Cannabis hilft bei psychischen Erkrankungen
Immer mehrÄrzte entdecken das medizinische Potenzial für Cannabis und Cannabinoide in der Psychiatrie
(PresseBox) - Während der Konsum von Cannabis bislang vor allem mit der Verursachung psychischer Erkrankungen, insbesondere der Verursachung von Psychosen, in Verbindung gebracht wurde, wurde das therapeutische Potenzial bei psychischen Erkrankungen lange Zeit ausgeblendet. Das hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert. Jüngere Untersuchungen zeigen das enorme Potenzial der Cannabinoide THC und CBD, der wichtigsten Bestandteile von Cannabis, bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen.
Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter profitieren häufig sehr gut von Cannabis. Berichtet wird vor allem über die Verbesserung von Konzentration, des Schlafs und der Impulskontrolle.
Ähnlich häufig werden Cannabinoide bei Erwachsenen als Stimmungsaufheller eingesetzt. In jüngsten Arbeiten sprechen Wissenschaftler davon, dass Cannabinoide eine neue Klasse von schnell wirkenden Antidepressiva darstellen könnten.
Auch bei anderen schweren psychischen Erkrankungen kann Cannabis erhebliche Linderung bringen, so insbesondere bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). In einer israelischen Studie bewirkte THC eine statistisch signifikante Verbesserung der allgemeinen Symptomstärke, Schlafqualität, Häufigkeit von Albträumen und Symptomen einer verstärkten nervlichen Erregung. In einer kanadischen Studie wurden Cannabinoide als vielversprechend für eine Behandlung für Patienten mit sonst therapieresistenten Albträumen. Die Wirkungen beruhen vermutlich auf einem schnelleren Vergessen unangenehmer Erinnerungen.
Auch bei Zwangsstörungen konnten Cannabinoide erfolgreich eingesetzt werden. Zwangsstörungen sind Angststörungen, die durch belastende Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen gekennzeichnet sind. Cannabinoide haben den Vorteil einer guten Langzeitverträglichkeit.
Zuvor war der medizinische Nutzen von Cannabisprodukten vor allem bei körperlichen Erkrankungen wie chronischen Schmerzen, Spastik bei multipler Sklerose, Tourette-Syndrom sowie Appetitlosigkeit und Übelkeit bei Krebs untersucht worden.
Dieser Artikel ist Teil einer Aufklärungskampagne zur medizinischen Nutzung von Cannabis. Der gemeinnützige Verein ?Medical Cannabis Declaration (MCD)? auf der bekannten Plattform Indiegogo eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen, um Videos und Kurse in den wichtigsten zehn Weltsprachen für die Aufklärungskampagne zu finanzieren. Nach vier Wochen sind 17 % der Zielsumme von 85.000 ? erreicht. Unterstützen Sie ?Say Yes to Cannabis as Medicine?: www.indiegogo.com/projects/say-yes-to-cannabis-as-medicine--5
Die wichtigsten psychischen Erkrankungen, bei denen Cannabis und Cannabinoide helfen können, im Detail:
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
Die ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) des Erwachsenenalters ist eine häufige Indikation für die Nutzung von Cannabis. Insbesondere zur Therapie der Überaktivität bzw. der Impulskontrollstörung gibt es nur wenige Medikamente, nämlich Amphetaminderivate, Methylphenidat und Atomoxetin.
Etwa vier Prozent der Jugendlichen in entwickelten Ländern leiden an einer ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) oder einer ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Bei der Hälfte der Betroffenen bleiben die Symptome auch im Erwachsenenalter bestehen. Damit ist die Erkrankung eine relativ häufige chronische Erkrankung. Menschen mit ADHS sind unfähig, innerlich zur Ruhe zu kommen, und sind ständig in Bewegung. Sie neigen zu plötzlichen Gefühlsausbrüchen und anderen überschießenden emotionalen Reaktionen.
In einer Fallserie von 30 Patienten mit ADHS, die gegen konventionelle pharmakologische Behandlungen therapieresistent waren, wurde eine Verbesserung einer Vielzahl von Symptomen durch Cannabis beobachtet, darunter eine Verbesserung von Konzentration, Schlaf und Impulskontrolle. Nach der Studie nahmen acht der 30 Teilnehmer weiterhin Stimulanzien ein und kombinierten diese mit Cannabis, während 22 Patienten nur noch Cannabis allein verwendeten (Milz und Grotenhermen 2015).
Cannabinoide als schnell wirksame Antidepressiva
In einer Umfrage mit 1.131 Teilnehmern in den USA, die Cannabis für medizinische Zwecke einnahmen, waren die am häufigsten genannten Gründe für die Nutzung der Pflanze Schmerzen, Angst, Depressionen, Kopfschmerzen und Arthritis (Sexton et al. 2015). Seit Jahren waren in verschiedenen Tiermodellen für Depressionen die antidepressiven Eigenschaften von THC demonstriert worden. In klinischen Studien zur Untersuchung von Cannabiswirkungen auf belastende körperliche Erkrankungen wurde als Nebeneffekt wiederholt die stimmungsaufhellende Wirkung von THC beschrieben. In einer ausführlichen Übersicht zum Nutzen von Medikamenten auf Cannabisbasis zur Behandlung der Übelkeit und des Erbrechens im Rahmen einer Krebschemotherapie im British Medical Journal wurde die Stimmungsaufhellung, die in höheren Dosen bis zur Euphorie gehen kann, als erwünschte Nebenwirkung charakterisiert (Tramer et al. 2001).
Mehrere Studien fanden potenzielle Wirkmechanismen, wie THC und CBD gegen Depressionen wirken könnten: CBD könnte ein neues, schnell wirkendes Medikament darstellen, indem es sowohl serotonerge als auch glutamaterge kortikale Signalwege durch einen 5-HT1A-Rezeptor abhängigen Mechanismus verstärkt (Linge 2016 et al.).
Cannabinoide bei posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)
Als PTBS werden charakteristische Symptome nach einem schweren traumatischen Erlebnis bezeichnet. Auch wenn die posttraumatische Belastungsstörung häufig mit militärischen Einsätzen in Zusammenhang gebracht wird, basieren die meisten Fälle auf traumatischen Ereignissen in der Allgemeinbevölkerung wie beispielsweise körperlicher oder sexueller Missbrauch. Häufige Symptome sind Albträume, Schlafstörungen und Flashbacks.
Die Verwendung von Cannabis zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung ist in vielen Ländern noch weitgehend unbekannt. In Nordamerika sowie Ländern des Balkans und des Nahen Ostens ist diese Therapie hingegen weiter verbreitet. In Rhode Island, einer der 23 Staaten der USA, in denen Cannabis zu medizinischen Zwecken verwendet werden darf, wurden etwa 40 % aller staatlich registrierten Cannabis-Patienten eine Behandlung mit Cannabis ärztlicherseits wegen einer PTBS empfohlen.
Viele Patienten mit PTBS erzielen mit gegenwärtigen Behandlungsverfahren nur unzureichende Verbesserungen. Cannabis wird häufig als eine Behandlung bei therapieresistenten Patienten eingesetzt. In einer israelischen Studie bewirkte THC eine statistisch signifikante Verbesserung der allgemeinen Symptomstärke, Schlafqualität, Häufigkeit von Albträumen und Symptomen einer verstärkten nervlichen Erregung (Roitman et al. 2014). In einer kanadischen Studie an männlichem Militärpersonal mit PTBS, das trotz einer Standardmedikation weiterhin Albträume aufgrund von Traumata erlebte, fanden die Wissenschaftler, dass das verwendete Cannabinoid eine signifikante Linderung für Militärpersonal mit PTBS bewirkt hatte, was andeutet, dass es vielversprechend als eine klinisch relevante Behandlung für Patienten mit sonst therapieresistenten Albträumen ist (Jetly et al. 2015).
Tierexperimentellen Untersuchungen zufolge beruht die therapeutische Wirkung von Cannabinoiden bei der posttraumatischen Belastungsstörung auf einem schnelleren Vergessen unangenehmer Erinnerungen.
Cannabinoide bei Zwangsstörungen
Ärzte des Berliner Universitätskrankenhaus Charité berichteten in einem Beitrag für eine psychiatrische Fachzeitschrift von zwei Patienten, die an Zwangsstörungen litten und in der Klinik erfolgreich mit oralem THC behandelt worden waren. Beide hatten in wochenlangen Therapieversuchen nicht oder nicht ausreichend auf andere verfügbare Medikamente angesprochen.
Zwangsstörungen sind Angststörungen, die durch belastende Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen gekennzeichnet sind. Die Gedanken und Handlungen, wie beispielsweise Waschzwang, werden von den Betroffenen zwar als quälend empfunden, müssen aber dennoch umgesetzt werden. Zu den Zwangshandlungen zählen beispielsweise der Waschzwang (Reinlichkeitszwang) oder die ständige Überprüfung von bestimmten Dingen wie Herdplatten oder Türschlössern (Kontrollzwang). Zwangsstörungen können sehr belastend sein und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung der westlichen Industriestaaten leiden an Zwangsstörungen. Die Ärzte aus Berlin weisen in ihrem Artikel daraufhin, dass THC gut vertragen wurde und dass insbesondere keine Verschlechterung der Schizophrenie bei dem einen Patienten oder der Depressionen bei dem anderen Patienten auftraten (Schindler er al 2008).
Eine spezielle Form der Zwangsstörung stellt die Trichotillomanie dar, die durch den Zwang, sich die eigenen Haare herauszureißen, charakterisiert ist, was zu einem merklichen Haarverlust, psychischer Belastung und sozialen Beeinträchtigungen führt. Psychiater der Universität von Minnesota in Minneapolis (USA) veröffentlichten Ergebnisse einer klinischen Studie mit 14 Frauen, die mit THC behandelt worden waren. Neun der Teilnehmerinnen sprachen auf die Behandlung an, mit einer deutlichen Verbesserung der Symptome. Die Autoren folgerten, dass eine pharmakologische Modulierung des Cannabinoidsystems nützlich bei der Behandlung einer Anzahl von Zwangsstörungen sein könnte (Grant et al. 2011).
Quellen der genannten wissenschaftlichen Arbeiten:
- Grant JE, Odlaug BL, Chamberlain SR, Kim SW. Dronabinol, a cannabinoid agonist, reduces hair pulling in trichotillomania: a pilot study. Psychopharmacology (Berl) 2011;218(3):493-502.
- Jetly R, Heber A, Fraser G, Boisvert D. The efficacy of nabilone, a synthetic cannabinoid, in the treatment of PTSD-associated nightmares: A preliminary randomized, double-blind, placebo-controlled cross-over design study. Psychoneuroendocrinology 2015;51:585-8.
- Linge R, Jiménez-Sánchez L, Campa L, Pilar-Cuéllar F, Vidal R, Pazos A, Adell A, Díaz Á. Cannabidiol induces rapid-acting antidepressant-like effects and enhances cortical 5-HT/glutamate neurotransmission: role of 5-HT1A receptors. Neuropharmacology 2016;103:16-26.
- Milz E, Grotenhermen F. Successful therapy of treatment resistant adult ADHD with cannabis: experience from a medical practice with 30 patients. Abstract book of the Cannabinoid Conference 2015, September 17-19, Sestri Levante, Italy, page 85.
- Roitman P, Mechoulam R, Cooper-Kazaz R, Shalev A. Preliminary, open-label, pilot study of add-on oral ?9-tetrahydrocannabinol in chronic post-traumatic stress disorder. Clin Drug Investig 2014;34(8):587-91.
- Schindler F, Anghelescu I, Regen F, Jockers-Scherubl M. Improvement in refractory obsessive compulsive disorder with dronabinol. Am J Psychiatry. 2008 Apr;165(4):536-7.
- Sexton M, Finnell J, Stefano J, Mischley LK. An international survey of medical cannabis use: use patterns and health effects. Abstract book of the Cannabinoid Conference 2015, September 17-19, Sestri Levante, Italy, page 38.
- Tramèr MR, Carroll D, Campbell FA, Reynolds DJ, Moore RA, McQuay HJ. Cannabinoids for control of chemotherapy induced nausea and vomiting: quantitative systematic review. BMJ 2001;323(7303):16-21.
Dieser Artikel wird durch eine laufende Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo ermöglicht. Bitte unterstützen Sie das Projekt auf www.indiegogo.com/projects/say-yes-to-cannabis-as-medicine--5
Das Ziel dieser Aufklärungs-Kampagne besteht darin, Patienten einen besseren Zugang zu Cannabis als Medizin zu ermöglichen. Nur etwa zehn von 200 Ländern auf dieser Welt ermöglichen ihren Bürgern eine medizinische Nutzung von Cannabis. Weitere 20 Länder haben gesetzliche Grundlagen, die Cannabis-basierte Medikamente in Sonderfällen ermöglichen und in über 150 Ländern gibt es weiterhin keinen legalen Zugang zu dieser Medizin.
Besonderer Dank gilt den Platinum-Spender der Crowdfunding-Kampagne Dr Bronner?s (USA) und den Silber-Spendern Green Snake Hemp Juice (Deutschland), HempConsult (Deutschland) und MH medical hemp (Deutschland). Weitere Spender sind sehr willkommen.
Den Fortschritten der Aktion kann man auf Twitter unter dem Haschtag #YestoMedicalCannabis folgen.
Über Medical Cannabis Declaration e.V. (MCD)
Eine Gruppe aus Medizinern und Patienten hat den gemeinnützigen Verein ?The Cannabis Delcaration (MCD)? gegründet, um die Anerkennung von Cannabis als Medizin zu fördern und als medizinisches Recht einzufordern.
Der gemeinnützige Verein MCD wurde von weltweit führenden Medizinern und Patienten am 16. Februar 2013 in Rüthen ins Leben gerufen, die davon überzeugt sind, dass der Zugang zu Cannabis als Medizin nicht durch Geographie bestimmt sein sollte. Ziel ist die weltweite Förderung der sicheren und regulären Verschreibung und Nutzung von Cannabis als Medizin. MCD ist Teil einer wachsenden Bewegung, die die negative Wahrnehmung von Cannabis ändern und die Anerkennung seines medizinischen Nutzens sicherstellen will. Die MCD stützt sich ausschließlich auf wissenschaftliche Studien zur medizinischen Nutzung der Cannabispflanze.
Weitere Informationen unter www.medical-cannabis-declaration.org
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Datum: 19.05.2016 - 15:20 Uhr
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