Mittelbayerische Zeitung: "Mittelbayerische Zeitung" Regensburg zum Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen:
(ots) - Es war ein beschwerlicher Weg. Sieben Jahre hat
es gedauert, um ans Ziel zu kommen. Aber jetzt liegen die Fakten auf
dem Tisch. Auf rund 430 Seiten klärt Sonderermittler Ulrich Weber
darüber auf, welche Gewalt über Jahrzehnte bei den Regensburger
Domspatzen und insbesondere in der Vorschule herrschte. Der Anwalt
hat auch zusammengetragen, welche Fälle von sexuellem Missbrauch ihm
gemeldet wurden. Ein Beschönigen ist jetzt nicht mehr möglich. Was da
geschildert wird, ist schlimm. Das Gute daran: Mit der sachlichen
Darstellung der Fakten ist erreicht, was sich Opfervertreter so sehr
gewünscht haben - und wofür sie lange kämpfen mussten. Da ist also
ein Gefühl der Genugtuung. Trotzdem wiegt bei vielen an diesem Tag
auch das Herz schwer. Wer durch die Seiten des Abschlussberichts
blättert, kann nur erschüttert sein. Opfervertreter schildern, dass
es ihnen schwer gefallen sei, Webers Ausführungen zuzuhören. Alte
Wunden wurden aufgerissen. Da ist aber auch die Freude, dass nun
endlich alles dokumentiert ist. Das kann Opfern dabei helfen, Frieden
zu finden. Dabei muss freilich jeder seinen eigenen Weg gehen. Ein
Erfolg der Aufarbeitungsarbeit ist es gewiss, dass es nun
Anlaufstellen gibt, wo Betroffene Hilfe bekommen, wenn sie das denn
möchten. Dem Sonderermittler gebührt Anerkennung für seine Arbeit. In
der Aufklärungsarbeit hat er sicher Vorbildliches geleistet. Auch der
Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig,
lobte, was in Regensburg geschehen ist. Für viele Opfer ist
sicherlich tröstlich, dass auch aus dem Bistum selbstkritische Töne
zu hören sind. Der Generalvikar Michale Fuchs gab Fehler zu. Eine
begrüßenswerte Entwicklung. Die Eintracht stört eigentlich nur einer:
der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller. Den Vorwurf
mangelhafter Aufarbeitung des Missbrauchsskandals wies er in Rom
zurück. Dabei lassen Weber Erkenntnisse gar keinen Zweifel zu, dass
Müller Fehler gemacht hat. Seine Ausführungen machen aber auch
deutlich, welcher himmelweite Unterschied zwischen der Vergangenheit
und dem Heute bei den Regensburger Domspatzen besteht.
Organisatorische Schwachstellen, die Gewaltanwendung erheblich
begünstigt haben, sind behoben. Schüler erfahren eine zeitgemäße
Pädagogik. Präventionskonzepte bestehen und werden regelmäßig
aktualisiert. Niemand kann bestreiten, dass eine hohe
Sensibilisierung für die Thematik besteht. In der Aufarbeitungsarbeit
steckt auch eine Chance für die Domspatzen von heute. In den Jahren,
in denen in Sachen Aufklärung nichts voranging, lastete die
Vergangenheit schwer auf dem Schule, Internat, Chor, Eltern und
Knaben. Dieser Ballast ist nun weg. Klargestellt wurde mit dem
Abschlussbericht auch, dass Vorwürfe, Opfer wollten nur abkassieren,
so nicht haltbar sind. Denn die Zahl der Anträge, die beim
Anerkennungsgremium eingingen, sprechen eine ganz andere Sprache. Es
will nämlich gar nicht jeder, der sich als Opfer beim Sonderermittler
gemeldet hat, Geld von der Kirche. Der Aufklärer Weber gab seiner
Hoffnung Ausdruck, dass seine Arbeit zu einer Befriedung beitragen
wird. Was Opfern angetan wurde, kann niemand rückgängig machen. Nun
wird aber nicht mehr geleugnet, dass systematisch Unrecht geschehen
ist. Die Schlachten angesichts der unrühmlichen Vergangenheit sind
geschlagen. Damit kann vielen hoffentlich ein Felsblock vom Herzen
fallen, sobald die Schwermut, die den aufwühlenden Tag des
Abschlussberichts begleiten musste, verflogen ist.
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Datum: 18.07.2017 - 20:16 Uhr
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