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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Heinz Gläser zu Fifa/DFB

ID: 1278771


(ots) - Doch, doch! Ein nächtlicher Abstecher per
Fernbedienung zu den einschlägigen Spartenkanälen lohnt. Egal, ob den
TV-Konsumenten chronische Schlaflosigkeit oder das rasende Interesse
am Fußballsport im Allgemeinen an den Fernsehsessel fesselt, er wird
zu später Stunde mit einem in den Stadien hierzulande gänzlich
unbekannten Anblick konfrontiert: Er sieht auf seinem Bildschirm
leere Sitzschalen und verwaiste Stehplatztribünen. Die wöchentliche
Spritztour von Eurosport & Co. durch die vermeintlichen "Topligen"
des Kontinents offenbart, dass deren Attraktivität oftmals gelitten
hat. Deutschlands oberste Spielklasse mag ja noch ein Hingucker sein,
Italiens Serie A ist es nur mehr bedingt. Von solchen Krisensymptomen
mal abgesehen: Fußball schien fürwahr ein Spiel ohne (ökonomische)
Grenzen zu sein. Die wahnwitzigen Summen, die in der vergangenen
Transferperiode aufgerufen und bezahlt wurden, sind noch allzu gut in
Erinnerung. Derzeit jedoch loten Funktionäre aller Ebenen und
jedweder Couleur mit einem - ihrer Arbeit ansonsten eher fremden -
Eifer vor allem die Grenzen der Leidensfähigkeit des gemeinen Fans
aus. Sie trampeln auf ihrem Premiumprodukt herum. Sie tun dies -
Fußballgott behüte! - nicht aus eigenem Antrieb. Wie stets im Sport,
der so gern auf seine geheiligte Autonomie pocht, müssen staatliche
Stellen und Instanzen den Willen zur Aufklärung anschieben. Was dabei
peu à peu ans Licht kommt, wirft riesige Schatten auf die Verweser
dieser Form der Leibesertüchtigung, seien sie in der Schweiz (Fifa,
Uefa) oder in Frankfurt am Main (DFB) ansässig. Dass der
Ethikkommission des Weltverbandes nun eine Selbstverständlichkeit
gestattet wird - nämlich die bestürzte Öffentlichkeit über ihre
Erkenntnisse zu informieren -, löst das nächste Beben aus.
Kassensturz im Selbstbedienungsladen: Hier und da fehlen ein paar




Millionen. Beziehungsweise keiner weiß mehr so genau, woher diese
stammten. Beziehungsweise keiner weiß, wofür sie bezahlt wurden.
Immer neue Abgründe tun sich auf. Abgründe, in denen allem Anschein
nach Unsummen verschwanden. Was zudem noch fehlt, ist das
Unrechtsbewusstsein bei den Beteiligten. Wo sollte es auch herkommen?
Wir reden von einer Branche, in der Gefälligkeiten und
Vergünstigungen zum Geschäftsmodell gehören. Wir reden von blutjungen
Menschen, deren Anwesenheit in einem Restaurant diese Lokalität so
sehr adelt, dass es ein Affront wäre, ihnen eine Rechnung zu stellen.
Wir reden von Stars, die es gewohnt sind, mit nichts als bloßer
Präsenz enorm viel Geld einzustreichen. Wir reden von Zuwendungen
aller Art, von Autos, Uhren usw. Uefa-Chef Michel Platini
beispielsweise hat ja nicht nur zu erläutern, warum sein opulentes
Beraterhonorar jahrelang nicht in den Fifa-Büchern aufschien.
Interessant wäre vielmehr auch zu wissen, welcher Art die Expertise
für den Ex-Busenfreund Sepp Blatter war, dass sie mit zwei Millionen
Franken so fürstlich honoriert werden musste. Und auf diesem Boden
soll ein Mentalitätswandel gedeihen? Schwer vorstellbar. Genauso
schwer vorstellbar übrigens wie der Gedanke, ausgerechnet und
ausnahmsweise bei der Vergabe des Sommermärchens 2006 sei alles mit
rechten Dingen zugegangen. TV-Legende Waldemar Hartmann hat in diesem
Zusammenhang eine treffende Frage formuliert: "Haben denn wirklich
die Deutschen geglaubt, dass wir diese WM bekommen haben, weil wir so
ganz besonders beliebt sind auf dieser Welt, weil wir so tolle Hechte
sind, weil wir so gut ausschauen, weil uns alle lieben zum
Niederknutschen?" Wohl kaum...



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Mittelbayerische Zeitung
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Telefon: +49 941 / 207 6023
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Datum: 21.10.2015 - 21:01 Uhr
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