Stefan Schäfer: »Das Rätsel von Oaks Cross«
In seinem Roman »Das Rätsel von Oaks Cross« entführt Stefan Schäfer seine Leser ins viktorianische England
(IINews) - Bevor die Redakteure der Literaturplattform www.leserkanone.de ein Buch rezensieren, durchstöbern sie üblicherweise erst einmal das Internet, um einige zusätzliche Hintergrundinformationen aufzuspüren, die nicht selbst im Buch aufgeführt wurden. Dass sie dabei mal ein Buch in die Hände bekommen würden, das auf Anhieb nur zehn Suchtreffer zu Tage fördert, hätten sie sich nicht träumen lassen. Und dennoch ist es nun soweit gekommen, denn über »Das Rätsel von Oaks Cross" aus der Feder von Stefan Schäfer war tatsächlich so gut wie gar nichts zu finden. Ein echter Geheimtipp womöglich? Die Leserkanoniere haben hiere Mitarbeiterin Karoline darauf angesetzt, einmal herauszufinden, ob es sich tatsächlich um ein Kleinod im Verborgenen handelt:
Die Voraussetzungen schienen gut, da der 1982 geborene Stefan Schäfer als Musiker, bekennender Anarchist und Mitglied der PARTEI per se ein paar Grundmerkmale mitbrachte, die ihn aus der breiten Masse an Autoren ein Stück weit herausschimmern ließen. Da man - zumindest aus Sicht einer Außenstehenden wie mir - in Halle an der Saale vermutlich nicht viel mehr brauchbare Dinge machen kann als alle vier Wochen den Poetry Slam im »Turm« der Moritzburg zu besuchen, war es kein Wunder, dass der dort lebende Schäfer seine Zeit ins Schreiben investierte und zum freien Autor wurde. Vor rund zwei Jahren erschien der von ihm in Eigenregie veröffentlichte Roman »Das Sandyford Mystery", zuvor veröffentlichte er Beiträge auf der inzwischen eingestellten Content Farm Suite101.com.
»Das Rätsel von Oaks Cross« erschien im Juni diesen Jahres im Schauermärchen Verlag, einer kleinen Bücherschmiede aus Berlin, die seit vier Jahren existiert und sich dabei ganz auf das Genre der Gothic Novels konzentriert hat. Selbst für einen Kleinverlag dürfte der Schauermärchen Verlag besonders klein sein, denn es werden lediglich zwei bis drei neue Veröffentlichungen pro Jahr publiziert. Was umso mehr optimistisch stimmte, denn ein Verlag, der sich auf so wenige Bücher konzentriert, ist zwangsläufig gezwungen, eine gute Vorauswahl zu treffen. »Das Rätsel von Oaks Cross" ist rund 250 Seiten lang und laut der Facebook-Seite zum Buch sowohl als E-Book als auch Taschenbuch erhältlich. Leider gelang es mir nicht, herauszufinden, wie man an die digitale Version gelangt. Die Taschenbuch-Version jedenfalls kostet 12,90 Euro und kann unter anderem bei Amazon und beim Verlag selbst (offenbar nur per E-Mail) bezogen werden. Falls ihr einen Buchhändler eures Vertrauens haben solltet und einen kleinen Verlag und hoffnungsvollen Autoren unterstützen möchtet, könnt ihr diesem ja mal die ISBN-Nummer 978-3-943002-09-6 mitteilen - vielleicht findet das Buch dadurch ein bißchen mehr Verbreitung.
Doch zum Buch selbst: Beim »Rätsel von Oaks Cross« handelt es sich um einen historischen Kriminalroman, der die Leser mit ins viktorianische England des 19. Jahrhunderts nimmt. Am 8. Oktober des Jahres 1838 brechen die Geschwister Anthony und Melody Bansley in London mit einer Droschke auf, um nach Canterbury zu reisen, um ihren Vater für einige Tage zu besuchen. Statt bei ihrem Vater landen sie jedoch nach drei Tagen in den Wäldern von Oaks Cross in einem Gasthof, der einen andere als guten Eindruck hinterlässt und stattdessen »einer Todesinsel gleicht« (Seite 41). Anthony geht es nicht sonderlich gut, da er eine recht anfällige Person ist und ihm zusätzlich die Temperaturen zugesetzt haben (ob in einem englischen Oktober tatsächlich so etwas wie »Hitzeglut« herrschen kann, wie im Buch erwähnt, sei einmal dahingestellt). So kommt es, dass er und seine Schwester Halt machen. Konfrontiert werden sie von einem Wirt, der nicht gerade von besten Absichten getrieben ist - aber was in den Wäldern um Oaks Cross alles geschieht, lässt sich da noch nicht erahnen.
Bevor ich zur allgemeinen Lobhudelei ansetze, seien erst einmal die beiden Punkte vorangeschoben, die mich gestört haben. Zur ersten Sache muss ich ein wenig ausholen: Es gibt in der Buchwelt und unter Leuten, die Bücher vermutlich nicht zum Zwecke der guten Unterhaltung lesen, sondern um sie in erster Linie kritisch beäugen zu können, die absurde These, man solle so wenige Adjektive wie möglich verwenden. Sofern sie nicht der eindeutigen Unterscheidung oder Wertung dienen, seien sie unnötige Füllwörter, die den Text nur in die Länge ziehen und die Lesequalität einschränken. Einige dieser Kritiker vertreten gar die Ansicht, dass es ein Zeichen nicht vorhandener schriftstellerischer Qualität sei, wenn ein Autor mehr als zwei oder drei Adjektive pro Seite verwendet. In der Regel ist diese Theorie völliger Nonsens, und wer sich ernsthaft mit so etwas beschäftigt oder gar Adjektive zählt, der verdeutlicht eher seine nicht vorhandene Qualität als Buchkritiker.
Warum schreibe ich das aber jetzt? Ich schreibe es, weil »Das Rätsel von Oaks Cross« der erste Roman ist, bei dem ich selber den Eindruck hatte, dass es der Autor mit den Adjektiven übertrieben hat. Das ging schon beim Klappentext los, als beispielsweise innerhalb von lediglich zwei Sätzen (!) von einem »arglistigen« Wirt in einer »lausigen« Wirtschaft, einem »schauderhaften« Mythos, einer »mürrischen« Atmosphäre und einem »dubiosen« Wirtshaus die Rede war (und es in diesem Stil weiterging). Ich kann nicht genau sagen, ob ich von diesem Moment an einen vorgefertigten Eindruck hatte und deshalb beim Lesen des Buches bei jedem Adjektiv besonders intensiv hinschaute, jedoch überkam mich der Eindruck, dass es teilweise so oft so gehandhabt wurde, dass es nicht wie vermutlich erhofft kunstvoll wirkte, sondern geradezu parodistische Züge annahm. Nämlich etwa in dem Moment, in dem eine »adrette« Eisenbahn (bitte was!?) zum Stehen kam. Für mich war der Lesefluss dadurch tatsächlich gestört. Dazu trugen auch ein paar unnötig umständliche Formulierungen bei, so hätte es beispielsweise nicht geschadet, statt von »auditivem Wahrnehmen« einfach vom »Hören« (Seite 100) zu sprechen. ;) Man gewöhnt sich im Laufe der Zeit daran, aber immer dann, wenn ich das Lesen mal ein Weilchen unterbrochen habe und dann weitergemacht habe, musste ich mich erst einmal aufs Neue in diesen Stil »hineinlesen«.
Der zweite Kritikpunkt betrifft den Buchsatz. Dadurch, dass der Roman in weit auseinanderstehender anderthalbzeiliger oder gar zweizeiliger Schrift gedruckt wurde und es keine Einzüge an den Absatzanfängen gibt, erinnert er optisch ein bißchen arg an ein Manuskript und nicht an eine endgültige Printform. Oder an eine wissenschaftliche Arbeit, wozu auch die vielen Fußnoten beitragen. Die wenigen Stellen mit »normalem« einzeiligen Absatz, gut zu erkennen an einem vorläufigen Polizeibericht, der zwischenzeitlich eingeschoben wurde (Seite 135 f.), hinterlassen da einen viel weniger gewöhnungsbedürftigen Eindruck. Meines Erachtens hätte man das die ganze Zeit so handhaben sollen, was auch den Vorteil gehabt hätte, dass man Platz gespart hätte und der Druck günstiger gewesen wäre. ;)
Doch genug gehadert, denn womöglich habe ich allein mit diesen beiden Kritikpunkten schon den Eindruck erzeugt, das Buch sei kein gutes, und das war gar nicht mein Ziel. Im Gegenteil: »Das Rätsel von Oaks Cross« bietet definitiv gute Unterhaltung. Stefan Schäfer hat eine Geschichte konzipiert, die auf ihre Weise ungewöhnlich ist und heraussticht. Er erzählt mit einer gewissen Distanz zu seinen Figuren und der Handlung, ohne dass dies zu Lasten der Intensität und der Wirkung des Ganzen geht. Das Buch funktioniert nicht etwa dadurch, dass man sich als Leserin tief in die Charaktere einfühlt und mit ihnen fiebert, sondern durch die Buchidee selbst, durch die schauerliche Atmosphäre und die Kraft von Schäfers Worten, vor allem aber durch die Düsternis des Geschehens. Der Verlag selbst bewirbt die Geschichte unter anderem als »exzentrisch«, und das beschreibt das Buch insgesamt eigentlich perfekt: So, wie eine exzentrische Person auf den ersten Blick vielleicht merkwürdig und unzugänglich erscheint, nach dem Blick hinter die Fassade jedoch mehr offenbart als so mancher handelsüblicher Otto Normalmensch, so entblättert sich hier nach der Gewöhnung an den anfangs merkwürdig anmutenden Stil ein fesselndes Stück Literatur.
Handwerklich kann man ansonsten nichts aussetzen. Das Setting ist stimmig, das Tempo vielleicht nicht übertrieben rasant, aber für einen historischen Kriminalroman genau richtig dosiert, die Charakterzeichnung in Ordnung. Die Verwendung von Fußnoten mag für einen Roman in dieser Häufigkeit vielleicht ein wenig ungewöhnlich sein, allerdings sind die Anmerkungen durchaus an hilfreichen Stellen gesetzt, und sie bieten über das eigentliche Textverständnis hinaus auch Informationen, die in Erinnerungen bleiben. Dass zum Beispiel über den Anonymous-Maskenpaten Guy Fawkes scherzhaft gesagt wird, er sei der einzige Mann, der das britische Parlament jemals mit ehrbaren Absichten betreten hat, fand ich eine äußerst originelle Randnotiz, und ich werde sie sicherlich nicht so schnell vergessen. Das Lektorat, das offenbar von der Verlagschefin selbst durchgeführt wurde, ist ebenfalls gelungen, sieht man einmal von Kleinigkeiten ab, bei denen absolut nachvollziehbar ist, dass man sie auch beim wiederholten Studieren des Textes überlesen konnte, etwa »Intension« statt »Intention« (Seite 32). Was nebenbei bemerkt auch kein Rechtschreibprogramm hätte finden können, da beide Begriffe existieren.
Kurzum: »Das Rätsel von Oaks Cross« ist ein Roman, an den man sich zwar aufgrund des Schriftbildes und der merkwürdigen Schwemme an Adjektiven zunächst einmal gewöhnen muss, der aber auf jeden Fall lesenswert ist und dem man eine Chance geben sollte. Das Buch ist ganz anders als »typische« historische Kriminalromane im Stile von Oliver Pötzschs Henkerstochter und dergleichen, eigenständig und gelungen. Typischerweise würde ich bei einem Roman wie diesem schreiben, man solle am besten zunächst bei Amazon die Funktion »Blick ins Buch« verwenden, um zu überprüfen, ob man mit dem Stil klarkommt und dann zugreifen, wenn man sich damit arrangieren kann, da der Rest des Buchs vollauf überzeugt. In diesem Fall gibt es leider keinen »Blick ins Buch«, weswegen ich euch stattdessen die Webseite auf der Webseite des Schauermärchen Verlags empfehle. Schaut mal rein, und wenn ihr etwas mit dem Stil anfangen könnt, dann schlagt zu, denn das Buch hat es verdient.
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Datum: 20.12.2015 - 22:10 Uhr
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