Westfalen-Blatt: zur»Lügenpresse«
(ots) - »Kognitive Dissonanz« nennen Wissenschaftler die
verständliche Neigung des Menschen, nur das für wahr zu halten, was
ihre Meinung unterstützt. Wir sehnen uns nach Klarheit und
Verlässlichkeit, aber die gibt es in der hochkomplexen, modernen
Gesellschaft immer seltener. Die Flut von sich teilweise
widersprechenden Informationen erschwert die Orientierung und
fördert Misstrauen und Verschwörungstheorien. Sie verfangen in
aufgeregten Zeiten umso schneller - wie jetzt in der sogenannten
»Flüchtlingskrise« mit ihrem ungewissen Ausgang. Zielscheibe des
Misstrauens und Endpunkt der Suche nach den Schuldigen ist meist das
»Establishment« aus den alten Parteien, und zum »System« werden immer
häufiger die Journalisten hinzugerechnet. Ihnen werfen Teile der
Bevölkerung aktuell eine zu große Nähe zur Merkel-Regierung vor. Sie
stellten den Flüchtlingszustrom zu positiv dar und verschwiegen die
Schattenseiten, heißt es. Der Vorwurf der einseitigen
Berichterstattung ist nicht neu, er hat aber durch das Schlagwort
»Lügenpresse« eine neue infame Dimension bekommen. Wer wie »Pegida«
und andere rechte Gruppen den Kampfbegriff aus der NS-Zeit verwendet,
will eine tragende Säule einer freien Gesellschaft beschädigen und
unterstellt Journalisten pauschal, die Wahrheit zu verdrehen.
Journalisten haben jedes Recht, sich gegen solche böswilligen
Unterstellungen zu wehren. Wenn sich Politiker hierzulande regelmäßig
darüber beschweren, dass Medien angeblich zu kritisch über sie
berichten, ist das ein gutes Zeichen und das Gegenargument zur
angeblichen Kumpanei mit dem »Establishment«. Zuletzt lobte Angela
Merkel die hohe Qualität der deutschen Lokalzeitungen und
Bundespräsident Joachim Gauck nannte den Begriff »Lügenpresse« eine
Diffamierung. Damit wollten sie deutlich machen, dass freie Medien
ein unerlässlicher Bestandteil der Demokratie sind. Das heißt nicht,
dass Journalisten keine Fehler machen. In der
Ukraine-Berichterstattung verfielen sie schnell in Schwarzweißdenken:
hier der imperialistische Putin und die aggressiven »prorussischen
Separatisten«, dort die gute EU und Nato, die arme Ukraine und ihre
Freiheitskämpfer. Die Wahrheit ist vielschichtiger. Der Sturz des
ukrainischen Präsidenten Janukowitsch Anfang 2014 war ein
Staatsstreich mit starker Beteiligung militanter Rechtsextremisten.
Einseitige und falsche Berichterstattung müssen sich Medien vorhalten
lassen, und sie müssen das selbst zum Thema machen. Menschen sehnen
sich nach Klarheit und Journalisten können dazu beitragen. Die
allermeisten bemühen sich redlich und haben es deshalb nicht
verdient, ausgerechnet von denen, die nur eine Meinung gelten lassen,
als »Lügenpresse« diffamiert zu werden.
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Datum: 18.05.2016 - 21:00 Uhr
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