WELFENSCHATZ-Coup der Nazis: Deutschland wird vor US-Gericht verklagt
(ots) -
- Nachfahren deutsch-jüdischer Kunsthändler verlangen Herausgabe
- Stiftung Preußischer Kulturbesitz beharrt auf "freiwilligem
Verkauf" im Jahr 1935
- Erschreckende Tendenz deutscher Restitutionspolitik erkennbar
Amerikanische und britische Nachfahren von deutsch-jüdischen
Kunsthändlern haben die Bundesrepublik Deutschland vor einem
amerikanischen Bundesgericht in Washington DC auf Herausgabe des
"Welfenschatzes" verklagt. Die Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke
wird auf einen Wert von mindestens 220 Millionen Euro geschätzt und
befindet sich heute im Besitz der bundes- und ländereigenen Stiftung
Preußischer Kulturbesitz (SPK).
Es ist das erste Mal, dass Deutschland vor einem US-Gericht von
Nachkommen von NS-Opfern in Anspruch genommen wird, um
Eigentumsansprüche durchzusetzen. Die Kläger machen geltend, dass
ihren Vorfahren die wertvolle Sammlung in einem "staatlich
organisierten Betrugsmanöver" und unter dem Druck von Verfolgung,
Diskriminierung und öffentlicher Anfeindung in Deutschland 1935
abgepresst wurde.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz weigert sich seit Jahren,
die von den Nachfahren der Händler vorgebrachten Ansprüche
anzuerkennen. Zuletzt hatte sie dabei auch die "Limbach-Kommission"
auf ihre Seite ziehen können, deren Empfehlung allerdings keine
bindende Wirkung hat. Nach Ansicht der Kläger wird an der Empfehlung
der Kommission und der Argumentation und Haltung der Stiftung eine
fragwürdige und erschreckende Tendenz deutlich, fundamentale und
bewährte Prinzipien des internationalen Rechts zu ignorieren, wonach
sämtliche Zwangsverkäufe in Nazi-Deutschland ab 1933 per definitionem
als nichtig angesehen werden.
"Deutschland erweckt den Anschein, als hätte es Regeln für den
Umgang mit Nazi-Raubkunst aufgestellt, aber die Realität sieht leider
anders aus", so Nicholas M. O''Donnell von der amerikanischen Kanzlei
Sullivan & Worcester LLP, der als Anwalt der Nachfahren die Klage
eingereicht hat. "Die Weigerung der deutschen Regierung, die Verluste
der Opfer anzuerkennen, die zwar ihr Leben, aber nicht ihren
Lebensunterhalt und Besitz retten konnten, steht in krassem Gegensatz
zu Deutschlands historischer Verpflichtung."
Die Rechtsgrundlage für die Klage bildet der sogenannte "Foreign
Sovereign Immunities Act (FSIA)", der unter bestimmten Umständen die
Klage gegen ausländische Staaten und Einrichtungen ermöglicht, die
auf dem Gebiet der USA geschäftlich tätig sind. Zu den möglichen
Klagegründen zählt die Verletzung internationalen Rechts,
insbesondere auch die rechtswidrige Aneignung von Eigentum bei
Verfolgung. Die Klage bezieht sich ausdrücklich auch auf die
"Washingtoner Erklärung" von 1998, die erstmals internationale
Standards zum Umgang mit Raubkunst aufgestellt hat und 1999 von
Deutschland anerkannt wurde.
Die Klageschrift enthält eine detaillierte Schilderung der
zeitgeschichtlichen Hintergründe und zeigt insbesondere auf, wie sich
der Preußische Staat unter Führung seines Ministerpräsidenten Hermann
Göring mittels Manipulation und Nötigung der Eigentümer, die aus
Deutschland flüchten mussten, in den Besitz der Sammlung brachte. Der
Wert der Sammlung, die im Berliner Kunstgewerbemuseum ausgestellt
ist, wird auf mindestens 220 Millionen Euro geschätzt.
HINTERGRUND:
Der Welfenschatz besteht aus Dutzenden vergoldeten und
juwelengeschmückten Reliquienkunstwerken des 11. bis 15.
Jahrhunderts, die das Haus Braunschweig-Lüneburg im Laufe der
Jahrhunderte zusammengetragen hatte. 1929 veräußerte der Herzog von
Braunschweig die Sammlung an die Großväter und Onkel der Kläger, ein
Konsortium der Kunsthändler J.& S. Goldschmidt, I. Rosenbaum, und
Z.M. Hackenbroch.
In den 1930er Jahren wurden sie als Juden, die es nach Ansicht der
Nationalsozialisten gewagt hatten, nationales Kulturgut - ein
nationales Kulturdenkmal - an sich zu reißen und zu verschachern,
massiv unter Druck gesetzt, den Kernbestand der Sammlung an Preußen
zu verkaufen.
Preußen und Göring nutzten die wirtschaftliche Not der Eigentümer
aus, um sich die Sammlung schließlich für weniger als ein Drittel des
damaligen Marktwerts anzueignen. Der Erlös stand den Eigentümern
nicht zur freien Verfügung und wurde den Eigentümern zudem auf
Sperrkonten überwiesen. Einige der Besitzer hatten bereits
Vorbereitungen zur Flucht aus Deutschland begonnen, andere
unternahmen diese kurz nach der Transaktion. Die von den
Nationalsozialisten verhängten Fluchtsteuern für Juden wurden von
diesen Sperrkonten eingezogen, wie auch in Gestapo-Dokumenten belegt
ist, die Teil der Klageschrift sind.
Der scheinbar legale, nichtsdestotrotz tatsächlich aber erzwungene
Verkauf jüdischer Besitztümer war während des "Dritten Reichs" gang
und gäbe, auch und gerade in der Frühphase des Nazi-Terrors nach
1933, als es vor allem um die wirtschaftliche Eliminierung der
deutschen Juden ging. Die bundeseigene Stiftung Preußischer
Kulturbesitz behauptet indes weiterhin, der Verkauf sei "aus freien
Stücken" und unbeeinflusst von rassischer Verfolgung erfolgt.
Wie amerikanische Presseberichte aus jener Zeit zeigen,
beispielsweise ein Beitrag der Baltimore Sun aus dem Jahr 1935, sah
die Wirklichkeit anders aus: Göring persönlich präsentierte die
Sammlung kurz nach dem Erwerb feierlich dem "Führer", als
"Überraschungsgeschenk" für Adolf Hitler. Weitere Dokumente belegen,
wie der damalige NSDAP-Oberbürgermeister von Frankfurt bereits
unmittelbar nach der Machtergreifung in einem Brief an den
"hochverehrten Herrn Reichskanzler" Hitler persönlich auf den
Welfenschatz aufmerksam machte und um Hitlers Intervention und
Unterstützung für eine Rückführung der Sammlung nach Nazi-Deutschland
nachsuchte.
Mit involviert waren auf Seiten der Preußischen Ministerien später
auch Wilhelm Stuckart, der Mitautor eines Lehrbuchs zu den
"Nürnberger Rassengesetzen" wurde, und Paul Körner, Görings "rechte
Hand", zu dieser Zeit preußischer Staatssekretär. Körner war später
Teilnehmer der "Wannsee-Konferenz" zur "Endlösung der Judenfrage",
bei der die vollständige Vernichtung der Juden Europas beschlossen
wurde.
"Die jüdischen Vorbesitzer dieser Kunstwerke wurden um ihren
Besitz erpresst, während zugleich ihr Leben und das Leben ihrer
Familien auf dem Spiel standen", so O''Donnell. "Der Wert der Sammlung
betrug das Vier- bis Sechsfache dessen, was man den Besitzern damals
bezahlte. Aber, unabhängig vom Preis der bezahlt wurde, kommt darin
ein mehr als fragwürdiges Geschichtsverständnis zum Ausdruck, wenn
die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Verkauf durch verfolgte
jüdische Händler unter den bekannten Umständen im Jahr 1935 als
"freie Entscheidung" bezeichnet."
Der langjährige deutsche Anwalt der Kläger, Markus Stötzel, fügt
hinzu: "Die Situation ist klar: Nachdem die Eigentümer der Sammlung
wegen ihrer jüdischen Herkunft und als Besitzer der National-Ikone
"Welfenschatz" öffentlich als Verräter gebrandmarkt worden waren,
hatten sie Göring und den NS-Staat gegen sich und somit keine
Chance."
Um ihren Besitz zu sichern, hatte die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz erst kürzlich weitere Maßnahmen zur Sicherung der
Sammlung unternommen und den Welfenschatz in die Liste des
"Nationalen Kulturgutes" eintragen lassen, was eine Ausfuhr der
Stücke verhindern soll. Die Kläger bewerten dieses Vorgehen als
durchschaubaren Versuch, eine Raubkunst-Sammlung mit allen Mitteln zu
verteidigen, was jedoch keinerlei Auswirkung auf ihre Eigentumsrechte
habe. "Diese einseitige Verstaatlichung ändert nichts an der
Beweislage, dass der Übergang der Sammlung - wie so viele andere
Enteignungsmaßnahmen gegen jüdischen Besitz - unter dem Zwang des
Dritten Reiches zustande kam", so Mel Urbach, Anwalt der Kläger aus
New York. "Es ist deshalb ein schändliches Manöver, durch das die
illegale Aktion der Nazis noch verfestigt werden soll. Das ist ein
klarer Bruch internationaler Übereinkommen zur Raubkunst, die eine
faire und gerechte Lösung anmahnen", so Urbach.
Einer der Nachfahren der Kunsthändler ist Gerald Stiebel aus Santa
Fe, New Mexico. Er berichtet: "Mein Großonkel Isaak hat es
glücklicherweise nach Amsterdam geschafft, aber mein Vater hat immer
wieder davon erzählt, was die Familie alles zurücklassen musste. Seit
Jahren versuchen wir, in Deutschland Gerechtigkeit zu bekommen. Die
deutschen Stellen sagen, die Nazis hätten die Sammlung in einem
fairen Geschäft erworben. Wie kann das sein? Wir hoffen nun darauf,
dass wir die Gerechtigkeit vor einem amerikanischen Gericht
bekommen."
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Die Klageschrift gegen die Bundesrepublik Deutschland und die
Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor dem Distriktgericht in
Washington DC finden Sie hier: https://ftp.ffpr.de/_RFXaVPl7I3zIZR
Die "Washingtoner Erklärung" zur Nazi-Raubkunst finden Sie hier
http://m.state.gov/md122038.htm
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Datum: 24.02.2015 - 11:00 Uhr
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