Weser-Kurier:Über den ESC-Eklat schreibt Hendrik Werner:
(ots) - In Deutschland, einig Castingland, ist es gang und
gäbe, mehr oder minder talentierte Menschen groß rauskommen zu
lassen. Ob diese Menschen - seien es Sänger, Models oder
Mundharmonikaspieler - darauf mental angemessen vorbereitet sind,
interessiert die Zeremonienmeister des telegenen
Unterhaltungsbetriebs nicht. Wichtiger als Sozialprophylaxe und
Seelchenschau sind ihnen Brot, Spiele und Vermarktung. Weil sie
finanziell einträglicher sind, weil die Show weitergehen muss und
weil nach der Staffel vor der nächsten Staffel ist. Insofern hat sich
Andreas Kümmert nach seinem 15 Monate zurückliegenden Sieg in der
dritten "The Voice of Germany"-Staffel - zunächst - so verhalten, wie
es die Zirkusregeln von Artisten der Musikmanege verlangen: Er nahm
Lieder auf, er nahm ein Album auf, er nahm Videoclips auf, er gab
Autogramme, er gab Interviews, er ging auf Tour. Seine von der
Musikindustrie maßgefertigte Maske - die eines sperrigen, aber
gefügigen Stars - mag ihm dabei ins Gesicht gewachsen sein, ohne dass
es ihn geschmerzt hätte. Der nächste Eilschritt seiner Laufbahn hätte
den Sänger nicht nur groß, sondern ganz groß rauskommen lassen
können: Beim Eurovision Song Contest werden deutsche Teilnehmer
bekanntlich schon unsterblich, wenn sie nur unter den Top Ten landen.
Doch dann entschied sich der 28-Jährige trotz seines Sieges im
nationalen Vorentscheid für den Verzicht auf das internationale
Finale in Wien. Seine Begründung, die fast in den Buhrufen des
Publikums untergegangen wäre, lautete: "Ich bin doch nur ein kleiner
Sänger." Man darf ihn beim Wort nehmen. Gewiss wäre Kümmert als
Künstler gerne groß. Als Gernegroß aber wird er nicht enden wollen.
Diese Gefahr ist freilich gegeben, weil die Fallhöhe beim ESC enorm
ist. Insofern beweist Kümmert Größe, wenn er sich darauf besinnt,
klein zu sein. Was jedoch dem Prinzip Casting fehlt, ist Wachstum
nach menschlichem Maß.
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Datum: 06.03.2015 - 20:57 Uhr
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