Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Varoufake
(ots) - »It appears to be real.« Sieht so aus, als sei
es die Wirklichkeit. Sagt der Creative Director Video bei der
»Bild«-Zeitung. In einem Video auf Youtube. Schade, dass das Video
eine frei erfundene Geschichte transportiert. Hauptsache: It appears
to be real. Wenn man die deutsche Medienlandschaft betrachtet, auf
der Anbieterseite ebenso wie im Lager der Nutzer, kann einem der
Angstschweiß ausbrechen. Das soll noch die Vierte Kraft der
Demokratie sein, die Kontrollinstanz von Legislative, Exekutive und
Jurisdiktion? Die journalistische Sprache infiziert von Marotten und
Manierismen - Experten bezeichnen sie als verwahrlost. Läuft''s etwa
schon im Netz? Dann hinterher! Und das wollen mündige Bürger sein,
die ihr Wissen aus 140-Zeichen-Gestammel beziehen? Harte Nachricht?
Lieber doch Boulevard!
Günther Jauch führt Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis
mit ausgestrecktem Mittelfinger vor. Spontane Empörung. In derselben
Minute erklärt der Gescholtene die Sequenz für gefälscht. Zweifel an
Jauchs Reputation, ebenso spontan. Nicht nur bei Twitter - auch die
ARD glaubt, sie habe es versäumt zu recherchieren. Zu Recht. Dann
behauptet Jan Böhmermann, er habe den Stinkefinger montiert - atemlos
purzeln dem Video die Eilmeldungen hinterdrein. Schließlich
demaskiert das ZDF Böhmermanns Video als Satire - und in allgemeinem
Kopfschütteln klingt eine Sensation aus, die nur ein Episödchen war.
»Kollektive Schnappatmung« (»Spiegel online«).
Mord und Totschlag allenthalben, aber wenn uns jemand den
Stinkefinger zeigt, flippen wir aus, höhnt Böhmermann. Wo er recht
hat . . . Schweinepest? Nichts mehr zu essen! Masern? Deutschland
fiebert! Ebola? Die Welt geht unter! Und wenn sich herausstellt, dass
beim Massaker in Werweißwo keine Deutschen unter den Opfern sind,
könnte man ja vielleicht mit dem soundsovielten Jahrestag irgendeiner
Katastrophe aufmachen. Jeden Tag treiben die Medien eine andere Sau
durchs Dorf, weil sie allen Ernstes glauben, sie müssten die
Twitterer, die Facebooker und Whats-Apper wieder einfangen. »Damit
sich Mutti und Vati abends nach dem ''Tatort'' noch mal schön aufregen
können«, ätzt Böhmermann. Da muss erst ein Satiriker kommen, um uns
vor Augen zu führen, wohin sich alles Wissen verflüchtigt, wenn nur
die schnelle News noch Trumpf ist.
Souverän wie kein zweiter spielt Böhmermann mit der
Leichtgläubigkeit der WWW-Gesellschaft zwischen Photoshop und
Video-Compositing. Und alle spielen mit, weil''s ja egal ist, ob man
veräppelt wird. Merkt doch keiner! Wahrscheinlich werden auch die
nicht aussterben, die gläubig nachbeten, ein Bild sage mehr als 1000
Worte. Varoufake (schöner Name, oder? schön schnell!) hat nicht zum
ersten Mal bewiesen, dass ohne sorgfältig gewählte Worte gar nichts
geht.
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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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Datum: 19.03.2015 - 21:00 Uhr
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