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Konzernatlas 2017 zeigt beispiellose Fusionswelle in Agrar- und Ernährungsindustrie

ID: 1442633


(ots) - Immer weniger Konzerne bestimmen weltweit über
einen immer höheren Anteil der Lebensmittelerzeugung und Ernährung -
zum Nachteil von Kleinbäuerinnen und -bauern, Landarbeiterinnen und
-arbeitern sowie der regionalen Lebensmittelversorgung. Das zeigt der
heute vorgestellte "Konzernatlas 2017", eine Zusammenstellung von
Fakten und Grafiken zur Agrarindustrie. Die Herausgeber -
Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND), Oxfam Deutschland, Germanwatch und Le
Monde Diplomatique - warnen davor, dass die laufenden
Konzentrationsprozesse im Agrarsektor die 2015 beschlossenen
Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gefährden und fordern
stärkere Kontrolle im Agrar- und Ernährungsbereich.

Fünf der zwölf kapitalintensivsten Übernahmen börsennotierter
Konzerne in 2015 und 2016 fanden im Agrar- und Ernährungsbereich
statt. Der Börsenwert der Fusionen im Landwirtschaftssektor übertraf
vielfach den in anderen großen Branchen. So war 2015 der Wert der
Fusionen von Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelindustrie mit
347 Milliarden Dollar fünf Mal höher als der im Pharma- oder im
Ölsektor. Inzwischen kontrollieren lediglich vier Großkonzerne rund
70 Prozent des Welthandels mit Agrarrohstoffen. Drei Konzerne
dominieren 50 Prozent des Weltmarkts für Landtechnik. In Deutschland
decken vier Supermarktketten 85 Prozent des
Lebensmitteleinzel-handels ab. Finden die weiteren derzeit geplanten
Mega-Fusionen statt, würden nur drei Konzerne mehr als 60 Prozent des
globalen Marktes für kommerzielles Saatgut und für Pestizide
beherrschen.

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte
anlässlich der Präsentation des Konzernatlas: "Höfesterben,
Landkonzentration, Patente und Monokulturen - das sind die Folgen der




Konzernmacht im Ernährungssektor. Sie schafft massive Abhängigkeit
für Bauern und Bäuerinnen und Konsumenten und Konsumentinnen von
Konzernentscheidungen. Die Vielfalt für Ernährung und Natur bleibt
auf der Strecke. Gleichzeitig verfolgen weltweit immer mehr
Regierungen Aktivisten und die kritische Zivilgesellschaft, die für
eine gerechte Landwirtschaft kämpfen und den Zugang zu Land, Wasser
und Saatgut fordern. So verstärkt sich die Macht der Konzerne
nochmals, denn Kritik an einer fehlgeleiteten Landwirtschaft und
demokratische Teilhabe wird ausgeschaltet."

Auch der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger warnte vor einer weiteren
Konzentration im Agrarsektor: "Die geplante Übernahme des Saatgut-
und Gentechnikkonzerns Monsanto durch Bayer würde einen neuen
gigantischen Agrarkonzern hervorbringen. Dieser würde ein Drittel des
weltweiten Marktes für kommerzielles Saatgut und ein Viertel des
Marktes für Pestizide dominieren und so die Art und Weise bestimmen,
wie auf den Äckern gewirtschaftet wird. Die wachsende Marktmacht
einiger weniger Großunternehmen gefährdet eine bäuerliche, sozial und
ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft. Im Koalitionsvertrag der
nächsten Bundesregierung muss stehen: Für die Umwelt nachteilige
Agrarsubventionen gehören abgeschafft und das Preisdumping bei
Lebensmitteln muss beendet werden." Weiger rief dazu auf, am 21.
Januar gemeinsam mit vielen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen,
mit Verbraucherschutz- und alternativen Bauernverbänden unter dem
Motto "Wir haben es satt" gegen die herrschende Agrarpolitik auf die
Straße zu gehen.

Die Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dagmar Enkelmann,
sagte: "Der Konzernatlas zeigt, dass von Übernahmeschlachten und
knallhartem Preiswettbewerb im Nahrungsmittelbereich vor allem
Arbeiter und Angestellte direkt betroffen sind." Bei der Übernahme
von Kaiser''s Tengelmann drohe, dass EDEKA und REWE ihre Filialnetze
nach fünf Jahren rigoros ausdünnen. Sie verwies auf den Abbau von
über 5000 Stellen nach der Fusion von Heinz und Kraft Foods 2015.
"Die Preispolitik der Supermarktkonzerne drückt zugleich auf die
Standards in der Produktion. Arbeit unter Pestizidregen auf
Bananenplantagen oder Hungerlöhne für Teepflückerinnen sind auch dort
verbreitet, wo für hiesige Supermarktregale geschuftet wird."

Marion Lieser, Geschäftsführerin von Oxfam Deutschland e.V.,
sagte: "Bauern und Bäuerinnen sind die schwächsten Glieder in der
Lieferkette. Das, was vom Verkaufserlös bei ihnen ankommt, ist in den
vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Der Konzernatlas zeigt
eindrücklich die globale Dominanz von Großkonzernen und die daraus
folgende Ungerechtigkeit und globale Ungleichheit. Damit gibt er den
Anstoß für Politiker und Politikerinnen, die Fusionskontrolle zu
verschärfen und den Missbrauch der Marktmacht einzudämmen. Die
Politik muss die Verhandlungsmacht von Bauern und Bäuerinnen stärken.
Außerdem muss sie Unternehmen verpflichten, ökologische und soziale
Mindeststandards entlang der Lieferkette durchzusetzen und
Menschenrechte konsequent einzuhalten."

Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender der Umwelt- und
Entwicklungsorganisation Germanwatch, betonte, dass es durchaus
Alternativen zur wachsenden Konzernmacht gebe: "Mehr als zehn
Millionen Kleinbetriebe weltweit bauen Reis nach agrarökologischen
Methoden an und steigern so ihre Erträge, ohne von Konzernsaatgut
oder -dünger abhängig zu werden. In Brasilien erhalten rund 45
Millionen Kinder Schulessen von regionalen Kleinbauern. Es ist an der
Zeit, auch in Deutschland die öffentliche Beschaffung nach Kriterien
wie bäuerlicher Erzeugung aus der Region, handwerklicher Verarbeitung
und Ökolandbau auszurichten. So würde man viele regionale Akteure an
der Wertschöpfung beteiligen anstatt überwiegend nur wenige
Großunternehmen."

Gemeinsame Presseerklärung vom 10. Januar 2017

Weitere Informationen:

Zum Konzernatlas (PDF): www.bund.net/konzernatlas

Grafiken und Tabellen zum Download unter:
www.bund.net/service/presse/pressebilder/aktionen



Pressekontakt:
Heinrich-Böll-Stiftung
Michael Alvarez Kalverkamp, Pressesprecher
+49-(0)30-28534-202, alvarez(at)boell.de

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Jannine Hamilton, Pressesprecherin
+49-(0)30-44310-222, hamilton(at)rosalux.de

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Rüdiger Rosenthal, Pressesprecher
+49-(0)30-27586-425, Ruediger.Rosenthal(at)bund.net

Oxfam
Annika Zieske, Pressereferentin,
+49-(0)30-453069-711, azieske(at)oxfam.de

Germanwatch
Stefan Küper, Pressesprecher
+49-(0)151-252 110 72, kueper(at)germanwatch.org

Original-Content von: BUND, übermittelt durch news aktuell


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Datum: 10.01.2017 - 10:16 Uhr
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