Rheinische Post: Sechs Lehren aus der Silvesternacht
(ots) - von Michael Bröcker
Die Nation ist in Aufruhr. Die massiven Übergriffe auf Frauen in
Köln, begangen mehrheitlich von jungen Männern aus dem Ausland,
heizen die Debatte über Flüchtlinge und Fremde an. Alles wird mit
allem vermischt. Vorurteile verstärkt. Was nun? Erstens: Maß halten.
Der heißen Wut mit dem kühlen Verstand begegnen. Differenzieren.
Reflektieren. Das waren schreckliche Taten von schrecklichen Männern.
Sie gehören bestraft. Aber das Fundament einer freiheitlichen
Gesellschaft ist nicht bedroht. Zweitens müssen Politik, Polizei,
Medien künftig verstärkt darüber reden, was ist, anstatt zu
überlegen, was nicht sein darf. Täterprofile und Motivforschung
müssen öffentlich gemacht werden, auch wenn es politisch heikel
erscheint und die Wahrheit von einem bestimmten politischen Lager
instrumentalisiert werden könnte. Nur was wir kennen, können wir
bekämpfen. Libanesische Clans, Klau-Banden vom Balkan, kriminelle
Flüchtlinge aus Nordafrika, deutsche Hooligans. Wenn der Hintergrund
der Täter für die Erklärung, Einordnung und vor allem für mögliche
Präventionsmaßnahmen und Strafverfolgung relevant sein kann, muss er
benannt werden. Ohne Schaum vor dem Mund. Ohne plumpe
Pauschalisierung. Nicht jeder Flüchtling ist ein Vergewaltiger. Nicht
jeder Muslim ein Frauenhasser. Natürlich nicht. Die Tat begeht eine
Person, keine Nationalität. Justitia ist schließlich farbenblind.
Genauso gilt aber: Nicht jeder, der die offenherzige
Flüchtlingspolitik kritisiert, ist ein dumpfer Rechter. Maß halten
gilt auch in der Diskussion. Drittens muss sich diese Nation ehrlich
machen, was ihren Umgang mit Zuwanderern betrifft. In der
Integrationspolitik wurden gravierende Fehler gemacht. Die rosarote
Multikulti-Welt von SPD und Grünen hat ihr Ende in den grauen
Vorstadt-Ghettos gefunden. Parallelwelten, auch Angsträume sind real.
Das muss wirksam bekämpft werden. Integration ist Fördern und
Fordern. Das kann auch der Maßstab in der Flüchtlingspolitik sein.
Ein Konsens ist nach Köln bereits gefunden: Wer straffällig wird,
muss das Land verlassen. Das ist nicht inhuman, sondern konsequent.
Mittelfristig braucht es aber auch ein Einwanderungsgesetz, einem
Gesellschaftsvertrag, in dem steht, wen wir wollen und wen nicht.
Viertens muss die Mehrheitsgesellschaft die Werte, für die sie
einsteht, leidenschaftlicher, öffentlicher und verbindlicher
einfordern. Es bringt nichts, wenn am heimischen Küchentisch über den
frauenverachtenden, patriarchalen Islam hergezogen wird, aber der
Dialog mit dem Muslim im Sportverein oder in der Kantine verweigert
wird. Kopf runter, wegducken, einigeln, verschärft die Spannung
zwischen Inländern und Ausländern. Dialog aber baut Vorurteile ab.
Immer. Wer sich beispielsweise die Schicksale von Flüchtlingen
anhört, wer mit ihnen spricht, weiß, dass viele Schutzsuchende in
guter Absicht kommen. Sie wollen Frieden und Freiheit, nicht deutsche
Frauen begrapschen. Diese Fremden sind im Kampf gegen jene, die unser
Gastrecht missbrauchen, die unsere Autoritäten verhöhnen und ihre
Steinzeit-Vorstellungen von Mann und Frau hier ausleben wollen,
unsere besten Verbündeten. Fünftens müssen wir wissen, dass der Weg
der Integration mühsam ist. Abschottung wäre leichter. Zäune werden
schneller auf- als Vorurteile abgebaut. Langfristig profitiert
Deutschland aber von einer klugen Einwanderungspolitik. Historiker
können belegen, dass Zuwanderung Wohlstand fördert. Es dauert nur, es
ist anstrengend. Die USA beweisen dies. Sechstens muss diese
Gesellschaft wieder den Respekt vor dem Andersdenkenden, die
Gelassenheit im Diskurs und das Zutrauen in den Zusammenhalt finden.
Man darf auch in der digitalen Welt zuhören, überlegen, bevor man
sich äußert. Man darf sogar mal schweigen. Das Merkel''sche "Wir
schaffen das" hat der heilige Franz von Assisi viel besser
formuliert. "Ein Mensch mit gütigem, hoffenden Herz fliegt, läuft und
freut sich. Er ist frei."
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Datum: 10.01.2016 - 20:09 Uhr
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