicht verschiedene Dosierungen
entwickelt werden. Außerdem fand Mensing mit seinem Team heraus, dass
eine Therapiedauer von vier Wochen nicht ausreichend ist, um die
Patienten wirklich virenfrei zu bekommen - der neueste Stand sind
acht Wochen.

Auch die Frage der Dosierung kann per Datenpakete modelliert
werden. "Ein Beispiel: Reichen von einem bestimmen Wirkstoff 200
Milligramm - und kann ich die einmal am Tag geben? Oder muss es zwei
Mal am Tag 100 Milligramm sein?" Das ist keine unbedeutende
Fragestellung, denn die Therapietreue der Patienten ist deutlich
höher, je einfacher die Therapie ist. Und das wiederum hat
Auswirkungen auf den Erfolg der medikamentösen Intervention. Der
Vorteil der Mathematik-getriebenen Forschung: Die Pharmakometrie kann
schon früh das Signal geben "Die Einmal-Gabe wird ausreichend sein".
Diese Erkenntnis fließt direkt in die klinischen Studien ein. Die
Frage nach der Dosierung kann also in den Studien - und damit am
Patienten - gezielter erforscht werden.

Pharmakometriker entwickeln keine Wirkstoffe. Sie entwickeln
mathematische Formeln, um die Forschung von Wirkstoffen zu
unterstützen und das Forschungsrisiko zu mindern. Und sie sorgen
dafür, dass klinische Studien für Patienten noch sicherer werden und
die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Form neuer Therapien schneller
bei den Patienten ankommen.



Pressekontakt:
Winfried Rauscheder
Redaktion Pharma Fakten
www.pharma-fakten.de
E-Mail: redaktion(at)pharma-fakten.de
http://twitter.com/pharmafakten
Tel.: +49 89 1250 153 66

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Datum: 16.08.2017 - 10:06 Uhr
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