Suchtforschung: Das Potenzial sozialer Interaktion
Suchtforschung entdeckt Potenzial sozialer Interaktion
(IINews) - Tiere ziehen den Kontakt zu Artgenossen dem Konsum von Drogen vor. – Das zeigen neurowissenschaftliche Studien, die erstmals die Wirkkraft sozialer Interaktion belegen und neue Therapieansätze ermöglichen.
Nach einem Gespräch mit dem besten Freund sieht die Welt wieder anders aus. – Wer diese Erfahrung gemacht hat, weiß, welche positiven Auswirkungen soziale Beziehungen auf das persönliche Empfinden haben können. Wie viel Potenzial tatsächlich im Austausch mit Gleichgesinnten steckt, wollen Innsbrucker Wissenschafterinnen und Wissenschafter nun anhand neurologischer Untersuchungen herausfinden. Im Tiermodell ist es der Neurobiologin Rana El Rawas in Zusammenarbeit mit Gerald Zernig und Alois Saria an der Medizinischen Universität Innsbruck bereits gelungen, die positive Wirkung von sozialer Interaktion bei Drogensucht nachzuweisen.
Natürliche Belohnung ist stärker
Die Nachwuchsforscherin an der Abteilung für Experimentelle Psychiatrie hat in aufwändigen Tests untersucht, was einerseits bei Drogenkonsum, andererseits bei sozialer Interaktion in bestimmten Bereichen des Gehirns passiert. Dabei zeigte sich, dass die beinahe gleichen Hirnareale im Bereich des Belohnungssystems aktiviert werden. Wie die Experimente belegen, war der Effekt von sozialer Begegnung dabei so stark, dass das Suchtgedächtnis sogar gelöscht werden konnte. Denn zur Wahl gestellt, bevorzugten die von Kokain abhängigen Tiere zunehmend Freunde statt Drogen. "Ziel unseres aktuellen Forschungsschwerpunktes ist, den Effekt von sozialer Interaktion auf molekularer Ebene zu untersuchen, um drogenabhängige Menschen über den Weg der positiven sozialen Erfahrung weg von der Sucht zu führen und diese Erkenntnisse auch in der Suchtprävention einsetzen zu können", erklärt Rana El Rawas.
Innovative Ansätze
Mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF untersucht die Neurobiologin nun die Mechanismen, die den positiven Auswirkungen von sozialer Interaktion zugrunde liegen. Dabei geht sie der Frage nach, welche Signalwege eine natürliche Belohnung wie "das Treffen mit einem Freund" im Vergleich zu einer Belohnung mit Drogen im Gehirn auslösen. – Damit verfolgt El Rawas einen neuen Ansatz, der den Fokus weg von den Gemeinsamkeiten hin zu den Unterschieden von natürlicher Belohnung und Belohnung durch Drogen legt. Denn die These der jungen Wissenschafterin lautet, dass die beiden Belohnungssysteme durch verschiedene neuronale Netzwerke vermittelt werden. Dabei untersucht das Innsbrucker Forscher-Team unter anderem die Bedeutung des Signalweges von CREB (response element binding protein), einem Protein, das bei der Wirkung von Drogen eine wichtige Rolle spielt. Auch ob die belohnenden Effekte von sozialer Interaktion ebenso lange anhaltend sind, wie die von Drogenkonsum, wollen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter dabei herausfinden.
Der Anti-Stress-Effekt
In einem weiteren derzeit laufenden FWF-Projekt konnte El Rawas zeigen, dass Hirnregionen auf soziale Interaktion mit einer verringerten Stressantwort reagieren. "Durch Spielen mit einem anderen Tier wird die Menge des Proteins p38, das bei Drogenkonsum, aber auch bei Stress oder Angst erhöht ist, reduziert", erklärt die Wissenschafterin. Diesen Anti-Stress-Effekt von sozialer Belohnung will El Rawas nun weiter untersuchen, indem sie die Rolle von p38 für das Stressverhalten und für Abhängigkeitserkrankungen aufzeigt und darüber hinaus noch mehr molekulare Faktoren im Gehirn entschlüsselt. "Dieses Wissen könnte neben der Entwicklung von effektiven Ansätzen in der Verhaltenstherapie auch neue Wege in der Entwicklung von Medikamenten gegen Sucht und andere psychische Erkrankungen eröffnen", sagt Rana El Rawas.
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Datum: 11.07.2016 - 11:46 Uhr
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