Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Doping: Doping ist nicht alles von Martin Anton
(ots) - Das Thema Doping rührt an den
Gerechtigkeitssinn. Der Athlet, der seine Leistung durch verbotene
Mittel verbessert, hat nicht "fair" gewonnen. Besonders ausgeprägt
ist diese Wahrnehmung bei Sportarten in dem die Leistung des
Einzelnen im Vordergrund steht: Wer als erstes 100 Meter hinter sich
gebracht hat oder am schnellsten den Berg hochradelt, ist ganz
eindeutig der Gewinner. Doch was brauchen Sportler für solche
Leistungen? Talent, Fleiß und Disziplin? Okay. Einen guten Trainer?
Ein Trainingsteam? Und es fallen noch weitere Voraussetzungen ein:
Eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit, gutes Equipment,
Reisefreiheit und so weiter. Den Begriff der Fairness und der
gleichen Voraussetzungen für alle Sportler auf das Doping zu
reduzieren wäre falsch. Es gibt viele Aspekte, vom Athleten selbst
beeinflussbar oder nicht, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden.
Nicht alle sind gerecht. Trotzdem ist die derzeitige Situation beim
Thema Doping unbefriedigend. Die Bereitschaft zur Kontrolle der
eigenen Athleten im eigenen Land oder im eigenen Verein sind sehr
unterschiedlich ausgeprägt. Im Fall Russlands ist inzwischen klar,
dass es sich um ein staatlich unterstütztes Doping-System handelt,
das dem Land den Bedeutungsverlust in einem weiteren Feld nach dem
Kalten Krieg wohl ersparen soll. Hinzu kommen die Verbände der
einzelnen Sportarten: Eine wirklich bedingungslose Aufklärung, ein
rigoroses Kontrollverhalten fördert wahrscheinlich eine größere Zahl
an Doping-Fällen zu Tage und schadet dem Image. Das Beispiel
Radfahren zeigt, dass das Thema eine ganze Sportart so erschüttern
kann, dass sie Gefahr läuft, nie wieder ernst genommen zu werden. Ein
hohes Risiko für die Funktionäre. Als eine Lösung für dieses
Kontrollgefälle wird von mehreren Seiten eine internationale
Institution gefordert, die weltweit für die Kontrolle und Sanktion
von Doping zuständig sein soll. Eine solche Organisation könnte
vielleicht staatlich unterstütztes oder toleriertes Doping in einigen
Ländern eindämmen. Doch leistungssteigende Mittelchen werden überall
genommen, freiwillig und auf eigenes Risiko. Ist also die Fixierung
auf den Erfolg schuld? Das Rampenlicht, in das die Medien
bereitwillig die Sieger rücken? Die Preisgelder, Werbeverträge,
Ablösesummen? Muss der professionelle Sport wieder weniger
professionell werden und die Wertschätzung der reinen sportlichen
Leistung erhöhen? Betrachtet man die Dopingstatistiken im
Amateursport, drängt sich die Meinung auf, dass Betrug und
Selbstbetrug nur schwer aus dem Sport herauszubekommen sind, auch
wenn es künftig Teilnehmerehrungen bei Olympischen Spielen und in der
Champions League gibt. Also Freigabe des Dopings? Lass es die
Mediziner ebenso austragen wie die Formel-1-Tüftler und die
Eisschlittenbauer? Schließlich kann jeder Mensch frei entscheiden,
was er seinem Körper zumuten möchte. Dass das nicht stimmt, zeigen
eben Dopingsysteme wie aktuell in Russland, früher der DDR, aber auch
in der BRD und den USA. Mal abgesehen davon, kann sicherlich nicht
jeder Sportler die gesundheitlichen Folgen jedes Medikaments wirklich
abschätzen. Voraussetzung für erfolgreiches, selbstbestimmtes Doping
wäre also ein Trainingsteam mit ausgeprägtem medizinischen Wissen,
dem der Sportler vertrauen kann. Klingt nicht nach mehr
Gerechtigkeit. Es gibt keine einfachen Lösungen beim Thema Doping. Es
wird den Sport immer begleiten, genauso wie andere Ungerechtigkeiten.
Alles, was man machen kann, ist zu versuchen, beides so gut
auszuschließen, wie es eben geht. Und nicht in einen zynischen
Fatalismus zu verfallen.
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Datum: 23.06.2016 - 21:57 Uhr
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