„Die Kamera-Drohne ist das i-Tüpfelchen“
Die Kamera-Drohne hat die Welt des Filmes verändert. Dies ist der ideale Anlass, mit dem Filmemacher Daniel Demarez einen Blick auf die Zukunft des Industriefilmes zu werfen.
(IINews) - Daniel Demarez, Jg. 1983, leitet die Unit Film & Animation bei „Graustich – Agentur für Design, Strategie und Vision“. Neben Image- und Produktfilmen für Maschinenbaukonzerne realisiert Demarez aktuell kurze emotionale 3D Animationen für Unternehmen. Im Interview spricht der Filmemacher über Kreativität beim Film, die Arbeit mit Kamera-Drohnen und die Zukunft des Industriefilmes. Daniel Demarez lebt in Heidenheim und ist Vater zweier Söhne.
Herr Demarez, was macht für Sie einen Film-Spot kreativ?
Es ist die Idee. Nehmen wir das aktuelle „Deichkind-Musikvideo“ (Anm.: angesagte Hiphop und Electropunk-Formation aus Hamburg) zu ihrem aktuellen Song „Selber machen lassen“. Handwerklich ist es eine Katastrophe; es wackelt und ist voller Selfies, die nichts Edles oder Professionelles an sich haben. Aber es überzeugt durch die inhaltliche Idee. Das Schizophrene daran ist: Dieser Trash ist super.
In kurzer Zeit gewinnt Deichkind auf youtube mehr als 550 000 Likes. Warum funktioniert dieses Musikvideo in so beeindruckender Weise?
Weil es für die Zielgruppe witzig ist. Allein wenn ich daran denke, wie Smudo von den „Fantastischen Vier“ (Anm.: deutsche Hip-Hop-Band aus Stuttgart) in der Sauna sitzt und sich mit dem Handtuch auch noch Luft zu fächert – das ganze Video ist purer Spaß und schnell getaktet. So kannst du eher deine Fans mitreißen als mit einer aufwändig produzierten Drohnenfahrt über Las Vegas bei Nacht zu protzen. Ich mag aber keine witzigen Spielfilme. Komödien haben den bitteren Nachgeschmack, dass sie sich wie Kaugummi ziehen. Du hast immer Leerlaufphasen –das langweilt den Zuschauer.
Gelingt dieser Witz auch bei Industriefilmen?
Ich kenne keine Industrieunternehmen, die sich auf witzige Art darstellen möchten. Es ist ein sehr sensibles Thema bei den Verantwortlichen. Keiner traut sich, Humor zu zeigen – das ist zwar verständlich, aber auch schade. Vielleicht schafft es eine neue Generation, mehr Mut und Individualität diesbezüglich zu zeigen.
Wird Humor den Unternehmen überhaupt angeboten?
Man muss hier Spot und Imagefilm unterscheiden. Wenn es um Produktspots geht, schon eher. Wie die letzte FIAT-Werbung, als dem älteren Herrn die Viagra-Pille aus der Hand fliegt. Man zeigt natürlich niemals die Produktion eines FIATs, bei der den Arbeitern die Bohrmaschine herunterfällt.
Produktspots sind Vertreter von Produktwerten für bestimmte Zielgruppen. Ist ein Produkt für ein Unterhaltungsmilieu gemacht, darf es humorvoll und auf die Zwölf sein. Ein Produkt für das Niveaumilieu sollte sich gezielt bei den Werten dieser Zielgruppe aufhalten. Bei einem Imagefilm dagegen wird rein auf das Image, sprich die Unternehmenswerte, und auf besondere Leistungen und Alleinstellungsmerkmale geachtet – und welches Industrieunternehmen schreibt sich schon Humor auf die Fahnen?
Welche Rolle nehmen heute 3D-Animation bei einem Film ein?
Zuerst einmal muss der Part der 3D Animation von vorneherein in den Filmprozess eingeplant werden. Ich kann nicht nachträglich, weil ich das Gefühl hatte, dass der Schauspieler heute nicht so gut gespielt hat, sagen: „Wir lassen in der Postproduction im Hintergrund ein Auto explodieren“. 3D-Animation ist nur ein Werkzeug, um ein visuelles Ziel zu erreichen, das sonst zu aufwändig oder gar nicht erst realisierbar wäre. Das Innenleben einer laufenden Turbine kann man beispielsweise in der analogen Welt kaum darstellen. Unabhängig von der 3D-Animation sollte man als Filmemacher das Handwerk des Filmens gelernt haben, also schon einmal eine „echte“ Kamera in der Hand gehabt haben – bevor man mit „virtuellen“ Kameras wahllos herumspielt, denn da nützen auch die besten Effekte nichts.
Kommen wir zum Thema Drohnen. Sind Kamerafahrten mit einer Drohne eine Revolution in der Entwicklung des Mediums Films?
Ja. Früher bedeuteten Aufnahmen aus der Höhe einen Riesenaufwand. Die Zeiten ändern sich. Drohnen sind ab 1000 Euro zu haben und da ist sogar schon eine Kamera dran. Ich habe zum Beispiel noch nie mit einer Kamera für unter 2000 Euro gearbeitet. Die Drohne ist extrem günstig; sie erreicht eine Auflösung von 4K, was viele Optionen in der Postproduction ermöglicht, d.h. das Footage kann z.B. stabilisiert werden, um den Drohnen Flug noch „smoother“ zu machen – um es dann zusätzlich noch auf Full HD herunterzuskalieren. Mit hohen Frame-Rates sind sogar wunderschöne Slowmotion-Takes drin. Durch diese Kombination erhalte ich atemberaubende Aufnahmen. Zum Beispiel bei einer Hochzeit: Man sieht, wie das Paar aus der Kirche kommt – und dann geht die Drohne hoch und ich sehe die Hochzeitsgesellschaft, die Kirche und die Stadt von oben. Das sind Hammeraufnahmen. Dennoch – eine Drohne ist wie eine 3D-Animation auch ein Stilmittel. Man muss wissen, wann und wo man sie einsetzt und wann man andere Tools nutzt.
Ich glaube, die Drohnen werden eine große Zukunft bei Sportaufnahmen haben und Dokumentarfilme erschwinglicher machen. Die Hubschraubergeschichten in den Grand Canyons sind Vergangenheit. Heute fährt man mit dem Auto an einen Ort, parkt und macht mit seiner Fernsteuerung die Aufnahme kurz selber.
Was macht die Arbeit mit einer Drohne zu etwas Besonderem?
Die Drohne ist das i-Tüpfelchen. Drohnenaufnahmen sind nichts Alltägliches. Wer weiß schon, wie sein Dach aussieht? Oder sein Auto? Die Dächer bzw. die Sicht von oben, wird uns vorenthalten. Das ist ein Grund, warum Menschen gerne auf Türme steigen und die Aussage: „Nur Fliegen ist schöner“ kommt doch auch nicht von ungefähr.
In welchem Bereich ist die Drohne für Unternehmen interessant?
Unternehmen können zuerst einmal ihre Größe zeigen, wie beispielsweise die Schuck Group, für die wir gerade einen Imagefilm realisiert haben. Es ist doch fantastisch, zeigen zu können, wie groß das Firmengelände ist oder wie ein Unternehmen baulich strukturiert ist. Schuck liegt ziemlich zentral auf der Schwäbischen Alb. Wenn ich da mit der Drohne hochfahre, sehe ich noch Wiesen. Aber auch hier ist die Drohne ein Stilmittel. Man kann dynamische Aufnahmen voller Aktivität darstellen, die sonst sicherlich statischer wirken würden.
Gibt es überhaupt noch eine Zukunft für Regisseure, wenn man so etwas als „One Man Show“ realisieren kann?
Gute Filme und Spots entstehen im Team und nicht in den Kinderzimmern oder in Nachmittagsarbeit. Dieses Team muss zusammengestellt und gesteuert werden. Der Hauptjob eines Regisseurs ist aus meiner Sicht zunächst die Zusammenstellung eines guten Teams, das wie ein Uhrwerk läuft. Der Regisseur hat die Chefrolle – wie in einer Agentur, einer Firma.
Wo liegt neben dem Einsatz von Drohnen die Zukunft des Industriefilmes?
In der Fusion der zwei Welten, also der analogen Echtfilm-Welt und der digitalen, fiktiven Welt. Die Zukunft bringt sicherlich eine Zunahme an 3D-Animationen. Aber auch mit den neuen technischen Möglichkeiten, Action Cams, Drohnen, Slider, Software, Mini-Kameras, etc. entstehen Möglichkeiten, die als Stilmittel eingesetzt werden können. Apple wirbt zum Beispiel gerade mit Aufnahmen, bei denen auf einem Finger ein Brotkrümel liegt. Ein Vogel kommt in Zeitlupe herangeflogen und nimmt diesen Brotkrümel auf. Das wurde mit der Zeitraffer-Funktion des neuen iPhone 6 aufgenommen. Das ist bereits der neue Apple-Spot.
Wenn alles einfacher wird, woran erkennt man da noch professionelle Arbeit beim Film?
Nach wie vor an der Idee, die das Ziel verfolgt. Das lernt man leider nicht an den hoch dekorierten Filmhochschulen. Die Kunst, zu improvisieren zeichnet gute Leute vom Film aus. Ich kann ja jemandem nur so viel erklären wie er auch verstehen möchte, d.h., die Leidenschaft bzw. die Kreativität muss schon jeder selbst mitbringen, da man diese Werte einfach nicht lehren kann. Ich kann das beste Equipment haben und die beste Ausbildung – es kommt trotzdem oft nur Mist raus. Am Ende des Tages zählt die Idee und das handwerkliche Geschick, dieses auch umzusetzen und ich behaupte mal, dass sogar eine Laie, dem Endergebnis ansieht, ob da jemand sein ganzes Herzblut investiert hat oder nicht.
Es gibt immer neue technische Entwicklungen beim Film. Aus Ihrer Erfahrung heraus, welche Empfehlungen geben Sie dem Nachwuchs für den Einstieg in das Filmgeschäft?
Wie schon gesagt, neben einer guten Basis im analogen Bereich gilt zweitens: Wenn du etwas machst, dann mach es richtig! So oder so musst du doch Zeit investieren, d.h. dann mach es doch gleich richtig. Ich versteh auch ehrlich gesagt diese youtube Generation mit ihrem #TrauDirWasZu nicht. Sorry, was soll das? Wenn ich solche Aussagen höre wie: „Macht es einfach, das kommt erst später alles mit der Zeit, es muss nicht perfekt sein!“. Damit ist das Auftreten, d.h. die Sicherheit vor der Kamera, das Equipment, das Schnittprogramm usw., gemeint. Alles recht und schön, aber diese Kinder muss man vor sich selber schützen. Es kann doch nicht sein, dass sich mittlerweile Millionen von Kids im Internet, vor allem auf youtube, zu den Deppen der Nation machen.
Ich möchte nicht abschweifen, aber das widerstrebt doch allem was man in der Schule gelernt hat. Seine Hausaufgaben pünktlich und ordentlich erledigen, die Englisch Vokabeln Auswendig lernen. Ich meine, kein normaler Mensch geht doch unvorbereitet zu einem Vorstellungsgespräch. Doch aufgrund von #TrauDirWasZu muss es ja nicht perfekt oder fertig sein; es zählt ja nur, dass man es gemacht hat. Es tut mir echt leid, aber das ist absoluter Bullshit, mit „Lebe deinen Traum. Ich würde heute ohne Engagement keine Unit in einer Agentur leiten sondern wäre stattdessen in der Schlange beim Arbeitsamt und würde dort weiter meine Luftschlösser bauen.
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Der Graustich ist ein mehrfach prämiertes, interdisziplinäres Designbüro das seit dem Jahr 2000 namhafte, international tätige Konzerne betreut.
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Datum: 09.07.2015 - 12:19 Uhr
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