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Grippe-Impfung - Auf dem Weg zum universalen Impfstoff

ID: 1447230


(ots) - Eine einzige Impfung, die breiten Grippe-Schutz
für viele Jahre oder sogar für immer bietet: An der Vision, dieses
Ziel zu erreichen, arbeiten derzeit mehrere Forscherteams. Über den
Stand der Forschung zu einem Grippe-Impfstoff, der mehrere Jahre lang
wirkt, und über die Erfolgsaussichten haben wir mit einem führenden
Impfstoff-Forscher gesprochen: Prof. Dr. Carlos A. Guzmán leitet die
Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.

Herr Professor Guzmán, die Impfung gegen Grippe muss aktuell jedes
Jahr aufs Neue erfolgen. Seit einiger Zeit jedoch arbeiten Forscher
auf der ganzen Welt an einem Universal-Impfstoff gegen Influenza, der
viele Jahre lang wirken könnte. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach
noch dauern, bis ein solcher mehrjährig wirksamer Impfstoff auf den
Markt kommt?

Professor Dr. Carlos A. Guzmán: Um es klar zu sagen: Das ist heute
noch ein Traum. Es gibt bislang keinen Influenza-Impfstoff, der für
immer universell schützt. Das liegt daran, dass sich die
Influenza-Viren von Saison zu Saison verändern.

Dennoch oder vielleicht gerade deswegen gibt es
Forschungsgruppen...

Prof. Guzmán: ...die an einem Impfstoff arbeiten, der vielleicht
nicht absolut universal, aber doch deutlich breiter wirkt - der also
Schutz gegen verschiedene Influenzaviren bietet, die eng verwandt
sind. Das ultimative Ziel ist ein Impfstoff, der gegen alle
Influenzaviren wirkt - so lange wie möglich. Aber das ist alles
andere als trivial.

Welche Strategien gibt es bei der Suche nach einem solchen
Impfstoff?

Prof. Guzmán: Eine grundlegende Strategie setzt beim Hämagglutinin
an, einem Protein auf der Virusoberfläche. Die gängigen
Influenza-Impfstoffe stimulieren die Produktion von neutralisierenden




Antikörpern, die einen bestimmten Teil des Hämagglutinins angreifen,
nämlich den Kopf. Dieser Kopfbereich aber kann sich von Jahr zu Jahr
verändern. Das Hämagglutinin hat aber daneben auch noch eine Art
Stiel, der nicht diesen Veränderungen unterliegt und bei allen
Grippeviren ähnlich aussieht. Eine Forschergruppe um Antonietta
Impagliazzo arbeitet in Kooperation mit der Firma Janssen nun daran,
ein modifiziertes Hämagglutinin zu entwickeln, das die Produktion von
Antikörpern stimuliert, die gegen diesen konservierten Teil gerichtet
sind. Das könnte die Basis für einen universellen Grippe-Impfstoff
sein - oder zumindest für einen vielfältiger wirksamen.

Welche weiteren Forschungsansätze gibt es?

Prof. Guzmán: Interessant finde ich auch einen Ansatz von
Forschern der Universität Georgia. Sie arbeiten mit Algorithmen, die
bei der Vorhersage helfen, wie ein synthetisch hergestelltes
Hämagglutinin als potenzieller Impfstoff gegen möglichst viele Viren
aussehen könnte.

Aber wie stellt man einen solchen universal wirksamen Impfstoff
her?

Prof. Guzmán: Grundlage sind die Strukturen von Hämagglutinin aus
den bisher isolierten Influenzaviren. Aus diesen wird am Ende ein
Impfstoff, der chimärische synthetische Hämagglutinin-Varianten
enthält und somit verschiedene Subtypen angreift, die mit Hilfe der
Algorithmen vorhergesagt wurden. Mit diesem Ansatz lässt sich ein
breiter wirksamer Impfstoff entwickeln - und auch einer, der gegen
pandemische Influenza wirkt. Diese Forschungsarbeit, an der auch
Sanofi-Pasteur beteiligt ist, trägt den Namen COBRA - für
computationally optimized broadly reactive antigen.

Andere Impfstrategien beschäftigen sich nicht mit Antikörpern
gegen das Hämagglutinin, sondern mit der zellulären Immunantwort.

Prof. Guzmán: Richtig. Man hat in verschiedenen experimentellen
Modellen herausgefunden, dass auch so genannte Killerzellen vor
Influenzaviren schützen können. Bestimmte Komponenten, wie etwa das
Nukleoprotein, könnten dabei helfen, eine zelluläre Immunantwort
hervorzurufen, die einen Kreuzschutz gegen verschiedene
Influenzaviren bietet.

Es gibt also zwei Hauptstrategien: Neutralisierende Antikörper
gegen das Hämagglutinin im Bereich Kopf und Stiel sowie zelluläre
Immunantworten.

Prof. Guzmán: Daneben gibt es noch wissenschaftliche
Arbeitsgruppen, die eine gemischte Strategie verfolgen - hier wird
eine zelluläre Immunantwort kombiniert mit Antikörpern, die
verschiedene Influenzaviren neutralisieren.

Das klingt doch alles sehr vielversprechend. Also stehen uns
vielleicht doch bald revolutionäre Veränderungen bei der
Grippe-Impfung bevor?

Prof. Guzmán: Für eine Zulassung durch die Regulierungsbehörden
muss der neue Impfstoff besser - oder mindestens genauso gut - sein
wie ein konventioneller Impfstoff. Es gibt vielversprechende Ansätze,
deren Wirksamkeit im Tiermodell schon belegt wurde. Diesen Nachweis
auch beim Menschen zu erbringen ist jedoch sehr aufwändig und teuer.

Wie lange wird es nach Ihre Einschätzung noch dauern, bis ein
vielfältiger und mehrjährig wirksamer Grippe-Impfstoff auf den Markt
kommen könnte?

Prof. Guzmán: Ich denke, frühestens in zehn Jahren - wenn alles
klappt. Aber um ehrlich zu sein: Ich halte einen universellen
Influenza-Impfstoff, der gegen alle Serotypen von Influenzaviren
wirkt, für schwer realisierbar. Wesentlich realistischer ist dagegen
das Szenario für einen Pandemie-Impfstoff.

Inwiefern?

Prof. Guzmán: Die genannten Strategien könnten dazu dienen, im
Vorfeld "stocks", also Vorräte von Impfstoffen gegen verschiedene
Pandemiestämme anzulegen. Außerdem dauert es bisher sechs bis acht
Monate, bis nach der jährlichen WHO-Empfehlung der nächste saisonale
Grippe-Impfstoff auf den Markt kommt. Mittlerweile arbeiten
Forscherteams daran, einen solchen Impfstoff in kürzester Zeit
vorzubereiten. Diese Forschungen befinden sich jedoch noch in der
experimentellen Phase. Aber es könnte sein, dass schon bald von der
Information über die Virusstämme bis zur Herstellung eines
Impfstoff-Kandidaten nur noch einige Wochen vergehen. Dazu werden
ganz neue RNA-Technologien eingesetzt. Besonders interessant ist das
im Hinblick auf eine Pandemie. Wenn schon wenige Wochen nach dem
Ausbruch einer Grippe-Pandemie ein Impfstoff-Kandidat für die
Produktion verfügbar wäre, ließe sich das Infektionsrisiko für die
Bevölkerung minimieren.

Zur Person:

Prof. Dr. Carlos Alberto Guzmán ist Leiter der Abteilung
Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für
Infektionsforschung in Braunschweig. Er arbeitet seit 1989 auf dem
Gebiet der Vakzinologie und war wesentlich an der Entwicklung neuer
Adjuvantien beteiligt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die
Suche nach Transportsystemen für DNA-Impfungen und therapeutische
Moleküle. Neben seiner Forschungsarbeit ist er auch als APL-Professor
an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig.



Pressekontakt:
Winfried Rauscheder
Redaktion Pharma Fakten

www.pharma-fakten.de
E-Mail: redaktion(at)pharma-fakten.de
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Tel.: +49 89 1250 153 66

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Datum: 23.01.2017 - 11:22 Uhr
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