Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum deutschen Fernsehsystem
(ots) - Erschiene in Deutschland nur eine einzige
Zeitung, müsste der Staat sie durch eine Gebühr absichern: weil die
Bürger das Recht auf Information haben. Auch müsste er die Zeitung
beaufsichtigen: um ihre Redakteure zur Meinungsvielfalt anzuhalten.
Wo es aber viele Zeitungen gibt, da regeln sich die
Informationsangebote nach den Gesetzen des Marktes: Jeder abonniert
die Zeitung, die er will, und der Staat hält sich zurück. Es gab mal
eine Zeit, da existierte nur ein einziger Fernsehsender: die ARD. Die
durfte Gebühren kassieren und wurde staatlich beaufsichtigt. Heute
gibt es 22 öffentlich-rechtliche Fernseh- und 67 Radiosender. Und sie
alle werden seit 2013 zwangsalimentiert, das heißt, jeder zahlt, egal
ob er Fernseher oder Radio besitzt. Manch einer wird zu Hause und am
Arbeitsplatz gar doppelt und dreifach gemolken.
Aber warum? Warum müssen sich die Zeitungen auf einem umkämpften
Markt um Abonnenten schlagen, während das Fernsehen, aller
finanziellen Sorgen ledig, nicht einmal Rechenschaft abzulegen
braucht, wofür es seine Milliarden ausgibt?
Eine einfache Frage. Das Fernsehen aber bockt. Mit Schaum vorm
Maul hat der Hessische Rundfunk (HR) den Wissenschaftlern jede
Berechtigung abgesprochen, sich zu diesem Thema überhaupt zu äußern.
So scharf die Argumente des HR-Rundfunkrats sind, so leicht
durchschaubar sind sie auch: Die Sender fürchten den Verlust ihrer
Pfründen. Sollte ihre einzigartige Finanzlage ins Bewusstsein der
Öffentlichkeit sickern, müssten sie einen Disput gewärtigen, an
dessen Ende die Vertreibung aus dem Paradies stünde: Sie würden im
Wortsinn auf den Markt geworfen. Aus dem dauerberieselten Zuschauer
würde der autonom entscheidende Kunde.
Kunden aber bezahlen nur für das, was sie haben wollen. Und dann
sähe sich der HR womöglich veranlasst, seine Quizorgien und
Uraltserien, die Abend für Abend, Nacht für Nacht heruntergeleiert
werden, gegen Null zu fahren. ARD und ZDF müssten ihrem Vorabend, der
seit Jahrzehnten dem Quotentod entgegendämmert, eine Frischzellenkur
verordnen. Und die ewiggleichen Dramolette von
Veronica-Ferres-Armseligkeit wären Geschichte. Vielleicht gäbe es
sogar intelligente Serien mit einer überraschenden Dramaturgie.
Herrlich!
Aber freuen wir uns nicht zu früh: Die Fernsehgewaltigen haben
mächtige Bundesgenossen. Machtversessene Politiker, die sich, talk,
talk, talk, eitel inszenieren dürfen. Und denkfaule
Verfassungsrichter.
Für DDR-Regionen, die vom Informationsfluss abgeschnitten waren,
wurde einst das Wort Dunkeldeutschland erfunden. Auf absehbare Zeit
wird uns wohl noch ein geradezu antikes Rundfunksystem, ein
Dunkeldeutschland ganz eigenen Zuschnitts den Fernsehkonsum
vergällen.
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Andreas Kolesch
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Datum: 09.03.2015 - 21:00 Uhr
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