DER STANDARD-Kommentar "Stressfest" von Andreas Schnauder
(ots) - Der Stresstest der Banken hat alte Narben geöffnet,
neue Wunden aufgerissen und wichtige Diagnosen gebracht. Er ist kein
Garant für ein krisenfreies Finanzsystem, aber die konzertierte
Röntgenaktion bringt einen Einblick in die Verfassung der
europäischen Geldinstitute und liefert die notwendigen Rezepte für
die Teilnehmer mit schlechten Werten gleich mit: entweder rasche
Stärkung des Herzkreislaufsystems oder Abdrehen der lebenserhaltenden
Maschinen. Ein mindestens ebenso wichtiges Ergebnis der Prüfaktion:
Sie ist vorüber. Der Check war eine wichtige Übung, aber er hat doch
zu einem hohen Maß an Verunsicherung geführt. Die Vorgaben der
Europäischen Zentralbank setzten die Geldinstitute unter erheblichen
Druck. Sie mussten quasi als Vorbereitung auf die Prüfung ihre
Bilanzen in Ordnung bringen. Dazu gibt es im Wesentlichen zwei
Möglichkeiten bzw. eine Mischung aus beiden: Die Banken erhöhen ihr
Eigenkapital oder sie reduzieren ihre Bilanzsumme. Letztere Methode
heißt nichts anderes als Verkauf von Beteiligungen und Abbau von
Krediten. Dieser Prozess kam zur Unzeit und verschärfte die
Konjunkturprobleme in Europa; seit Ausbruch der Krise ist das
Kreditvolumen um 600 Milliarden Euro geschrumpft. Keine Frage: Hohe
Arbeitslosigkeit und schwache Binnennachfrage sind nicht dazu
angetan, die Darlehensvergabe anzukurbeln. Aber die neuen Kandaren
haben zweifelsohne den Geldfluss in die Realwirtschaft zusätzlich
austrocknen lassen. Was nicht einer gewissen Pikanterie entbehrt: Die
EZB pumpt Milliarden in die Banken, die - wegen des Stresstests der
Zentralbank - das Geld aber lieber parken, anstatt Kredite zu
vergeben. Nun ist der Spuk vorüber, wodurch auch die Fragmentierung
des Marktes nachlassen sollte. Gerade in der Euro-Peripherie ging
nicht nur die Kreditvergabe stärker zurück, es kam auch zu einer
deutlichen Verteuerung der Darlehen. Mit Zinskosten, die um rund zwei
Prozentpunkte über jenen im Eurokern liegen, stehen portugiesische
oder spanische Klein- und Mittelbetriebe auf verlorenem Posten. Diese
unterschiedlichen Konditionen hängen auch mit höheren Risikokosten in
den angeschlagenen Staaten zusammen, aber eben nicht nur. Zahlreiche
Banken werden von Investoren nach wie vor gemieden, weil sich Leichen
in ihrem Keller befinden könnten. Damit sollte nach Öffnung und
Belastung der Bücher langsam Schluss sein. Apropos Bücher: Eines der
auffälligsten Ergebnisse des Tests stellt die Korrektur der
Darlehensbewertung dar. Um 136 Milliarden Euro wurden die faulen
Kredite von den Bankprüfern nach oben geschraubt. Nicht gerade
kaufmännische Vorsicht spiegelt das Ergebnis für Österreich wider, wo
die sechs geprüften Banken mit drei Milliarden Euro zu wenig für
Risiken vorgesorgt haben. Das entspricht ungefähr dem
Anpassungsvolumen des weitaus größeren spanischen Kreditapparats.
Somit kommt es nicht überraschend, dass Erste Group und Raiffeisen
heuer abermals mit dem Besen durch ihre Bücher gegangen sind. Schwer
zu sagen, ob der neue Realitätssinn auch ohne den Druck der EZB
eingekehrt wäre. Zugutegehalten sei den heimischen Banken, dass sie
sich angesichts der härteren Abwärtsszenarien für Osteuropa nicht so
schlecht geschlagen haben. Auch sie können sich jetzt, mit dem
Prädikat stressfest ausgezeichnet, auf die Kreditvergabe
konzentrieren.
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Datum: 26.10.2014 - 18:15 Uhr
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Nach überwundener Prüfung steht einer besseren Kreditvergabe nichts im Wege Wien
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