Knäule entwirren - Herausforderung Alzheimerforschung (VIDEO)
(ots) -
Der Aufbau des Gehirns ist mit einem Autobahnnetz vergleichbar,
das Informationen auf dem schnellsten Weg von A nach B bringt.
Alzheimer hemmt diesen Verkehrsfluss Stück für Stück bis hin zum
Kollaps des gesamten Systems. Forscher sind seit einem Jahrhundert
damit beschäftigt, diesen Prozess zu verstehen.
Auch 110 Jahre nach der Entdeckung von Alzheimer durch den
deutschen Psychiater Alois Alzheimer gibt die neurodegenerative
Erkrankung Wissenschaftlern immer noch Rätsel auf. Obwohl rund 1,2
Millionen Menschen in Deutschland an dieser Form der Demenz erkrankt
sind, kann Alzheimer heute weder verhindert noch geheilt werden. Die
derzeit verfügbaren Therapien sind palliativ: Mit ihnen kann die
Verschlechterung der Symptome vorübergehend verlangsamt werden.
Dadurch kann sich die Lebensqualität der Patienten und der
Angehörigen verbessern, die sich in der Pflege um sie kümmern.
Schätzungen zufolge lebten 2015 weltweit etwa 47 Millionen
Menschen mit einer Demenz. Das schwerwiegendste Symptom ist ein
massiv verschlechtertes Denk- und Erinnerungsvermögen, das nicht mit
dem normalen Alterungsprozess in Zusammenhang steht. Alzheimer ist
die häufigste Form einer Demenzerkrankung, mit ihr leben circa 60 bis
70 Prozent aller Betroffenen.
Bildung von Plaque und Faserbündeln
Forscher gehen heute davon aus, dass zwei Proteine eine
entscheidende Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielen. Zum
einen das Beta-Amyloid-Peptid, das im Gehirn Ablagerungen,
sogenannte Plaques, bildet. Peptide sind organische Verbindungen
zwischen Aminosäuren. Zum anderen das Tau-Protein, das wesentlich an
der Bildung von Neurofibrillenbündeln beteiligt ist.
Die Rolle von Beta-Amyloid und dessen anormale Ansammlung bei der
Alzheimer-Erkrankung wurde seit den 1970er Jahren eingehend
erforscht, beispielsweise von Wissenschaftlern wie Konrad Beyreuther,
David Holtzman, M.D., Chairman, Bereich Neurologie der Washington
University in St. Louis, Missouri. Man nahm an, dass durch die
Ansammlung von Beta-Amyloid überlebenswichtige Prozesse für Zellen
unterbrochen werden. In einem gesunden Gehirn kann sich Beta-Amyloid
nicht ansammeln, da es regelmäßig abgebaut wird.
Einige Forscher gingen schon damals davon aus, dass Ansammlungen
des Tau-Proteins ebenfalls eine Rolle bei den Gedächtnisstörungen
spielen könnten. Dennoch haben sich Wissenschaftler erst deutlich
später auf die Frage konzentriert, ob das Tau-Protein nicht nur eine
der Ursachen von Alzheimer ist, sondern auch einen Ansatz zur
Behandlung der Erkrankung bietet. Bei Tau handelt es sich wie bei
Beta-Amyloid um ein natürlich im Gehirn vorkommendes Protein. Seine
Funktion ist es, Nervenzellen dabei zu unterstützen, ihre Form zu
bewahren. Darüber hinaus ermöglicht es zelluläre Transportvorgänge
über sogenannte Microtubuli, die "Autobahnen" im Gehirn.
"Wir gehen davon aus, dass bei Alzheimer die Tau-Proteine, die
eigentlich eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von
Informationen durch Nervenzellen im Gehirn spielen, aus dem
Gleichgewicht geraten", erklärt PD Dr. Alfred Hahn, Forschungsleiter
Neurologie bei AbbVie in Ludwigshafen. "Das Tau-Protein bindet dann
nicht mehr nur an Microtubuli, sondern löst sich vermehrt ab und
beginnt sich falsch zu falten, häuft sich an und bildet faserige
Strukturen. Dies resultiert in einer Blockade der "Autobahnen" im
Gehirn und kann letztendlich zum Absterben der Nervenzellen führen.
Dieser Prozess breitet sich von Hirnareal zu Hirnareal aus, bis die
gesamte Großhirnrinde betroffen ist." Die entstehenden Knäuel werden
als Neurofibrillenbündel bezeichnet.
In diesem Video beschreibt Alfred Hahn die Symptome der
Alzheimer-Erkrankung und seine persönliche Motivation bei der
Forschung: https://youtu.be/b8lrXjqJpNk
Die anormale Anhäufung von Beta-Amyloid und Tau wird als
entscheidende Ursache für die Blockade der Kommunikation zwischen
Nervenzellen gesehen. So werden Prozesse, die für die Zellen
überlebenswichtig sind, unterbrochen - es ist nur noch nicht klar,
auf welche Weise.
"Tau beginnt sich in Arealen des Gehirns abzulagern, die für unser
Erinnerungsvermögen und räumliches Gedächtnis verantwortlich sind",
erläutert Alfred Hahn. "Sobald diese Regionen betroffen sind, äußern
sich die ersten klinischen Symptome von Alzheimer: Vergesslichkeit
und Orientierungslosigkeit."
Die Forscher verstehen die Zusammenhänge zwischen Beta-Amyloid,
Tau und Alzheimer immer besser: "Die Forschungsgemeinschaft kommt den
Prozessen, die dieser pathologischen Struktur von Tau zugrunde
liegen, allmählich auf die Schliche und ist auf dem besten Weg
aufzudecken, wie sich das Protein ausbreitet, Fasern und lösliche
Oligomere bildet und welche Beziehung zu Beta-Amyloid besteht", so
Hahn weiter. "Wenn wir diese Prozesse noch besser verstehen, können
wir auch neue Behandlungsansätze entdecken."
Was kommt als nächstes?
Die Forschergemeinschaft - darunter auch AbbVie in Zusammenarbeit
mit externen Forschungseinrichtungen und Partnern - sucht aktuell
nach Wegen, Tau in frühen Phasen der Alzheimer-Erkrankung daran zu
hindern, Neurofibrillen zu bilden und sich im Gehirn auszubreiten. In
Deutschland hat AbbVie beispielsweise in Kooperation mit BioMed X ein
fünfköpfiges Forscherteam zusammengestellt, das im Kampf gegen das
Vergessen speziell an Tau-Proteinen forscht.
"Wissenschaftliche Entdeckungen passieren nicht isoliert im
stillen Kämmerlein, insbesondere bei einem so komplexen Feld wie
Alzheimer", weiß Hahn. "Daher sind Partnerschaften so entscheidend
für uns, um Wissen und Expertise auszutauschen. Sie bedeuten auch,
dass wir mit Hochdruck daran arbeiten, Patienten und ihren Familien
zu helfen."
Risikopatienten erkennen
Obwohl Alzheimer immer besser verstanden wird, ist es weiterhin
eine Herausforderung zu erkennen, welche Menschen ein erhöhtes Risiko
für Alzheimer haben. Daher hat Dr. Holtzman gemeinsam mit seinem
Kollegen Randall Bateman, M.D., Professor für Neurologie an der
Washington University, einen Test zur Alzheimer-Früherkennung
entwickelt, der über das Unternehmen C2N Diagonstics angeboten wird.
Hierbei werden Biomarker - also Indikatoren - der
Alzheimer-Erkrankung identifiziert. Der Test trägt den Namen "Stable
Isotope Labeling Kinetics" (SILK[TM]) und könnte Ärzten dabei helfen,
Menschen mit einem Risiko für Alzheimer frühzeitig zu identifizieren
und bei Bedarf mit dem Krankheitsmanagement zu beginnen.
"Patienten mit frühen Anzeichen einer Alzheimer-Erkrankung - oder
sogar Menschen ohne erkennbare Anzeichen - könnten von dieser
Screening-Maßnahme profitieren. Sie könnte es uns ermöglichen, zu
beobachten, was im Gehirn vor sich geht", erklärt Dr. Holtzman.
"Sollte ein solcher Test funktionieren, könnte man einen genaueren
Test entwickeln, der Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn mittels
eines bildgebenden Verfahrens nachweist."
AbbVie ist Teil eines Konsortiums aus Unternehmen und
wissenschaftlichen Einrichtungen, die mit C2N an der
Weiterentwicklung dieser Technologie zusammenarbeiten.
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Fabian Liboschik
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Datum: 14.09.2016 - 10:28 Uhr
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