Wie gefährlich ist die Wurst tatsächlich? Darmkrebs-Experte Prof. Dr. Friedrich Hagenmüller zur WHO-Studie (FOTO)
(ots) -
Mit ihrer Veröffentlichung einer aktuellen Zusammenfassung von
rund 800 verschiedenen Studien im renommierten Medizin-Journal "The
Lancet" sorgt die Weltgesundheitsorganisation WHO derzeit für
Aufregung. Der Verzehr von 50 Gramm verarbeitetem Fleisch wie Wurst
oder Schinken pro Tag erhöht danach das Darmkrebsrisiko um 18
Prozent. Damit gehören Wurstaufschnitt und Schinken in die gleiche
Kategorie krebserregender Substanzen wie Zigaretten, Asbest und
Dieselabgase. Auch rotes Fleisch erhöht nach den WHO-Daten die
Krebsgefahr, auch wenn dieser Zusammenhang nicht so eindeutig ist wie
bei dem verarbeiteten Fleisch. Welche Schlüsse Verbraucher daraus
ziehen sollten, erläutert Prof. Dr. Friedrich Hagenmüller, Chefarzt
der Gastroenterologie in der Asklepios Klinik Altona (Hamburg).
Wie ernst ist diese Warnung zu nehmen?
Die Hinweise auf eine erhöhte Krebsgefahr durch Fleischprodukte
sind nicht neu und werden in der Fachwelt seit Jahrzehnten
diskutiert. Aber wenn die Weltgesundheitsorganisation die Daten in
dieser Form zusammenträgt und eindeutige Schlüsse daraus zieht,
bedeutet das eine neue Qualität und verschafft dem Thema mehr
Aufmerksamkeit. Dass verarbeitetes Fleisch, also gesalzenes,
gedörrtes, geräuchertes, fermentiertes oder anderweitig verändertes
Fleisch das Darmkrebsrisiko erhöht, müssen somit auch die Hersteller
solcher Produkte anerkennen. Rotes Fleisch wurde als "wahrscheinlich
krebserregend" eingeordnet, hier ist die Beweislage also nicht so
eindeutig.
Wie hoch ist das Risiko für den Einzelnen?
Für den einzelnen Verbraucher ist das Risiko, nur aufgrund seines
Fleischkonsums Darmkrebs zu entwickeln, klein. Das sogenannte
Lebenszeitrisiko an Darmkrebs zu erkranken liegt bei fünf Prozent.
Wer täglich 50 Gramm Wurst isst, erhöht es also auf knapp sechs
Prozent. Man muss aber sehen, dass die Wurst nur ein Puzzlestein ist,
der im Zusammenspiel mit weiteren Risiken wie familiärer Belastung,
Übergewicht, Diabetes, Rauchen und chronischen Darmerkrankungen zu
Darmkrebs führt. Einem 60-Jährigen den Teller wegzunehmen, wenn
Fleisch der einzige Risikofaktor ist, macht also keinen Sinn. Das
muss man mit Augenmaß betrachten. Gesellschaftlich betrachtet ist der
hohe Fleischverbrauch aber ein relevantes Problem. Da das Risiko mit
der verzehrten Menge steigt, ließe sich durch die Reduzierung des
Fleischverzehrs schon viel erreichen.
Leben Vegetarier gesünder?
Ja, das haben schon viele Studien gezeigt. Vegetarier haben nicht
nur ein geringeres Krebsrisiko sondern leiden auch seltener an
Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Übergewicht und anderen
Zivilisationskrankheiten. Sogenannte Pescetarier, die neben
vegetarischer Ernährung auch Fisch essen, haben die längste
Lebenserwartung, gefolgt von Vegetariern und Veganern. Am
schlechtesten schneiden Menschen ab, die große Mengen Fleischprodukte
konsumieren. Das hat die WHO ja nun auch bestätigt. "Radikale"
Vegetarier entwickeln aber nicht selten einen Eisenmangel, wenn sie
nicht auf eine ausgewogene Ernährung achten. Wer hin und wieder ein
bisschen Fleisch isst, hat damit keine Probleme.
Wie soll ich mich als Verbraucher verhalten?
Grundsätzlich muss man sich bei jedem vermeidbaren Risiko fragen,
ob man es persönlich eingehen möchte oder nicht. Das gilt für jede
Zigarette genauso wie für die Wurst. Der Verzicht auf Fleisch alleine
schützt nicht vor Krebs, man sollte alle Risikofaktoren im Auge
behalten. Generell sollte man in allem das Übermaß vermeiden, das
gilt für den Fleischkonsum genauso wie für das Essen generell oder
bei Genussmitteln wie Alkohol und Tabak. Daneben sollte man
ausreichend schlafen und sich möglichst viel bewegen - dann ist man
auf einem guten Weg, sein Krebsrisiko im Griff zu behalten.
Was kann ich noch tun, um mein Darmkrebsrisiko zu senken?
Der beste Schutz ist die Darmkrebsvorsorge! Darmkrebs entwickelt
sich in der Regel über viele Jahre aus sogenannten Polypen, die bei
einer Darmspiegelung gefunden und entfernt werden können. Deshalb
sollte jeder Mensch mindestens einmal im Leben ab dem 55. Lebensjahr
eine Darmspiegelung durchführen lassen. Wir haben in Deutschland mit
den Stuhltests und dem Angebot der Darmspiegelung ein vorbildliches
Darmkrebsvorsorgeprogramm, um das uns andere Nationen beneiden und
das die Darmkrebsrate hierzulande bereits deutlich gesenkt hat und
weiter senkt. Die Hamburgerinnen und Hamburger sind bei der
Darmkrebsvorsorge übrigens Spitzenreiter: Hier haben in den vergangen
zehn Jahren fast 50 Prozent der Anspruchsberechtigten bereits eine
Darmspiegelung durchführen lassen.
Ein Foto von Prof. Hagenmüller liegt bei.
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Datum: 27.10.2015 - 13:45 Uhr
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