Prädikat "besonders wertvoll" für NEBEL IM AUGUST/Kinostart mit höchstem Prädikat auch für Cro-Film UNSERE ZEIT IST JETZT und JONATHAN
(ots) - Die Figur des Ernst Lossa kennen wenige. Dabei
steht seine Geschichte für das Schicksal vieler. Der 13-jährige Junge
galt im nationalsozialistischen Deutschland als schwer erziehbar und
wurde 1942 in eine psychiatrische NS-Einrichtung eingewiesen. Nur
zwei Jahre darauf wurde er im Rahmen des nationalsozialistischen
Euthanasieprogramms ermordet. Der Regisseur Kai Wessel erzählt in
NEBEL IM AUGUST (Start: 29. September) Ernst Lossas Geschichte,
basierend auf dem gleichnamigen Tatsachenroman von Robert Domes. Die
fünfköpfige Expertenrunde war beeindruckt und berührt zugleich und
vergab in einstimmigem Votum das höchste Prädikat "besonders
wertvoll". In ihrer Begründung für die Auszeichnung heißt es: "Nicht
nur wegen seiner unkonventionellen Dramaturgie, seiner hervorragenden
Besetzung und seiner historischen Dimension erscheint der Jury der
Film besonders wichtig. Weil sich NEBEL IM AUGUST in vielerlei
Hinsicht von der Masse des Genres positiv abhebt und sich weiterhin
für eine gezielte Vergangenheitsbewältigung und für Verantwortung und
Fürsorgepflicht ausspricht, spricht die Jury dem Film einstimmig das
höchste Prädikat zu."
Der Rapper Cro kann hierzulande spätestens seit seinem
Riesenerfolg mit dem Hit "Easy" im Jahr 2011 auf eine große
Fangemeinde bauen. Höchste Zeit, ihm einen Film zu widmen. Unter der
Regie von Martin Schreier und produziert von Til Schweiger erzählt
UNSERE ZEIT IST JETZT (Start: 6. Oktober) die Geschichte von drei
jungen Nachwuchsfilmemachern, die dem Aufruf von Cro folgen und einen
Film über ihn drehen möchten. Jeder von ihnen hat Ideen, Träume und
Vorstellungen. Im Laufe des Filmprozesses entstehen somit einige
Verwicklungen - zwischenmenschlich und auch sonst. Die fünfköpfige
Expertenrunde der FBW war begeistert von der "kreativen Vielfalt und
den genauso hervorragend gecasteten wie agierenden Schauspielern".
Sicherlich, so die Jury, richte sich Schreiers Komödie zunächst an
Fans des Rappers, aber dennoch sei der Film "wahrlich filmisch" und
stecke voller Überraschungen. "Der Ansatz, mit drei Skripts zu
arbeiten, der Dokumentation, der Animation und der actionbepackten
Zukunftsvision, erscheint der Jury nicht nur dramaturgisch
einwandfrei umgesetzt, sondern auch perfekt auf die rezeptiven
Erfahrungen der Zielgruppe zugeschnitten. Die Zuschauer erfahren eine
Story auf mehreren Ebenen und erleben, dass es auch beim Filme machen
auf Ausdauer und Freunde ankommt." Die FBW-Jury zeichnet den
gelungenen Genre-Mix mit dem Prädikat "besonders wertvoll" aus.
Der 23-jährige Jonathan pflegt aufopferungsvoll seinen
krebskranken Vater Burghardt und bewirtschaftet zusammen mit seiner
Tante Martha den Bauernhof der Familie in einem abgelegenen Tal. Die
Situation ist angespannt: dem Vater geht es zusehends schlechter, und
er zieht sich immer mehr zurück. Mit seiner Schwester hat er seit
Jahren nicht geredet, und auch den Bemühungen seines Sohnes und
dessen Fragen nach dem frühen Tod seiner Mutter weicht er störrisch
aus. Jonathan fühlt sich zunehmend überfordert, bis zwei Menschen in
sein Leben treten, die alles verändern. Piotr J. Lewandowski geht in
seinem Debütspielfilm JONATHAN (Start: 6. Oktober) ein großes Wagnis
ein, indem er gleich zwei Tabuthemen anpackt: Sterben und verdrängte
Homosexualität. Dabei beschränkt er sich auf wenige Charaktere und
Drehorte und erreicht "fast kammerspielartig große Intensität", wie
die FBW-Jury in ihrer Begründung für das einstimmig vergebene
Prädikat "besonders wertvoll" schreibt. Weiter heißt es: "JONATHAN
ist ein intensives Familiendrama, das am Ende des Lebens mit Lügen
und Tabus aufräumt und allen Beteiligten die Möglichkeit zu Abschied
und Emanzipation eröffnet."
Mehr Informationen zu aktuellen und kommenden FBW-Empfehlungen
unter www.fbw-filmbewertung.com.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) zeichnet
herausragende Filme mit den Prädikaten wertvoll und besonders
wertvoll aus. Über die Auszeichnungen entscheiden unabhängige Jurys
mit jeweils fünf Filmexperten aus ganz Deutschland. Die FBW bewertet
die Filme innerhalb ihres jeweiligen Genres.
Prädikatsfilme vom 29. September bis 6. Oktober 2016
Nebel im August
Spielfilm, Drama. Deutschland, Österreich 2016.
Deutschland, im Mai 1944. Ernst Lossa ist 13 Jahre alt und kommt,
weil er von anderen Erziehungsanstalten als "nicht erziehbar"
eingestuft wurde, in eine Nervenklinik. Dort erkennt der Leiter Dr.
Veithausen sofort, dass in Ernst ein aufgeweckter, rebellischer Junge
steckt, der von seinem Vater, einem "Jenischen", wohl nicht mehr aus
der Anstalt abgeholt werden wird. Nach und nach gewöhnt sich Ernst an
das Leben mit den Patienten, die unter geistigen und körperlichen
Behinderungen leiden und von den Nazis als "kranker Volkskörper"
bezeichnet werden. Ernst findet Freunde, vor allem in der
gleichaltrigen Nandl, die unter epileptischen Anfällen leidet. Doch
nicht alles ist so harmonisch, wie Veithausen es gerne nach Außen
darstellen möchte. Immer mehr häufen sich in der Klinik scheinbar
zufällige Todesfälle. Schon bald merkt Ernst, dass der Tod in der
Klinik kein willkürliches Schicksal, sondern Teil eines gnadenlosen
und radikalen Programms ist. Ernst begehrt dagegen auf, zusammen mit
der Nonne Sophia. Doch Widerstand ist für das System etwas, das es zu
brechen gilt. Zwischen 1939 und 1945 wurden in Folge des sogenannten
"Euthanasie"-Programms in deutschen Nervenkliniken mehr als 200.000
Menschen ermordet, darunter unzählige Kinder. Regisseur Kai Wessel
greift dieses wichtige Thema auf und beginnt mit der historisch
realen Figur des Ernst Lossa seinen Film. Es ist Ernsts Blick, mit
dem der Zuschauer die Anstalt betritt, die zunächst noch erfüllt ist
von einer recht heimeligen Atmosphäre. Es ist Sommer auf dem Land,
die Farben sind warm, immer wieder gibt es auch heitere Momente. Doch
ganz subtil lässt der Film das Grauen in die Szenerie einfließen. Mit
der Krankenschwester Edith Kiefer betritt eine Art Todesengel die
Zimmer der hilflosen Patienten. Wenn sie auf die Kinder zugeht, mit
einem Tablett, auf dem ein Becher Himbeersaft den sicheren Tod
enthält, dann überträgt sich das kalte Grauen auf den Zuschauer.
Wessel arbeitet viel mit solch ausdrucksstarken Bildern und
Einstellungen. Die Dialoge sind reduziert, auch auf dramatische Musik
verzichtet der Film. NEBEL IM AUGUST lebt auch von dem authentischen
Spiel der Darsteller. Sebastian Koch als Klinikleiter, dessen Härte
und Kalkül erst nach und nach durchschaubar wird; Fritzi Haberlandt
als Nonne Sophia, die versucht, alles in ihrer Macht stehende zu tun,
um Einzelne vor dem Tod zu retten; Henriette Confurius als Schwester
Kiefer, in deren Gesicht eisige Kälte und gleichzeitig vorgegebene
Empathie für die Kinder gespiegelt ist; all die Kinderdarsteller, die
so natürlich spielen, als wäre man Zeuge einer Dokumentation. Und Ivo
Pietzcker als Ernst Lossa. Pietzcker ist auch in dieser Rolle eine
Entdeckung und trägt viele Szenen allein aufgrund seiner Präsenz,
seiner Natürlichkeit und seinem intensiven Ausdruck voller Trotz und
Entschlossenheit, der den Betrachter gefangen nimmt. Kai Wessels
NEBEL IM AUGUST setzt Ernst Lossa und den Opfern der
"Euthanasie"-programme ein würdiges Denkmal. Ein großartiger Film,
der tief berührt und betroffen macht - und dessen zentrale Botschaft
dennoch die lebensbejahende Hoffnung ist.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/nebel_im_august
Unsere Zeit ist jetzt
Spielfilm, Komödie, Musikfilm. Deutschland 2016.
Es gibt viele Möglichkeiten, einen Film über Cro zu machen. Der
erfolgreiche Musiker, der mit seinem Mix aus Rap und Hip-Hop
regelmäßig an der Spitze der Charts zu finden ist, ist da total offen
für Ideen. Die jeweiligen Konzepte von Dawid, Vanessa und Ludwig
gefallen ihm gleich alle drei. Also schreibt Dawid, der sich von
ernster Arbeit und ernsten Beziehungen gerne fernhält, ein Drehbuch
über Cro in 50 Jahren, dessen Karriere am Ende ist - in der
Hauptrolle natürlich niemand anderes als Til Schweiger. Vanessa, die
unter dem Asperberger-Syndrom leidet und alles andere als ein sozial
umgänglicher Mensch ist, möchte eine Doku über Cro drehen und ihn auf
seiner Tour begleiten. Und Ludwig, der bisher eher frustriert als
motiviert in einem Finanzunternehmen am Schreibtisch hockt, zeichnet
einen Comic, über die Anfänge von Cros Karriere als Künstler, als er
mit seinem besten Freund im Studio textete und Beats einsang. Doch
als sich Dawid und Ludwig beide in Vanessa verlieben, Vanessa durch
Recherchen in Cros Leben eine Verbindung zwischen Ludwig und dem
Künstler entdeckt und alle drei vor wichtigen Entscheidungen stehen,
müssen sie feststellen: Ein Film zu drehen ist vieles. Aber easy ist
es nicht. UNSERE ZEIT IST JETZT von Regisseur Martin Schreier gelingt
es, sämtliche "Filme im Film", also fiktives Biopic, Comic und
Dokumentation, auf originelle Weise organisch zu vereinen und darüber
hinaus noch eine spannende, unterhaltsame und mitreißende Geschichte
zu erzählen. So taucht man in gekonnt inszenierten Sequenzen ein in
die fiktive Welt eines Mythos, den Cro dank seiner Panda-Maske ein
Stück weit selbst geschaffen hat. Dies geschieht auf entspannte und
herrlich selbstironische Art und Weise, sodass man nie das Gefühl
hat, sowohl der Künstler als auch der Film nehmen diesen Mythos
komplett ernst. Das Gegenteil, und das ist eine weitere Stärke des
Films, ist bei den Hauptfiguren Dawid, Vanessa und Ludwig der Fall.
Überzeugend von den Nachwuchstalenten Peri Baumeister, Marc Benjamin
und David Schütter gespielt, wird hier eine rührende Liebesgeschichte
und ein Stück weit auch eine Coming-of-age-Story erzählt, da jeder
der Protagonisten durch das Projekt die Chance erhält, sich selbst zu
finden. Unterstützt werden die Drei von einem hochkarätig besetzten
Ensemble, das voller Spielfreude und der Größe, auch über sich selbst
zu lachen, den Film zu einem absoluten Vergnügen macht. Einen großen
Beitrag dazu leistet auch die musikalische Unterstützung von Cro,
dessen Lieder eine geschmeidige Leichtigkeit an den Tag legen, die
sich im Film widerspiegelt. UNSERE ZEIT IST JETZT ist
abwechslungsreich, spannend und immer wieder überraschend. Und nicht
nur für Cro-Fans ein absolutes Muss.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/unsere_zeit_ist_jetzt
Jonathan
Drama, Spielfilm. Deutschland 2016.
Jonathan kümmert sich um seinen Vater Burghardt, seitdem dieser an
Krebs erkrankt ist. Der junge Mann bewirtschaftet den Hof zusammen
mit seiner Tante und opfert sich für die Pflege des Vaters völlig
auf. Eines Tages betreten zwei Menschen den Hof, die Jonathans Leben
auf den Kopf stellen. Zum einen die Krankenpflegerin Anka, die mit
ihrer positiven Art bald mehr wird als nur eine Stütze in der
täglichen Betreuung. Und zum anderen Ron, den sein Vater als einen
alten Freund aus früheren Tagen vorstellt. Doch Jonathan spürt: Ron
und Burghardt verbindet mehr. Und er hat immer stärker das Gefühl,
dass er bald sein eigenes Leben führen muss. Denn genau das hat er
bisher immer hintenangestellt. Das starke Langfilmdebüt von Piotr J.
Lewandowski verlangt dem Zuschauer einiges ab. Denn der Film
begleitet Burkhardt und Jonathan durch den kompletten Prozess der
Krankheit und des schmerzhaften Abschiednehmens. Doch die gefühlvolle
Art und Weise, wie dies in ruhigen Bildern und gefühlvollen Momenten
zwischen den Figuren geschieht, wirkt beispiellos sensibel und
berührt daher tief. Die stimmig gewählte und ausgestattete Szenerie
eines Bauernhofs dient als Kulisse, in der die Figuren von der
Außenwelt isoliert sind, sich fast kammerspielgleich aufeinander
einlassen und aneinander reiben müssen. Unterstützt wird diese
Atmosphäre von einer exzellenten Kamera und einer einfühlsamen
stimmungsvollen Musik. Der Film nimmt sich Zeit, den Zuschauer an die
Figuren heranzuführen, lässt sie auch sperrig sein, doch offenbart
immer stärker ihre Gefühle und Befindlichkeiten. Dabei helfen auch
die Dialoge, die nie hölzern wirken, sondern glaubhaft und oftmals
ganz reduziert Konflikte, Stimmungen, Gefühle vermitteln. Die
Schauspielleistungen sind allesamt beeindruckend. Jannis Niewöhner
und André Hennicke sind als Jonathan und Burkhardt perfekt
aufeinander eingespielt, oftmals genügt ein Blick, eine Geste, um
alles Wichtige auszudrücken. Und auch Julia Koschitz, Thomas
Sarbacher und Barbara Auer verkörpern ihre Rollen gekonnt.
Lewandowski beweist großartiges Gespür für Timing, erzählt ganz ohne
Kitsch von einer bewegenden Vater-Sohn-Geschichte und von der Liebe.
JONATHAN ist ein grandioses Langfilmdebüt. Ein Film, der berührt,
ohne rührselig zu sein. Und ein Film, der so viel erzählt und dafür
wenige Worte braucht.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/jonathan
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Datum: 28.09.2016 - 09:48 Uhr
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