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Mittelbayerische Zeitung: Land der Rodler und Reiter - Der deutsche Sport sucht seine Nische. Wie wär''s mit dem Gütesiegel Sauberkeit und Ehrlichkeit? Von Heinz Gläser

ID: 1389069


(ots) - Beim atemlosen Hin- und Herhüpfen des
Fernsehens zwischen den einzelnen sportlichen Schauplätzen reihte
sich in der Regel eine Enttäuschung an die andere: Frust im
Schwimmbecken, Ärger auf der Planche, Ernüchterung auf der Judomatte.
Rio de Janeiro war für viele deutsche Athleten, zumindest jene, die
Medaillenhoffnungen hegten, keine Reise wert. Das böse Wort Debakel
hatte in den ersten Olympia-Tagen Hochkonjunktur. Die
Funktionärsriege wurde derweil nicht müde, Ausdauer zu predigen:
Gemach, das wird schon noch - wie in London 2012. Mag sein, und
tatsächlich nimmt das Unternehmen Gold, Silber oder Bronze nun Fahrt
auf. Dennoch spiegeln die Sommerspiele in Brasilien den Trend seit
der Wiedervereinigung wider. Seit das Erbe der pharmazeutischen
Muskelmast diesseits und jenseits der Mauer aufgezehrt ist, leidet
die deutsche Medaillenbilanz an Schwindsucht. Vor fast genau zehn
Jahren überwand der Sport hierzulande den jahrzehntelangen Dualismus
und bündelte in der neuen Dachorganisation DOSB den Breiten- und
Spitzensport. Ein Ruck sollte durch die Welt der Leibesübungen gehen,
doch der Kraftakt trug allein den Berufsfunktionär Thomas Bach an die
Spitze des Internationalen Olympischen Komitee - und verpuffte auf
der Ebene des Leistungssports. Dort herrscht viel Klein-Klein,
Eitelkeit und Starrsinn sind zentrale Trainingsinhalte. Derweil
grassiert im Land der Fußballwahn, und der Restsport nährt sich
mühsam von der wenigen Brosamen, die vom Tisch von König Fußball
fallen. Vor dem Hintergrund dieser drohenden sportlichen Monokultur
fällt die bislang durchwachsene Medaillenbilanz unter dem Zuckerhut
wie befürchtet aus. Hinter den Kulissen ist freilich auch zu hören:
wie erhofft! Denn von Rio de Janeiro könnte auch ein Signal ausgehen.
Diese Sommerspiele liefern den Anlass, eine überfällige
Grundsatzdebatte über den Wert des Leistungssports in Deutschland zu




führen. Dieser sucht sich im globalen Vergleich zunehmend Erfolg
versprechende Nischen. Nichts gegen Rodler oder Reiter, aber in ihren
Disziplinen ist die internationale Konkurrenz wegen des Aufwands für
die Wettkampfstätten und die Sportgeräte (Schlitten wie Pferde)
extrem überschaubar. In der Politik herrscht derweil die Tendenz vor,
die spärlichen Mittel auf solche vermeintlichen Medaillenbänke zu
konzentrieren, also die sprichwörtliche Gießkanne in die Ecke zu
stellen und den sonstigen Spitzensport auszutrocknen. Das kann nicht
der Weg sein. Die dringend notwendige Vorbildfunktion populärer,
breitenwirksamer Sportarten wie Leichtathletik oder Schwimmen bliebe
auf der Strecke. Das wohlfeile Motto "Zurück in die Zukunft" würde
indes ebenfalls in eine Sackgasse führen. Der die Nachkriegszeit
beherrschende Systemwettstreit zwischen Ost und West, der im
aktuellen Ringen der USA mit China um die olympische Dominanz eine
Renaissance erlebt, führte ja erst zu jenen Exzessen der
Leistungsmanipulation, die den Sport bis heute diskreditieren. Der
organisierte deutsche Sport steht nach Rio am Scheideweg. Die
donnernde Abfuhr aus der Bevölkerung für Sommer- wie Winterspiele im
Land hallt ohnehin nach. Positionierung tut not, womöglich auch
personeller Natur. Das betrifft primär die Zukunft des umstrittenen
DOSB-Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper. Die Nische ist de facto
bereits klar definiert: Deutschland will für sauberen, ehrlichen,
nachhaltigen Sport stehen. Dieses Gütesiegel gilt es national wie
international offen und offensiv zu kommunizieren, statt einen
Zweitwohnsitz im Schmollwinkel zu beziehen. Die Medaillenbilanz wäre
dann nur noch ein Randaspekt. Freilich braucht man für diese
Positionierung einen langen Atem. Aber der schadet im Sport
bekanntlich nie.



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Mittelbayerische Zeitung
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Telefon: +49 941 / 207 6023
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Datum: 12.08.2016 - 22:22 Uhr
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